Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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staatliche Obrigkeit insbesondere dann verlangen, 
wenn ihnen in das staatliche Gebiet eingreifende 
Obliegenheiten (z. B. Schulaufsicht, Führung der 
Zivilstandsregister) anvertraut sind (vgl. d. Art. 
Eid in Wetzer und Weltes Kirchenlexikon). Über 
den englischen Suprematseid (seit 1534) vgl. d. 
Art. Katholikenemanzipation in Großbritannien. 
Auf dem Gebiet des Völkerrechts war 
früher die Verwendung des Eides zur Bestärkung 
von Staatsverträgen nicht selten. Sie verschwand 
jedoch immer mehr. Einer der letzten Fälle dürfte 
die Beschwörung des französisch-schweizerischen 
Vertrags von 1777 gewesen sein (Klüber, Völker- 
recht § 155). Indessen enthält noch der Eingang 
des Berliner Vertrags von 1878 eine Berufung 
auf die Gottheit. Außerdem wären hier zu nennen 
die Eide der Konfuln, welche allenthalben den 
gesetzlichen Amtseid leisten. Auch den Beisitzern 
der deutschen Konsulatsgerichte ist anläßlich ihrer 
ersten Dienstleistung ein Eid abzunehmen, die 
Pflicht eines Beisitzers getreulich zu erfüllen und 
ihre Stimme nach bestem Wissen und Gewissen 
abzugeben. 
IV. Verpflichtung und Verletzung. Mo- 
ralisch verpflichtet jeder Eid den Schwörenden, 
der ja sein Seelenheil für die Wahrheit seiner 
Aussage einsetzt, aufs strengste im Gewissen. Beim 
promissorischen Eid ist indessen nach der Lehre der 
Moraltheologen ein Aufhören der eidlichen Ver- 
pflichtung aus innern und äußern Gründen mög- 
lich. Aus innern Gründen kann eine Befreiung 
eintreten, wenn die bei jedem Eid eingeschlossenen 
Bedingungen, z. B. der physischen oder moralischen 
Möglichkeit der Erfüllung, nicht eingetreten sind. 
Durch äußere Gründe endet die eidliche Verpflich- 
tung infolge Irritation, Ungültigkeitserklärung 
von seiten dessen, der eine Obergewalt über die 
Person des Schwörenden oder über das Objekt 
des Eides hat, ferner infolge Kondonation, Er- 
laß von seiten des Eidnehmenden, infolge Dis- 
pens, die aber nur aus gerechter Ursache bei Eiden 
statthaben kann, welche nach Art eines Gelübdes 
Gott geleistet werden, und zuletzt infolge Relaxa- 
tion, Eideslösung durch den kompetenten kirch- 
lichen Obern wegen solcher Gründe, die auf seiten 
des Eidnehmenden vorhanden sind. Fälle solcher 
Art werden da als gegeben erachtet, wo das Ge- 
meinwohl dies fordert, welches dem Privatwohl 
immer vorgeht, wo der Schwörende in seinem 
Recht schwer geschädigt wurde und wo ein Ver- 
brechen gestraft werden soll. Hierher gehört die 
früher übliche Entbindung der Vasallen oder der 
Untertanen von dem ihrem Lehnsherrn oder König 
geleisteten Eid (vgl. Göpfert, Moraltheologie 1 
(# 1905] 464 f 
Während vor der Moral jeder Eid, sei er pri- 
vat oder öffentlich abgelegt, verpflichtet, ist im 
modernen Staat nur der Eid vor Behörden 
erheblich; erst dadurch entsteht ein Interesse der 
Gesellschaft. Der Staat mit seinem umfangreichen 
Verwaltungsapparat muß sich in allen Verwal- 
Eid. 
  
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tungszweigen, besonders aber in der Rechtspflege, 
auf die Wahrheit des beschworenen Wortes ver- 
lassen können, da ja eine materiell möglichst rich- 
tige Entscheidung ergehen soll. Darum erscheinen 
beschworene falsche Aussagen als Verbrechen gegen 
die Staatsverwaltung und besonders gegen die 
Rechtspflege. Der Gesetzgeber hat daher den Eid 
unter strafrechtlichen Schutz gestellt, so daß seine 
Verletzung eine Reaktion der Staatsgewalt 
auslöst. 
Vielfach werden die Eidesdelikte auch als Fäl- 
schungsdelikte betrachtet. Der Tatbestand eines 
Eidesdelikts ist unabhängig davon, ob kraft Ge- 
setzes die Beeidigung unterbleiben sollte. Daher 
können auch Eidesunmündige, strafweise Eides- 
unfähige ein Eidesdelikt begehen, wenn nur 
Strafmündigkeit vorliegt. Nach geltendem Recht 
tritt Strafe für die Schwörung eines Falscheides 
und für die Abgabe einer ihm gleichgestellten 
falschen Aussage ein. Unter letztere fallen die Be- 
teuerungsformeln von Religionsgesellschaften, wel- 
chen solche statt des Eides gestattet sind, und ge- 
wisse Versicherungen und die Berufung auf den 
früher geleisteten Eid (St.G.B. 8 155). 
Grundformen der Eidesdelikte sind: 1) Der 
Falscheid (Meineid), und zwar entweder in 
eigener Sache (der falsche Parteieid in allen seinen 
Arten) oder in fremder Sache (der falsche Zeugen- 
und Gutachtereid). Der falsche Zeugeneid bezieht 
sich auf Tatsachenwahrnehmungen, der falsche 
Gutachtereid auf Beurteilungen vermöge einer 
besondern Sachkenntnis. Letzterer umfaßt nicht 
die Personalien der Auskunftsperson. Darum 
kann der Sachverständige, welcher wissentlich 
falsche Angaben über seine Personalien macht, 
nur dann wegen Meineids bestraft werden, wenn 
er auch als Zeuge vereidigt wurde, und nur in- 
soweit kann er auch für falsche Tutsachen verant- 
wortlich gemacht werden. 2) Falsche Versiche- 
rung an Eides Statt. Sie wird milder als 
der Meineid bestraft. Es wird die vorsätzliche wie 
die fahrlässige Begehung der genannten Eides- 
verbrechen bestraft, letztere natürlich milder. Außer- 
dem tritt beim Vorliegen gewisser besonders an- 
geführter Umstände eine Erhöhung oder Vermin- 
derung des Strafrahmens ein. So wird die an- 
gedrohte Strafe erhöht, wenn ein falscher Zeugen- 
oder Gutachtereid im Strafprozeß zum Nachteil 
des Angeschuldigten abgegeben wurde; vermindert 
wird sie, wenn sich eine Urkundsperson eines Mein- 
eids oder einer falschen eidesstattlichen Versiche- 
rung schuldig machte aus Interessenwahrung oder 
weil sie infolge fehlender richterlicher Belehrung 
von ihrem Aussageverweigerungsrecht keinen Ge- 
brauch machte. Gleiche Strafermäßigung tritt 
in gewissen Fällen ein bei Widerruf der falschen 
Aussage, und völlig straflos bleibt der fahrlässige 
Falscheid bei Widerruf. Das Unternehmen 
zur Meineidsverleitung ist ein delictum 
sui generis und wird unter selbständige Strafe 
gestellt, so daß auch die erfolglose Anstiftung ge- 
 
	        
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