Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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denz über die Berufung des Bischofs Johannes 
v. Geissel von Speyer zum Koadjutor des Erz- 
bischofs Klemens August Freiherrn v. Droste zu 
Vischering von Köln, hrsg. von Domkapitular Du- 
mont (1880); Hermann Wagner, Die Politik 
Friedrich Wilhelms IV. (1883); Die Ministerial- 
erlasse vom 22. Mai u. 16. Juli 1852 in der 
2. Kammer (Paderborn 1853); Die kath. Inter- 
essen bei den Budgetverhandlungen in den preuß. 
Kammern des Jahres 1852/53 (ebd. 1853); Denk- 
schrift über die Parität an der Universität Bonn, 
mit einem Hinblick auf Breslau u. die übrigen 
deutschen Hochschulen (1862); Schriften u. Reden 
von Johannes Kardinal v. Geissel, Erzbischof von 
Köln, hrsg. von Domkapitular Dumont (1868); 
Franz Taver Schulte, Gesch, des Kulturkampfes in 
Preußen, in Aktenstücken dargestellt (1882); Ru- 
dolphi, Zur Kirchenpolitik Preußens (1897); Die 
Parität in Preußen (21899); Wilh. Lossen, Der 
Anteil der Katholiken am akademischen Lehramt in 
Preußen (1901); Brück-Kißling, Gesch, der kath. 
Kirche im 19. Jahrh. (5 Bde, 1887/1908); Wester- 
burg, Preußen u. Rom an der Wende des 18. Jahrh. 
(1908). — Friedberg, Verfassungsrecht der evang. 
Landeskirche in Deutschland u. Österreich (1888); 
Karl Rieker, Die rechtl. Stellung der evang. Kirche 
Deutschlands in geschichtl. Entwicklung (1893); 
Er. Foerster, Die Entstehung der preuß. Landes- 
kirche (2 Bde, 1905.07). lJul. Bachem.) 
Kirchenrecht. (Begriff und Ursprung, 
Stellung des Kirchenrechts im Gesamtgebiete des 
Rechts; Kirchenrecht und kanonisches Recht; übliche 
Einteilungen; Aufgabe der systematischen Dar- 
stellung; weltgeschichtliche Bedeutung des kano- 
nischen Rechts in seinem Einflusse auf die Ent- 
wicklung des weltlichen Rechts.) 
I. Begriff und Alrsprung. Der vorchrist- 
lichen Welt ist der Begriff der „Kirche“ (s. d. Art.) 
völlig fremd; es gibt außerhalb des Christentums 
kein Vorbild einer solchen verfassungsmäßig orga- 
nisierten Gemeinschaft der Gottesverehrung, welche 
weder im Staate aufgeht noch ihre Autorität auf 
die Staatsordnung stützt, vielmehr als selbstän- 
dige ethische Gemeinschaft Aufgaben zu erfüllen 
hat, für die dem Staate nach christlicher Auf- 
fassung der Beruf fehlt. Die Antike kennt keine 
sittliche Gemeinschaft, welche über oder auch nur 
neben dem Staate stünde; die Organisation der 
religiösen Verbände ist mit dem Prinzip der 
Staatsallmacht, der absoluten Gewalt des Staa- 
tes vollständig im Einklange. Der antike Staat 
erkennt keine Grenzen seiner Macht an, weder 
gegenüber den Individuen, noch gegenüber den 
Verbänden, welche das nationale Kulturleben ge- 
schaffen hat. Die religiösen Verbände der Staats- 
glieder sind nicht selbständige sittliche Gemein- 
schaften, sondern befinden sich in völliger Ab- 
hängigkeit vom nationalen Staatswesen, ja die 
Anstalten der nationalen Gottesverehrung gelten 
der Antike einfach als Glieder desselben; es ist 
Sache der Staatsautorität, jene Organisationen 
zu schaffen und zu leiten, welche die Pflege des 
nationalen religiösen Bewußtseins erfordert. Die 
verbindliche Kraft des Rechts, welches die äußeren 
Kirchenrecht. 
  
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Verhältnisse dieser den nationalen Kulten gewid- 
meten Anstalten normiert, hat ihre Wurzel aus- 
schließlich in der Autorität des Staates; dieses 
Recht ist ein integrierender Bestandteil jenes staat- 
lichen Rechts, welches den Interessen der Gesamt- 
heit (des politisch-nationalen Verbandes) die Bürg- 
schaften einer die einzelnen mit Notwendigkeit be- 
herrschenden Ordnung sichert; das ius sacrum 
der antiken Welt, d. h. die Rechtssätze, welche die 
Verfassung des im Staate bestehenden religiösen 
Verbandes, die Pflichten und Rechte der einzelnen 
gegenüber dieser dem Nationalkult gewidmeten 
Anstalt, deren Beziehungen zu den Trägern der 
höchsten Staatsgewalt und zu den Instituten des 
nationalen Staatslebens überhaupt normieren, 
sind nur ein besonderes Gebiet, „ein Stück des 
Staatsrechts“. (Publicum ius, quod ad statum 
rei Romanae spectat, in sacris, in sacer- 
dotibus, in magistratibus consistit; I. 1, § 2, 
D. 1, 1.) 
Die Religionen der vorchristlichen Zeit sind 
Nationalreligionen. Wie die Antike alle Kultur- 
entwicklung nur als eine nationale begreift, so 
gibt es für die Antike auch nur eine allein berech- 
tigte Form des religiösen Lebens, d. i. die Staats- 
oder Volksreligion, zu deren Pflege das nationale 
Staatswesen Institutionen geschaffen hat, welche 
sich naturgemäß in völliger Abhängigkeit vom 
Staate befinden, der alle Gebiete des Volkslebens 
als höchste und schrankenlose Macht beherrscht. 
Dieser Auffassung gegenüber tritt zuerst das 
Christentum mit dem Anspruche auf, eine Welt- 
religion zu sein, welche sich mit ihrer Lehre an 
alle Völker wendet, für dieselben eine vom politisch- 
nationalen Verbande unabhängige religiöse Ge- 
meinschaft, „die Kirche der Menschheit“ (Döl- 
linger), begründen will. (Kirche ist uns hier 
identisch mit sichtbarer Kirche, der von Christus 
für die Menschheit gestifteten Heilsanstalt und 
Gemeinschaft der christlichen Gottesverehrung. 
Auch von dieser sichtbaren Kirche gelten im Sinne 
der katholischen Lehre die schriftmäßigen Merk- 
male der Einheit und Allgemeinheit, welche die 
Kennzeichen der wahren, von Christus gestifteten 
Kirche sind.) Die Kirche soll alle Völker in ihren 
Schoß aufnehmen, ihnen allen die Heilslehre des 
göttlichen Stifters verkünden, damit diese Lehre 
die Menschheit für ihre höchste, ewige Bestimmung 
erziehe. Unabhängig vom staatlichen und natio- 
nalen Verbande, welchem der einzelne angehört, 
trägt jeder in sich selbst das höchste Ziel und die 
vornehmste Bestimmung seines irdischen Daseins. 
Nicht die staatliche Gemeinschaft, welche ihre 
Glieder dieser höchsten Lebensziele nicht teilhaftig 
machen, deren Erreichung ihnen nicht vermitteln 
kann, sondern nur die vom Christentum ge- 
schaffene Gemeinschaft der Gottesverehrung, die 
Kirche, vermag die höchsten Ziele des Menschen- 
daseins zu sichern. Allen Völkern das Heil zu 
verkündigen und die Menschheit für ihre höchste, 
ewige Bestimmung zu erziehen, ist der göttliche
	        
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