Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Zeugeneid ist in der Regel, der Sachverständigen- 
eid ausschließlich Voreid. Beim Zeugeneid ist 
die Möglichkeit vorgesehen, die Beeidigung aus 
besondern Gründen bis nach Abschluß der Ver- 
nehmung auszusetzen. Die Norm des promisso- 
rischen Zeugeneids lautet: „Daß Zeuge nach bestem 
Wissendiereine Wahrheitsagen, nichtsverschweigen 
und nichts hinzusetzen werde.“ Im assertorischen 
Eid wird nur das Tempus geändert. Ahnlich beim 
Gutachtereid. Die prinzipielle Vorbeeidigung ent- 
spricht dem früheren gemeinen deutschen Prozeß- 
recht (Kammergerichtsordnung v. 1577 Tit. 77), 
dem französischen Prozeßrecht (Code de proc. 
art. 262), dem englisch-amerikanischen Recht und 
den meisten neueren Gesetzgebungen, während in 
Preußen (durch die Prozeßordnung von 1793) 
und Sachsen früher der Nacheid eingeführt war. 
Auch in der Gegenwart bestehen Bestrebungen für 
die Einführung des Nacheids. Dem erhofften Er- 
folg des Nacheids, nämlich der Verminderung der 
Eidesverletzungen, stehen die sichere Verschleppung 
und Erschwerung der Prozeßverhandlung gegen- 
über. Vielleicht könnte sich die Reform in der 
Richtung bewegen, daß es in das richterliche Er- 
messen gestellt wird, je nach Lage des Falles den 
Vor= oder Nacheid abzunehmen. Die Urkunds- 
personen sind einzeln zu vereidigen (keine Massen- 
vereidigung), und zwar in der Regel vor dem er- 
kennenden Gericht, also im Strafprozeß in der 
Hauptverhandlung; nur ausnahmsweise ist im 
Strafprozeß Beeidigung im Vorverfahren und im 
Zivilprozeß kommissarische Vereidigung zulässig 
(St. P.O. 88 65, 222; 3.P.O. 8 479). 
Eine große Bedeutung hat der Eid als Partei- 
eid, d. h. als eidliche Bekräftigung der Wahr- 
heit einer Parteibehauptung oder der Unwahr- 
heit einer vom Gegner aufgestellten Behauptung. 
Der Parteieid ist entweder Haupteid oder 
Nebeneid. Der Haupteid erscheint in der 
Form des zugeschobenen bzw. zurückgeschobenen 
Eides (iuramentum voluntarium, Schiedseid) 
oder des richterlichen Eides (iur. necessarium, 
Noteid). Der Nebeneid kommt vor als Editions-, 
Offenbarungseid und als juratorische Sicherheits- 
leistung im Prozeß. Haupteid ist der Partei- 
eid, von dessen Leistung oder Nichtleistung un- 
mittelbar die Entscheidung über den ganzen Prozeß 
oder einen Teil desselben (Zwischenstreit) abhängt. 
Er findet sich nur im Zivilprozeß, wo ja die Ver- 
handlungsmaxime und die formelle Beweislast 
herrscht. Im Strafprozeß ist er mit dem Instruk- 
tionsprinzip und dem Grundsatz der materiellen 
Wahrheit unvereinbar. Die Reglung des Haupt- 
eides durch die Zivilprozeßordnung beruht auf einer 
Mischung justinianischer Grundsätze mit veralteten 
Normen deutschen Rechts. Die Eideszuschie- 
bung (Delation) besteht darin, daß der Beweis- 
führer vom Gegner verlangt, dieser solle die Un- 
richtigkeit der Behauptungen des Beweisführers 
Eid. 
  
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last zusammen: nur die beweispflichtige Partei 
kann den Eid zuschieben. Zuschiebung seitens der 
nichtbeweispflichtigen Partei hat keine Bedeutung. 
Ebenso kann grundsätzlich nur an die Partei oder 
an den streitgenössischen Nebenintervenienten, nicht 
an einen Dritten, zugeschoben werden. Eine Aus- 
nahme besteht für den gesetzlichen Vertreter, an den 
zugeschoben werden kann. Die Eideszuschiebung 
ist, in objektiver Hinsicht, nur über Tatsachen 
zulässig, welche in Handlungen des Gegners (facta 
propria), seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter 
bestehen (facta aliena) oder welche Gegenstand 
der Wahrnehmung dieser Personen gewesen sind. 
Der Haupteid ist also nur Tatsacheneid, nicht 
Rechtseid wie im altgermanischen Prozeß. Un- 
zulässig ist die Zuschiebung über Tatsachen, deren 
Gegenteil gerichtsnotorisch ist oder dem Gericht 
als erwiesen erscheint. Der Gegner (Delat) hat 
sich über die Zuschiebung zu erklären. Er kann 
wählen zwischen Annahme, Zurückschiebung (Re- 
lation) oder Eidesweigerung. Als Eidesweigerung 
gilt auch die unterbliebene Erklärung auf die Zu- 
schiebung, die unbefugte Zurückschiebung und auf 
Antrag die Versäumung des Schwurtermins. 
Letztere kann innerhalb einer einwöchigen Notfrist 
geheilt, die unterbliebene Erklärung in der Be- 
rufungsinstanz nachgeholt werden. Dagegen ist 
die Eidesweigerung endgültig (3.P.O. 88 466, 
531, 533 Abs. 2). Ist die beschworene Tatsache 
ein factum proprium, so lautet die Eidesnorm 
gewöhnlich dahin, „daß die Tatsache wahr oder 
nicht wahr sei“. In den andern Fällen wird der 
Eid als Überzeugungseid geleistet (iuramentum 
de credulitate). Beim Haupteid ist streng zwi- 
schen Eidesanordnung und Eidesabnahme zu unter- 
scheiden. Angeordnet wird die Leistung eines zu- 
geschobenen (zurückgeschobenen) Eides regelmäßig 
durch bedingtes Endurteil, ausnahmsweise durch 
Beweisbeschluß, selten durch bedingtes Zwischen- 
urteil. In dem Endurteil ist bereits der ganze 
Prozeßstoff fixiert, es stellt den Prozeß ab auf die 
Leistung oder Nichtleistung des Eides, so daß nach 
dem bedingten Endurteil in der Verhandlung kein 
neues Parteivorbringen mehr statthaben kann. Die 
Eidesleistung findet erst nach Rechtskraft des be- 
dingten Endurteils statt. Dieses findet seine Er- 
ledigung in dem unbedingten Endurteil (Läute- 
rungs-, Purifikationsurteil). Beim Eid greifen 
einige der wenigen Beweisregeln der Zivilprozeß- 
ordnung ein; insoweit ist also die freie richterliche 
Beweiswürdigung ausgeschlossen. Durch die Lei- 
stung des Eides wird voller Beweis der beschwo- 
renen Tatsache begründet. Die gleiche Wirkung 
hat die Erlassung des Eides durch den Gegner. 
Eidesweigerung (und was ihr gleichsteht) hat die 
Folge, daß das Gegenteil der zu beschwörenden 
Tatsache als voll erwiesen gilt. Der zugeschobene 
Eid ist subsidiär: er kommt bloß in Betracht, wenn 
die andern Beweismittel erschöpft sind. In ge- 
beschwören. Sie ist subjektiv und objektiv begrenzt. wissen Fällen kann die Eidesanordnung gerichts- 
Ihre Reglung hängt aufs engste mit der Beweis= seitig geändert oder aufgehoben werden; bei Tod
	        
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