Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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1834 für Preußen und das Reskript vom 3. Olt. 
1826 für Bayern). Ebenso ist jetzt jede Beerdi- 
gung von Leichen in einer besondern Grabstätte 
außerhalb der allgemeinen Kirchhöfe in den meisten 
Staaten untersagt oder doch von einer speziellen 
staatlichen Bewilligung abhängig gemacht. Die 
französische Gesetzgebung (Décret du 23 prair. 
XII I12. Juni 1804!, titre III, art. 14) hat 
jedoch die Anlage solcher Grabplätze den Grund- 
eigentümern ohne weiteres freigestellt, wenn sie 
nur von den bewohnten Ortschaften ebenso weit 
entfernt sind, als dies für die allgemeinen Fried- 
höfe vorgeschrieben ist. Mit dem Geiste der kirch- 
lichen Vorschriften ist übrigens die Anlage solcher 
besonderer Begräbnisplätze wohl nur dann verein- 
bar, wenn dieselben benediziert und zu gemein- 
samen Ruhestätten, z. B. für die Glieder einer 
Körperschaft, einer Familie, für die in einer An- 
stalt (z. B. in einem Hospitale) Verstorbenen usw., 
bestimmt sind, so daß dieselben dem Begriff eines 
Cömeteriums im Sinne des Kirchengesetzes und 
Rituales entsprechen. 
Die allgemeinen Kirchhöfe wurden früher regel- 
mäßig als Kirchhöfe einer einzelnen Parochie und 
meist auch in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche 
angelegt (daher der Name Kirchhof für diese 
coemeteria ecclesiae contigua). Seit den 
letzten Jahrzehnten des 18. Jahrh. hat jedoch die 
staatliche Gesetzgebung aus Rücksichten der Gesund- 
heitspolizei (vgl. d. Art. Begräbniswesen) in den 
meisten Ländern nicht nur die Neuanlage solcher 
Kirchhöfe innerhalb der Städte und größerer, 
volkreicher Ortschaften untersagt, sondern auch die 
entsprechende Verlegung der bereits bestehenden 
Friedhöfe angeordnet. Diese Verlegung der Fried- 
höfe wurde zum Anlaß, daß für Städte und 
größere Ortschaften, in welchen mehrere Parochien 
bestanden, entweder ein einziger Begräbnisplatz 
oder Kirchhöfe angelegt wurden, welche dem Ge- 
biete mehrerer Pfarrsprengel gemeinschaftlich sein 
sollten, während die Friedhöfe kleinerer, einen 
einzigen Pfarrsprengel bildender Gemeinden, sie 
mochten sog. Pertinenzkirchhöfe (coemeteria ec- 
clesiae contigua) oder, als sog. Fernkirchhöfe 
(coemeteria remota), in weiterer Entfernung 
von der Pfarrkirche angelegt sein, wie vordem für 
die Parochie des Ortes bestimmt blieben. Die 
französische Gesetzgebung hat schon im Jahre 
1776, als die Vorschrift über die Verlegung (wirk- 
lich oder vermeintlich) sanitätswidriger Friedhöfe 
erlassen wurde, zugleich auch den Gemeinden die 
Pflicht auferlegt, für die Errichtung neuer ent- 
sprechender, allgemeiner Begräbnisplätze zu sorgen, 
während bis dahin die Anlage und Verwaltung 
der letzteren der selbständigen Verfügung der kirch- 
lichen Organe überlassen war und den Admini- 
stratoren des Vermögens der betreffenden Pfarr- 
kirchen unter der Aufsicht der kirchlichen Obern 
zustand. Nach dem Vorbilde der französischen 
Gesetzgebung ist später auch in andern Staaten 
nicht bloß die samitätspolizeiliche Aufsicht über 
Kirchhöfe. 
  
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die Begräbnisplätze den Organen des Staates 
oder den Zivilgemeinden übertragen, sondern auch 
die Errichtung etwa notwendiger neuer Friedhöfe 
und die Verwaltung derselben als eine Pflicht der 
Zivil-(Orts-, politischen) Gemeinden erklärt wor- 
den. So in Osterreich durch das Gesetz vom 
30. April 1870, § 3, lit. d und in Bayern 
durch den Art. 38 bzw. 29 der Gemeindeordnun- 
gen vom 29. April 1869 /.. 51 und 521. In 
Preußen hingegen sollen bei der Neuanlage von 
Friedhösen nach Möglichkeit nur konfessionelle 
Kirchhöfe, welche die betreffenden Kirchengemeinden 
zu errichten haben, geschaffen werden; wenn aber 
die Errichtung eines Kommunalkirchhofes un- 
vermeidlich ist, so haben die Verwaltungsbehörden 
jedenfalls dafür zu sorgen, daß noch vor der Er- 
teilung der staatlichen Erlaubnis zur Benutzung 
des Friedhofes eine die religiösen Interessen der 
beteiligten Konfessionen sicherstellende Begräbnis- 
ordnung erlassen werde (Ministerialreskript vom 
18. März 1859, vom 26. Juli 1864 und vom 
22. Febr. 1870). 
Durch die staatlichen Gesetze, welche die Anlage 
von Kommunalfriedhöfen den Gemein- 
den zur Pflicht machen, ist jedoch weder den 
Kirchen das Eigentumsrecht an den bestehenden 
konfessionellen Friedhöfen, noch die Verwaltung 
der letzteren den kirchlichen Organen entzogen 
worden; ebensowenig bedeuten diese Gesetze ein 
Verbot der Neuanlage konfessioneller Friedhöfe. 
Die Zweckmäßigkeit solcher Gesetze mag immerhin 
gewichtigen Bedenken unterliegen; es kann jedoch 
nicht zugegeben werden, daß die Errichtung von 
Gemeindefriedhöfen eine Schädigung der religiösen 
Interessen notwendig herbeiführen müsse. Diesen 
ist genügend Rechnung getragen, wenn, den For- 
derungen der Kirche entsprechend, die Benediktion 
einer Abteilung des Friedhofes stattfinden kann 
und durch die Begräbnisordnung Vorsorge ge- 
troffen ist, daß in dem geweihten Kirchhofe keine 
Beerdigung im Widerspruche mit den Forderungen 
der kirchlichen Rechtsordnung verfügt werde. Wenn 
nach den bestehenden Verhältnissen erwartet wer- 
den muß, daß auf dem Gemeindefriedhofe vor- 
aussichtlich regelmäßig Begräbnisse nichtkatho- 
lischer Personen stattfinden werden, so ist allen 
billigen Ansprüchen Rechnung getragen, wenn der 
Gemeindefriedhof in mehrere Abteilungen, deren 
jede ihren besondern Zugang hat, geteilt und 
jede dieser Abteilungen für die Begräbnisse einer 
bestimmten Konfession gewidmet wird. So hatte 
auch die französische Gesetzgebung verfügt (Dekret 
vom 12. Juni 1804). Erst der moderne Radi- 
kalismus, der in Frankreich 1881 die Aufhebung 
der zitierten Bestimmung durchsetzte, hat die For- 
derung erhoben, daß Kommunalfriedhöfe ohne jede 
Rücksicht auf die Ansprüche der Konfessionen einge- 
richtet und verwaltet werden müßten, ja daß die Er- 
richtung konfessioneller Friedhöfe untersagt werde. 
II. Begräbnisverweigerung. Nach den heute 
geltenden staatlichen Gesetzen (deutsche Strafprozeß=
	        
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