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befähigte, erforderte übrigens nicht gerade den
Empfang der Priesterweihe.
Die Rechtszustände der Provinzialverwaltung
waren durch die verschiedenartigen Gewohnheits-
rechte und Privilegien unendlich mannigfaltig
und vielfach verschlungen, so daß es unmöglich ist,
eine allgemein gültige Gliederung der Behörden
hier anzugeben. Die Zentralregierung in
Rom gipfelte in den zuerst von Gregor XIII.
(1572/85) gleichsam versuchsweise eingeführten,
dann aber von Sixtus V. (1585/90) zu einer fest-
stehenden kirchlichen Einrichtung gemachten und
sehr vermehrten Kardinalskongregationen. Sie
sind bis in unsere Zeit geblieben, wenn freilich
auch fast in jedem Pontifikate, nicht zum Vorteil
der Klarheit in den Kompetenzen, daran um-
gestaltet und modifiziert worden ist. Sixtus V.
setzte die Zahl derselben auf 15 fest. Von ihnen
waren besonders mit der Verwaltung des Kirchen-
staates beschäftigt: die Signatura, die Consulta,
die Kongregation für Lebensmittel- und Teue-
rungsfragen, für Bau und Einrichtung von Kriegs-
schiffen, für Straßen- und Brückenbau, für das
Besteuerungswesen, für die vatikanische Druckerei,
für Studien und Unterricht. Die Signatura war
die oberste Instanz für Justiz= und Gnadensachen.
Die Consulta entschied an letzter Stelle in allen
Angelegenheiten der Verwaltung. Aus ihr schied
sich unter Urban VIII. (1623/44) das Staats-
sekretariat für die äußern Angelegenheiten aus.
Der oberste Appellhof in Zivilsachen war die Sacra
Rota Romana, die ihren schon im 14. Jahrh.
erlangten guten Ruf auch in dieser Zeit bewahrt
hat. Die Finanzverwaltung lag in den Händen
der Camera apostolica.
Ein besonders wunder Punkt ist in der ganzen
Periode die Finan zverwaltung, insbesondere
das Staatsschuldenwesen. Das päpstliche Finanz-
wesen litt von jeher an der Vermengung der all-
gemein kirchlichen mit den kirchenstaatlichen Ein-
künften. Die ersteren hatten schon im 15. Jahrh.
mehrfache Rückgänge gezeigt, im Zeitalter der
Reformation schrumpften sie bis auf ein Minimum
zusammen, während in ebenderselben Zeit die
großen Interessen des Katholizismus, Türken-
kriege und Religionsangelegenheiten, dem Heiligen
Stuhl sehr bedeutende Opfer auferlegten. Auch
dem Kaisertum erwuchsen in denselben Jahrhun-
derten gegen Türken und Franzosen die größten
Aufgaben, gerade zu einer Zeit, als Glaubens-=
abfall und Landeshoheit zu seiner Schwächung
am meisten beitrugen. Von den kirchenstaatlichen
Einkünften aus den Steuern, Zöllen, Alaun-
gruben, Salinen und Lehnszinsen waren nur die
beiden ersten Arten in beschränktem Maße steige-
rungsfähig. Nachdem aber der päpstliche Haus-
halt schon unter Leo X. das Gleichgewicht ver-
loren hatte und erst recht nach der Katastrophe
unter Klemens VII. (1527), war an eine Gesun-
dung auf lange hinaus nicht zu denken. Durch
das Prinzip, Ausfälle stets durch Anleihen (monti)
Kirchenstaat.
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zu decken, wobei man die Gesamtheit der Anleihe=
zeichner auf bestimmte Steuern anwies, wurde ein
immer größerer Teil der Staatseinkünfte dem
Staatshaushalt gänzlich entzogen. Durch den
noch aus der Zeit des Schismas herrührenden, seit
Sixtus IV. aber bis auf Innozenz XII. (1691
bis 1700) fast ständig vermehrten Amterverkauf
ging das Sportelwesen dem Staate gänzlich ver-
loren; außerdem mußten den Amterkäufern meist
auch noch Steueranteile zugewiesen werden.
Das Übel einer ständig wachsenden Schulden=
last wurde periodisch vergrößert durch außer-
ordentliche finanzielle Anstrengungen für Kriege,
Festungsbauten oder Nepoten. Die erste fundierte
Staatsschuld wurde von Klemens VII. 1526 ge-
schaffen durch die Errichtung des monte della
fede (für den Türkenkrieg) mit 200 000 Dukaten
und des monte di sale e Toro mit 284 800 Du-
katen; dazu kam 1527 der monte del macinato
(Mahlsteuer) mit 290 000 Dukaten. Nach Kle-
mens VII. hat Paul III. einen, Paul IV. vier,
Pius IV. zwei, Pius V. vier, Gregor XIII. einen
neuen monte errichtet. Die Gesamtsumme mit
Einschluß der von Klemens VII. gegründeten
monti belief sich zur Zeit Sixtus' V. (1585/90)
auf 5 494 800 Scudi, deren Verzinsung jähr-
lich 281 968 Scudi verschlang. Die Gesamt-
summe der Einkünfte betrug damals 1 1000000
Scudi. Die von Sixtus V. errichteten monti
betrugen mehr als 8 Millionen. Bei seinem Tode
fanden sich allerdings in der Engelsburg 3 Mill.
Scudi Gold und 1160,0000 Scudi Silber auf-
gehäuft, und dieser Sixtinische Schatz hat bis
an das Ende der in Rede stehenden Periode ge-
dauert. 1792 waren davon noch etwas über
1 Million vorhanden. Urban VIII. (1623/44)
übernahm den Kirchenstaat mit einer Schulden-
last von nahezu 22 Mill.; er vermehrte die-
selbe, hauptsächlich durch Festungsbauten, Er-
richtung von Kollegien, Missionen usw., inner-
halb der ersten 17 Jahre seiner Regierung um
13 Millionen. 1640 waren nur noch 300000
Scudi aus den Einkünften für die Verwaltungs-
kosten des Staates frei, 85 % beanspruchte die
Verzinsung der Staatsschulden. In der Folge-
zeit sind die Schulden weiter gewachsen, bis sie
im Jahre 1800 die Höhe von 74 Mill. Scudi
erreicht hatten, denen ein jährliches Einkommen
von 3 Mill. gegenüberstand. Der Waffen-
stillstand von Bologna (1796) verpflichtete den
Papst zur Zahlung von 21 Mill. Franken an
die französische Republik. Dazu kamen im Ver-
trag von Tolentino (1797) nochmals 16 Mill.,
1798 für den Einzug Berthiers 1 0750000
und eine Kontribution von 16 128.000 Franken,
dann für Militärequipage, Kleider, Gepäck
3225 000 Franken. Ein bedeutender Teil der
Schulden ist unter der zweiten französischen Herr-
schaft durch Verkauf von Kirchengütern getilgt
worden; es blieben aber nach der Restauration
immer noch 33 Mill. Seudi Schulden übrig.