Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Seminarien und theologischen Lehranstalten (bzw. 
theologischen Fakultäten) neu gegründet und zu 
deren Ausstattung die nötigen Fonds aus Staats- 
mitteln angewiesen. Die in der Bulle fixierte 
Verpflichtung, die einzelnen Sprengel zu dotieren 
und diese Dotationen auf Staatsdomänen zu 
radizieren, ist bis heute nicht erfüllt worden. Hin- 
sichtlich der Bischofswahlen enthielt die Bulle De 
salute animarum nur die Bestimmung, daß der 
zu Wählende Preuße sein müsse. Durch das auf 
besonderer Vereinbarung mit der preußischen Re- 
gierung beruhende Breve Quod de fidelium ist 
jedoch auch die Wahl eines deutschen Priesters, 
der nicht Preuße sei, für zulässig erklärt worden, 
während anderseits das Kapitel verpflichtet wurde, 
vor der Wahl sich zu vergewissern, ob der in Aus- 
sicht genommene Kandidat keine dem König miß- 
liebige Persönlichkeit sei. Die preußische Regierung 
hat seitdem wiederholt das Recht in Anspruch ge- 
nommen, alle auf der vom Domkapitel vorzu- 
legenden Kandidatenliste stehenden Kandidaten zu 
streichen und Ergänzung oder Vorlegung einer 
neuen Liste zu fordern, während der Apostolische 
Stuhl daran festhält, bei dem Listenverfahren müsse 
die Regierung behufs Ermöglichung einer Wahl 
drei Kandidaten auf der Liste stehen lassen. 
Während die Bulle De salute animarum die 
äußern Bedingungen für die Betätigung katholisch- 
kirchlichen Lebens wiederhergestellt hatte, machte 
sich die staatskirchliche Tradition der 
preußischen Kirchenpolitik alsbald wieder in der 
früheren Weise geltend. In alle kirchlichen An- 
gelegenheiten wurde hineinregiert: in die Aus- 
übung geistlicher Funktionen, die Verwaltung der 
geistlichen Seminarien, die Prüfungen der Aspi- 
ranten zum geistlichen Stande, das kirchliche Kol- 
lektenwesen, den Gebrauch der Katechismen in 
der Schule. 
In der Frage der Mischehen traf König Fried- 
rich Wilhelm III. folgenschwere Anordnungen. 
Bereits im Jahre 1803 hatte er durch die Dekla- 
ration vom 21. Nov. eine Abänderung des § 76 
des Allgemeinen Landrechts dahin getroffen, daß 
in Zukunft eheliche Kinder stets in der Religion 
des Vaters zu erziehen seien. Diese Deklaration 
ward durch Kabinettsorder vom 17. Aug. 1825 
auch auf die Rheinlande und auf Westfalen aus- 
gedehnt. Zur Begründung wies die Kabinetts- 
order auf die in den östlichen Provinzen geltende 
Praxis hin, wo tatsächlich, insbesondere in der 
Diözese Breslau, die Nachgiebigkeit gegen die 
Forderungen der Regierung bis zum vollen Wider- 
spruch gegen alle kirchlichen Grundsätze und den 
Apostolischen Stuhl getrieben wurde. Inzwischen 
richtete Papst Pius VIII. am 25. März 1830 
das Breve Litteris altero ab binc an die vier 
rheinisch-westfälischen Bischöfe. Dasselbe ließ die 
allgemein geltende Norm unberührt, wonach die 
Erlaubnis zur Einsegnung einer gemischten Ehe 
von der Verbürgung ungefährdeter Religions- 
übung des katholischen Teils, katholischer Er- 
Kirchenpolitik, preußische. 
  
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ziehung der Kinder und ausschließlicher Einseg- 
nung der Ehe durch den katholischen Geistlichen 
abhängig sein sollte. Mit Rücksicht auf die eigen- 
tümlichen Verhältnisse in Preußen gestattete aber 
der Papst den Pfarrern die passive Assistenz auch 
ohne die Gewährung dieser Bürgschaften und er- 
klärte, daß in Zukunft auch die ohne Beobachtung 
der tridentinischen Form geschlossenen Ehen gültig 
sein sollten. Die Regierung wünschte jedoch ein 
der Durchführung der Kabinettsorder vom 17. Aug. 
1825 nicht entgegenstehendes Breve und wußte 
die rheinisch-westfälischen Bischöfe zum Abschluß 
der geheimen Konvention über die gemischten 
Ehen vom 19. Juni 1834 zu bestimmen, welche 
über die vom Apostolischen Stuhl gewährten Zu- 
geständnisse weit hinausging und das Breve Lit- 
teris altero ab hinc in wesentlichen Punkten 
verletzte, indem sie insbesondere von dem Ver- 
sprechen der katholischen Kindererziehung als un- 
erläßlicher Bedingung absah. Erzbischof Ferdi- 
nand August von Köln und die Bischöfe von 
Trier, Münster und Paderborn erließen auf 
Grund jener Konvention Pastoral-Instruktionen, 
welche die Abnahme eines Versprechens der katho- 
lischen Kindererziehung ausdrücklich untersagten. 
Von den allgemeinen kirchenpolitischen Zustän- 
den in Preußen um die Mitte der 1830er Jahre 
entwerfen die „Beiträge zur Kirchengeschichte des 
19. Jahrh. in Deutschland“ (Augsburg 1835) 
folgende Schilderung: 
Das Ministerium bestimmt, ohne auf die Fest- 
setzungen der Bulle De salute animarum zu achten 
oder auf einen Vorschlag des betreffenden Kapitels 
einzugehen, wann, wie und wer als Bischof ge- 
wählt werden soll. Wenn der vom Ministerium zur 
sog. Wahl bestimmte Tag herannaht, so ladet der 
königliche Wahlkommissar jeden Kapitular einzeln 
zu sich ein, macht ihm bekannt, wer als einzige 
persona regi grata gewählt werden soll, fordert 
zum pflichtmäßigen Gehorsam auf und fügt als 
triftige Drohung bei, daß das Bistum unbesetzt 
bleiben und die Auszahlung des Domkapitular- 
gehalts sistiert werden würde. Das Kapitel schreitet, 
wie befohlen, zur Wahl und verkündet die kanonisch 
vollzogene Wahl, die mit der erhaltenen Vorschrift 
genau übereinstimmt. Man sieht, die harmonia 
pPraestabilita ist verwirklicht, das Kapitel erhält 
vom Ministerium ein Belobigungsschreiben, daß 
es seine Stellung begriffen und seine Pflicht er- 
kannt hätte. In Köln und Paderborn mußte das 
Kapitel einen Bischof wählen, den es früher nicht 
einmal dem Namen nach gekannt hatte. Das Mi- 
nisterium behandelt den Bischof als einen Unter- 
geordneten. Die Besetzung aller vakanten Dom- 
herrenstellen vollzieht tatsächlich der König. Über 
alle vorkommenden Angelegenheiten werden vom 
Domkapitel Akten geführt, welche auf Verlangen 
dem Oberpräsidenten zur Einsicht vorgelegt werden 
müssen. Die Dekane bedürfen zu ihrer Ernennung 
des landesherrlichen Plazets. Die Regierung über- 
trägt ihnen auch die Inspektion über die Elementar- 
schulen. Die Pfarreien, Kaplaneien und Vikarien 
werden in verschiedenen Gegenden auf verschiedene 
Weise besetzt; die Regierungen suchen hierbei, wie
	        
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