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Hintersassen ausbildete. Die Annahme des väter-
lichen Hofs, die Eingehung der Heirat, der Wechsel
des Wohnorts, die Betreibung eines Handwerks
oder Gewerbes bedingte einen besondern, regel-
mäßig mit Abgaben in Geld, Naturalien oder
andern Produkten verknüpften Konsens; es be-
stand Gesindezwangsdienst der Kinder der Hinter-
sassen nebst einem Anspruch oder Vorzugsrecht
der Guts= und Gerichtsherren auf die Arbeit
selbst freier Taglöhner; besondere Schutz= und
Hausgelder für die Gerichts= und Polizeiverwal-
tung wurden eingeführt, dann Abzugsgelder, der
Sterbe= oder Todfall, das sog. Mortuarium, das
bis zur Hälfte der Erbschaft, ja in Ermanglung
von Abkömmlingen sogar auf die ganze Nachlassen-
schaft gehen konnte; ferner zahlreiche gemessene
und ungemessene Dienste aller Art in Feldarbeiten,
Marktfuhren usw.; der von jedem majorennen oder
neu einziehenden Wirt und Hintersassen dem
Gutsherrn zu leistende Huldigungs= und Unter-
tänigkeitseid. Die schon im frühen Mittelalter am
weitesten und gleichmäßigsten eingeführte Grund-
belastung war die der Zehnten: der Großzehnte
von Ackern und Wiesen, der Kleinzehnte von
Garten= und Baumfrüchten und aus Weinbergen,
der Fleisch= oder Blutzehnte von allen zur Haus-
und Feldwirtschaft gehörigen Vieharten, der Rott-
oder Novalzehnte von urbar gemachten Grund-
stücken. Die Quelle des Zehntrechts ist aber eine
gesetzliche: das mosaische Gesetzbuch, aus welchem
die Kirchenversammlungen des 6. Jahrh., insbe-
sondere die von Macon (585), dasselbe ableiteten
als eine zur Erhaltung der Geistlichkeit, der Kir-
chengebäude und der Armen gebotene öffentliche
Grundabgabe. Als solche konstituierte sie Karl
d. Gr. förmlich durch ein Kapitulare von 799.
Gar bald aber verlor die Zehntberechtigung ihren
ausschließlich kirchlichen Charakter und wurde von
dem Landesherrn für die Verteidigung und innere
Einrichtung des Staates mit in Anspruch ge-
nommen, und nachdem dieses einmal durchgesetzt
war, ging auch der öffentliche Charakter verloren:
teils durch Vertrag und Lehenauftragung, teils
auch durch reine Willkür erwarben sie zunächst
die Vögte der Kirchen und Klöster, dann auch
die Grundherren. Als Aquivalent dafür legte
die Gesetzgebung, insbesondere in den geistlichen
Staaten, solchen Privatberechtigten die Kirchen-
baulast auf. Auch mit den Zehnten war die
Reihe der Belastungen des Grundeigentums noch
nicht geschlossen. Mit der Rezeption des römischen
Rechts fand die Lehre von den Regalien Eingang,
von den der obersten Staatsgewalt als solcher vor-
behaltenen Rechten, welche dann wieder die man-
nigfachsten Beschränkungen im Eigentum wie in
der Nutzung des Grund und Bodens im Gefolge
trug. Es sind das die sog. niedern, unwesent-
lichen (sinanziellen) Regalien, das Berg-, Forst-,
Jagd-, Salz= und das Wasser= oder Mühlenregal.
Durch den Reichstag auf den Ronkalischen Feldern
im Jahr 1157 im allgemeinen begründet, fielen
Agrargesetzgebung, Agrarpolitik.
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auch diese niedern Regale sehr bald aus ihrem
ursprünglichen Rechtskreis heraus und in die
Rechtssphäre der Grund= und Gerichtsherren, die
sich trotz des Lehnsverbands diese Befugnisse des
vollen und echten Eigentümers für ihre Person
wohl zu sichern verstanden, aber das Eigentums-
und Nutzungsrecht ihrer Hintersassen damit, ins-
besondere bezüglich der Jagd, beeinträchtigten. —
Selbstredend bildeten diese vielseitigen Teilungen,
Beschränkungen und Belastungen der Nutzungen
des Eigentums und seiner Übertragbarkeit und
Vererbung ebenso vielgestaltige Gemeinheits= und
Hofsverfassungen aus. Im alten Sachsenland er-
hielten sich die Markgenossenschaften, die früheste,
ursprünglichste, schon Tacitus erkennbare Ge-
meindeverfassung, derzufolge alle Genossen und
Einwohner ohne allen Unterschied des persönlichen
Standes, ob Adlige, Freie oder Unfreie, zur
Teilnahme an den gemeinschaftlichen Nutzungen
wie zur Teilnahme an der Verwaltung und Ge-
richtsbarkeit in den periodischen Märkerversamm-
lungen und Markgerichten berechtigt blieben. Es
waren hauptsächlich Wald= und Weidegründe,
welche diesen Markenverfassungen unterlagen, deren
Vorsteher aus freier Wahl hervorgingen. Diesen
ungeteilten Marken standen nun zur Seite oder
gegenüber die Allode. Über die Etymologie des
Wortes ist viel gestritten worden. Die allgemeinste
Ansicht ist, daß die erste Silbe a die Zahl 1, und
die zweite lod ein Los bezeichnet, also: ein bei der
Zuteilung (bei der Eroberung) zugefallenes Gut.
Grimm (Rechtsaltertümer 493) legt aus: al —
völlig und od = eigen, also: ein völlig eigenes
Gut. Aber die Silbe od kehrt auch in dem Ge-
gensatz des Allods, im Feod, feudum, wieder, wo
sie sichtlich nichts anderes als Gut bedeutet. An
dieser Bedeutung festhaltend beziehen andere al
auf die Allgemeinheit der Volksgenossen, aus
welcher das Gut stammte und welcher es fort-
dauernd als Grundlage diente; es hieße dann so
viel als Bürgergut. Wieder andere leiten die letzte
Silbe von leode, das Volk, ab, was dann auf
die erste Bedeutung, auf das dem einzelnen bei
den öffentlichen Verlosungen zugefallene Anlos
hinauskommen würde. Allodium bezeichnet dem-
nach ein dem Lehnsverband und den gutsherrlichen
Lasten entzogenes Grundstück, dessen Veräußerung
und Vererbung den Grundsätzen des gemeinen
Privatrechts folgt. Die solchergestalt bewirkte
Einteilung des Landes in gleichgroße, mindestens
gleichwertige Güter mit einem Gehöft findet sich
bei den germanischen Völkern, den Franken zu-
mal, überall. In Süd= und Norddeutschland hieß
ein solches Gehöft Mansus — Mannsgut, Manns-
los, gleichbedeutend mit Hube. Seine Größe war
nach Grimm in der Regel 40 Juchert. Dieses
Allodgut mit seiner Anteilsberechtigung an der
Mark oder der Allmende (Gemeingut) bildete in
der ganzen fränkischen Monarchie die unmittelbare
Grundlage zunächst des bürgerlichen, dann auch
des politischen Gemeinwesens; wie die Familien-