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friedigung, und in den Art. 20/25 insbesondere
die Kirchenumlagen. Über den Entwurf ist die
Vorlage noch nicht hinausgekommen. Der im Sept.
1909 wieder zusammentretende Landtag soll sich
mit dieser Materie aufs neue beschäftigen. Über
das bisher im rechtsrheinischen Bayern geltende
Kirchengemeinde= und Kirchenumlagerecht besteht
Streit. Während ein Teil der Juristen und
Kanonisten behauptet, der Kirchengemeindever-
fassung fehle jeder sichere Rechtsboden (Seydel
a. a. O. 579 ff), sucht ein anderer zu beweisen,
daß durch das revidierte Gemeindeedikt vom Jahre
1884 die Verwaltung des Kirchenvermögens der
bis dahin seit dem Gemeindegesetz vom Jahre 1818
und dem Umlagengesetz vom Jahre 1819 damit
betrauten Gemeindeverwaltung abgenommen und
in ihrem vollen Umfange der Kirchenverwaltung
übertragen worden sei, und daß an diesem Rechts-
zustande das Gesetz vom Jahre 1869 nichts ge-
ändert habe. Auch die Judikatur des bayrischen
Verwaltungsgerichtshofes steht auf der Annahme,
daß der Kirchengemeinde ein Umlagerecht zukomme
(Meurer a. a. O. 96/108), eine Ansicht, die durch
das Gesetz vom 28. Mai 1892 betr. die Aufstel=
lung von Kirchengemeinderepräsentationen eine
neue Stütze erhalten hat. Tatsächlich werden zur
Zeit in zahlreichen protestantischen und einzelnen
katholischen Pfarreien im rechtsrheinischen Bayern
Kirchenumlagen erhoben. Sehr umfassend ist die
Kirchensteuer in den letzten Jahren in Preußen
neu geregelt worden, und zwar verschieden für die
katholische Kirche (Gesetz betr. die Erhebung von
Kirchensteuern in den katholischen Kirchengemeinden
und Gesamtverbänden vom 14. Juli 1905 mit
zwei Verordnungen vom 23. März 1906 und
Anweisung vom 24. März 1906, dazu noch Ge-
setz vom 20. Juni 1875 und zwei Gesetze vom
29. Mai 1903 nebst minist. Erlaß vom 13. Febr.
1882, 23. Nov. 1883, 30. Aug. 1884 u. 5. Febr.
1886) und für die evangelischen Kirchen, bei letz-
teren wieder getrennt für die Kirchengemeinden
und Parochialverbände der evangelischen Landes-
kirche der älteren Provinzen der Monarchie (Gesetz
vom 26. Mai und 14. Juli 1905 mit zwei Ver-
ordnungen vom 23. März 1906 und zwei Anwei-
sungen des evangelischen Oberkirchenrats vom 22.
und 24. März 1906) und für die evangelischen
Kirchengemeinden und Gesamtverbändein den Pro-
vinzen Hannover, Schleswig-Holstein und Hessen-
Nassau (Gesetz vom 10. März und zwei Gesetze
vom 22. März 1906 mit vier Verordnungen vom
23. März 1906). Nach dem neuen Recht, das
übrigens nach § 37 ältere Kirchensteuerordnungen
formell nicht aufhebt, ihnen aber auch keine staat-
liche Mithilfe gewährt, sind die katholischen Kir-
chengemeinden berechtigt, zur Befriedigung ihrer
Bedürfnisse Steuern zu erheben, soweit die son-
stigen verfügbaren Einnahmen, insbesondere die
Erträgnisse des Kirchenvermögens sowie die Lei-
stungen der Patrone und sonstiger speziell Ver-
bflichteter, nicht hinreichen. Die Steuerbeschlüsse
Kirchensteuer.
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der Kirchengemeinden bedürfen der Genehmigung
der bischöflichen und der staatlichen Aufsichtsbe-
hörde (§1). Kirchensteuerpflichtig sind alle Katho-
liken, welche der Kirchengemeinde durch ihren
Wohnsitz angehören. Bei Mischehen ist in der
Regel die Hälfte zu zahlen; ist aber die Frau zu
den Staatssteuern selbständig veranlagt, dann ist
der katholische Teil nach Maßgabe seiner Ver-
anlagung zur Kirchensteuer heranzuziehen (8 5).
Als Maßstab der Umlegung dient die Staatsein-
kommensteuer, erforderlichenfalls noch die staatlich
veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer
(§9). Neben dieser örtlichen Kirchensteuer besteht
noch eine allgemeine. In größeren Ortschaften,
in welchen sich mehrere unter einem gemeinsamen
Pfarramte nicht verbundene Kirchengemeinden be-
finden, sollen parochiale Gesamtverbände zur Be-
friedigung der hervortretenden kirchlichen Bedürf-
nisse gebildet werden (Gesetz vom 29. Mai 1908).
Wichtig und wertvoll ist ferner das Recht der
Bischöfe, erstens für den Dißzesanhilfsfonds Um-
lagen bis zu 1% der Staatseinkommensteuer auf
die einzelnen Pfarrgemeinden zu legen (Gesetz vom
29. Mai 1908), zweitens eine allgemeine Diöze-
sansteuer bis zu 3% der Staatseinkommensteuer
für allgemeine, nicht näher fixierte kirchliche Zwecke
zu erheben (Gesetz vom 21. März 1906). Die
evangelische Kirche hat das Recht auf örtliche,
ferner auf allgemeine Kirchensteuern der Kreis-
ynode, der Parochialverbände, der Provinzial-
und der Generalsynode. An das preußische Recht
schließen sich inhaltlich eng an die Kirchensteuer-
gesetze von Sachsen-Weimar (Gesetz vom 24. Febr.
1894, Kirchengemeindeordnung vom 24. Juli
1885, für die katholische Kirchengemeinde Gesetz
vom 6. Dez. 1899), Sachsen-Meiningen (Kirchen-
gemeinde-Synodalordnung vom 4. Jan. 1876), die
beiden Schwarzburg (Gesetz vom 9. Dez. 1865
und 17. März 1854), Reuß ä. L. (Gesetz vom
7. April 1880 und 7. Jan. 1886), Lippe-Det-
mold (Verordnung vom 28. Febr. 1876, Gesetz
vom 12. Sept. 1877), Schaumburg-Lippe (Ge-
setz vom 24. April 1894 mit Verordnung vom
12.Okt. 1894), Waldeck (Verordnung vom 9. Mai
1864, Gesetz vom 31. Jan. 1873) und Anhalt
(Kirchengemeindeordnung vom 6. Febr. 1875,
Gesetz vom 24. März 1879). — In Österreich
bestimmte das Gesetz vom 7. Mai 1874: „Die
Gesamtheit der in einem Pfarrbezirke wohnhaften
Katholiken desselben Ritus bildet eine Pfarrge-
meinde (§ 35). Insoweit für die Bedürfnisse einer
Pfarrgemeinde nicht durch ein eigenes Vermögen
derselben oder durch andere zu Gebote stehenden
kirchlichen Mittel vorgesorgt erscheint, ist zur Be-
deckung derselben eine Umlage auf die Mitglieder
der Pfarrgemeinde auszuschreiben (§ 37). Man-
gels einer rechtlichen Organisation der Kirchen-
gemeinden werden die Angelegenheiten der katho-
lischen Pfarreien in Österreich von der Orts-
gemeindevertretung besorgt (Verordnung des Kul-
tusministeriums vom 31. Dez. 1877). — In
—.