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Kosten des Eisenbahnbaues überschätzte und den
Eisenbahnbetrieb wegen seiner Schnelligkeit für
unmittelbar gefährlich hielt, und zwar nicht nur
für die Reisenden, sondern auch für die in der
Nähe eines fahrenden Zugs befindlichen Personen
und Sachen, zu deren Sicherheit man die pein-
lichsten Vorsichtsmaßregeln für notwendig erach-
tete. Dieser Kampf der Eisenbahnen gegen die
Automobile hat ähnlich geendet wie der gegen die
Kanäle: nachdem die Automobile als Nebenbuhler
der Eisenbahnen zurückgeschlagen waren, haben
sie sich in die bescheidene Rolle gefügt, Vorläufer
und Zubringer der Eisenbahnen, namentlich der
Kleinbahnen, zu sein, haben daneben aber auch
eine große selbständige Bedeutung erlangt. Ihre
Entwicklung schreitet von Tag zu Tag fort, so daß
nach menschlicher Voraussicht ihnen eine große
Zukunft bevorsteht. In Deutschland gab es am
1. Jan. 1908 neben 14671 der Personenbeför-
derung dienenden Automobilen 825 Lastauto-
mobile bis zu 8 PS, 418 von 8/16 PS, 284 von
16/40 PS und 16 von mehr als 40 PS. Sollte es
der Technik gelingen, den Automobilen eine Kor-
struktion zu geben, die sie auch zur zuverlässigen,
schnellen Beförderung größerer Massen befähigt,
so würde dies nicht nur für das Wirtschaftsleben,
sondern auch für die Kriegführung von größter
Wichtigkeit sein. Nach dem heutigen Stand der
Sache wird es aber nie wieder heißen wie in den
Jahren 1825/35: Eisenbahnen oder Automobile,
sondern immer nur: Eisenbahnen und Automobile.
E. Arten der Eisenbahnen. 1. Je nach
der Größe der Spurweite unterscheidet man nor-
malspurige, breitspurige und schmalspurige Bahnen.
Die Normalspurweite, so genannt, weil sie bei den
meisten Eisenbahnen, 75 % derselben, besteht und
auf der Berner internationalen Konferenz von
1886 als internationale Spur angenommen wor-
den ist, beträgt 1435 mm (4° 8 ½“ engl.) im
Lichten zwischen den Schienenköpfen gemessen.
Dieses Maß ist nicht gewählt worden, weil man
es als das zweckmäßigste erkannt hätte; es erklärt
sich vielmehr historisch: in England wurden die
ersten Eisenbahnwagen nach dem Vorbild der vor-
handenen Diligenzen hergestellt, deren Räder
eben den genannten Abstand hatten; als man dann
auch in den andern Ländern zum Bau von Eisen-
bahnen überging, bezog man die ersten Lokomo-
tiven aus England und übernahm mit ihnen die
englische (Stephensonsche) Spur. Diese ist na-
mentlich in Europa und in Nordamerika vorherr-
schend. Breitspurige Bahnen sind solche, deren
Spurweite größer als die Normalspur ist. Streng
genommen gehören zu ihnen auch die französischen
Bahnen; der Unterschied ist aber so gering (5 mm),
daß der Ubergang der Züge von den französischen
auf die normalspurigen Bahnen und umgekehrt
nicht behindert ist. Die irischen Bahnen haben
eine Spur von 1600 mm (5“ 3“ engl.). Diese
ist von einigen ausländischen Bahnen übernommen
worden; ursprünglich war auch die Bahn Basel-
Eisenbahnen.
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Mannheim mit dieser Spur gebaut. Das Vor-
handensein dieser Spur in Irland erschwert die
Einrichtung eines Dampffähredienstes zwischen der
grünen Insel und England. Bei den Haupt-
bahnen der Iberischen Halbinsel ist eine Spur von
1676 mm (5/6“ engl.) in Anwendung. Als „in-
dische Breitspur“ ist dieselbe auch bei den Haupt-
bahnen Ostindiens eingeführt worden, und zwar
in der ausgesprochenen Absicht, den Fahrzeugen
größere Standfestigkeit gegen die Orkane zu
geben. Sie ist auch bei verschiedenen südamerika-
nischen und afrikanischen Bahnen in Anwendung.
Eine größere Spurweite hat endlich auch Rußland.
Zunächst wählte man dort eine solche von 1820 mm
(6 engl.), weil bei derselben leistungsfähigere und
standfestere Lokomotiven gebaut werden konnten;
später ging man, um den Eisenbahnbau zu ver-
billigen, zu der noch jetzt in Anwendung befind-
lichen Spur von 1524 mm (57 engl.) über. Im
Kriegsfall können die russischen Eisenbahnen da-
durch auch für die Züge der Nachbarstaaten be-
nutzbar gemacht werden, daß man zwischen die
beiden Schienen in normaler Entfernung von einer
Schiene eine dritte einfügt. Das umgekehrte Ver-
fahren, Einrichtung einer normalspurigen Bahn
für breitere Züge, setzt natürlich genügende Länge
der Schwellen sowie genügende Breite der Brücken,
Tunnels usw. voraus. Im ganzen sind etwa 11%
der Eisenbahnen breitspurig angelegt.
Schwerwiegende Gründe — einzelne derselben
wurden vorhin schon angedeutet — sprechen für
die allgemeine Einführung einer größeren Spur-
weite. Wegen des Kostenpunkts aber, der nun
einmal im praktischen Leben eine so große Rolle
spielt, wird es wohl voraussichtlich für absehbare
Zeit beim alten bleiben, geradeso wie unsere Bah-
nen trotz der besseren Erkenntnis lediglich wegen
der Kostspieligkeit der Umänderung die gefähr-
lichen zwei Puffer an den beiden Enden der Wa-
gen statt eines Puffers beibehalten.
Schmalspurig sind etwa 14 % der Hauptbahnen
der Erde angelegt. Es gibt schmalspurige Bahnen
namentlich in Südamerika, Australien und Japan.
Schmalspurige Bahnen sind in Anlage, Betrieb
und Unterhaltung erheblich billiger als normal-
spurige; für Gebirgsgegenden bieten sie auch tech-
nische Vorteile. In Deutschland ist für kleinspu-
rige Bahnen eine Spurweite von 1m. 0.785 m,
0,750 m oder 0,600 m (in einem Fall von
0,900 m) in Gebrauch. Im ganzen waren Ende
1906 in Deutschland 2066 km Schmalspur-
bahnen im Betrieb mit 450 Lokomotiven, 1198
Personenwagen, 10 038 Güterwagen und einem
Anlagekapital von 155 615.000 M oder pro km
75200 M (bei den Vollspurbahnen betrug das
Anlagekapital pro km 265 000 M).
2. Mit Rücksicht auf den Bau und die Betriebs-
art der Eisenbahnen oder auch nur auf letztere
unterscheidet man sodann Hauptbahnen und Bah-
nen untergeordneter Bedeutung, welch letztere wie-
derum in Neben= oder Sekundär= und