Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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die Schweiz, Dänemark, Rumänien und Schweden. 
Die Liste sämtlicher Eisenbahnstrecken, auf die das 
Internationale Übereinkommen Anwendung findet, 
ist zuletzt veröffentlicht worden im R. G. Bl. 1908, 
39. Das in Bern bestehende Zentralamt für 
den internationalen Eisenbahntransport fungiert 
auf Antrag der Parteien als Schiedsgericht in 
Fragen des internationalen Eisenbahnfrachtver- 
kehrs; im übrigen ist es Vermittlungsstelle für die 
Regulierung der finanziellen Beziehungen aller 
Vertragsstaaten, Zentralstelle für die Statistik und 
Herausgeberin einer Zeitschrift über internationales 
Transportrecht. 
C. Preußische Gesetzgebung. 1. In 
Preußen besteht noch ein großer Teil des Gesetzes 
über die Eisenbahnunternehmungen vom 3. Nov. 
1838 zu Recht. Das Gesetz war ursprünglich nur 
für Privatbahnen berechnet, findet aber auch auf 
die Staatseisenbahnen Anwendung. Es ist durch 
Kabinettsorder vom 19. Aug. 1867 seinem größten 
Teil nach auch in den 1866 erworbenen Landes- 
teilen eingeführt worden. Baut der Staat selbst 
eine Eisenbahn, so bedarf es hierzu in Preußen 
einer Entscheidung des Königs; für die Aufbrin- 
gung der Mittel gelten die allgemeinen staatsrecht- 
lichen Grundsätze. Geht der Bau von einer Privat- 
gesellschaft aus, so bedarf es einer besondern Kon- 
zession, die auf Antrag des Staatsministeriums 
vom König erteilt wird. Seitdem Preußen Ende 
der 1870er Jahre zu einer entschiedenen Staats- 
bahnpolitik übergegangen ist, wird der Bau von 
Haupteisenbahnen nicht mehr der Privatunter- 
nehmung überlassen, die daher tatsächlich gegen- 
wärtig auf den Bau von Nebenbahnen und Klein- 
bahnen beschränkt ist. 
2. Die Organisation der Behörden 
ist für die Staatsbahnen erfolgt durch die Ver- 
waltungsordnung vom 15. Dez. 1894 (Gesetz- 
Sammlung für die Kgl. Preuß. Staaten 1895, 
12, neu festgesetzt G. S. 1907, 82). Hiernach ist 
Chef der gesamten Eisenbahnverwaltung der 
Minister der öffentlichen Arbeiten. Die Erledi- 
gung der Ministerialgeschäfte erfolgt durch fünf 
Abteilungen (Bau-, Verkehrs-, Verwaltungs-, 
Finanz= und maschinentechnische Abteilung), an 
deren Spitze je ein Direktor steht. Zur Aufrecht- 
erhaltung der Einheitlichkeit in diesen Abteilungen 
und zur Vertretung des Ministers in den Geschäften 
der laufenden Verwaltung ist ein Unterstaatssekre- 
tär bestellt. Unter der Oberleitung des Ministers, 
dessen eigener Entscheidung eine Reihe wichtigerer 
Fragen vorbehalten ist, erfolgt die Verwaltung der 
Staatsbahnen und der vom Staat verwalteten 
Privatbahnen durch das Eisenbahnzentralamt und 
durch 21 Eisenbahndirektionen. Dem Zentralamt 
liegen die für eine größere Anzahl von Eisenbahn- 
direktionen und die für den ganzen Staatsbahn- 
bereich einheitlich zu erledigenden Geschäfte ob, 
während die Eisenbahndirektionen die zu ihren 
Bezirken gehörigen im Betrieb oder im Bau be- 
findlichen Strecken verwalten. Die Direktionen 
Eisenbahnen. 
  
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haben ihren Sitz in folgenden Städten: Altona, 
Berlin, Breslau, Bromberg, Danzig, Elberfeld, 
Erfurt, Essen, Frankfurt a. M., Halle, Hannover, 
Kassel, Kattowitz, Köln, Königsberg, Magdeburg, 
Mainz, Münster i. W., Posen, St Johann-Saar- 
brücken und Stettin. Jeder Direktion unterstehen 
durchschnittlich eiwa 1700 km; der größte Di- 
rektionsbezirk ist Königsberg mit 2430 km, der 
kleinste Berlin mit 590 km. Den 21 Direktionen 
sind für die Ausführung und Überwachung des 
örtlichen Dienstes 267 Betriebs-, 92 Maschinen-, 
89 Verkehrs= und 99 Werkstätteninspektionen sowie 
für die Leitung von Neubauausführungen 66 Bau- 
abteilungen untergeordnet. Über die Einzelheiten 
der Organisation der Eisenbahnverwaltung geben 
eine klare Ubersicht die für das Jahr 1907 auf- 
gestellten Tabellen 27/30 bei Macco, Die Entwick- 
lung des Eisenbahnnetzes usw. der preußischen 
Staatsbahnen (1908).— Zur gutachtlichen Mit- 
wirkung in Eisenbahnverkehrsfragen, soweit die- 
selben nicht technischer Natur sind, namentlich in 
Fragen betreffend Fahrpläne, Tarife u. dgl., sind 
durch das Gesetz vom 1. Juni 1882 (G.S. 313) 
Bezirkseisenbahnräte und ein Landes- 
eisenbahnrat eingesetzt worden. 
3. Die Finanzverwaltung der Staats- 
eisenbahnen vollzieht sich nach den Grund- 
sätzen und Regeln der allgemeinen Staatsfinanz- 
verwaltung. Jedoch bestimmte das Gesetz vom 
27. März 1882 (G. S. 214), daß von dem 
nach Verzinsung der Staatseisenbahnkapitalschuld 
übrigbleibenden Jahresüberschuß zunächst ein Be- 
trag von 2 200 000 M zur Deckung eines etwaigen 
Fehlbetrags im allgemeinen Staatshaushalt ab- 
zuführen ist; weitere Uberschüsse müßten vorab zur 
Amortisation der Eisenbahnschuld bis zu 4 % 
verwendet und dürften erst danach dem allgemeinen 
Etat zugeführt werden. Ein Vermerk zum Etat 
des Jahrs 1891 und der folgenden Jahre er- 
mächtigte sodann zur Bildung und Ergänzung 
eines außerordentlichen Dispositionsfonds in der 
Höhe von 20 Mill. M für Vermehrung der Be- 
triebsmittel, vorzeitigen Grunderwerb und die 
Ausführung von Erweiterungs= und Ergänzungs- 
anlagen, soweit solche sich als ein nicht vorher- 
gesehenes Bedürfnis infolge eintretender Verkehrs- 
steigerung ausweisen würden. Die Mittel hierzu 
sollten den Uberschüssen der Eisenbahnverwaltung 
entnommen werden können, soweit diese die Aus- 
gaben zur Verzinsung und / %%igen Tilgung der 
Eisenbahnkapitalschuld überstiegen. Zudem wurde 
im Jahr 1903 durch Gesetz vom 3. März die 
Bildung eines besondern Ausgleichsfonds bis zur 
Höhe von 200 Mill. A1 (durch erstmalige Dotie- 
rung mit 50 Mill. Jul) begonnen. Näheres hierüber 
ist zu finden im Archiv für Eisenbahnwesen 1906, 
309 ff. Bei Privatbahnen unterliegt die 
Verwendung der Überschüsse der Genehmigung der 
beteiligten Minister (Eisenbahngesetz §§ 33, 38). 
4. Dem Zweck der Eisenbahnen, dem öffent- 
lichen Verkehr zu dienen, und der hierin wurzeln-
	        
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