Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

277 
stattung in geweihter Erde von den Kirchenobern 
nach den für sie maßgebenden Gesetzen bzw. Ge- 
wohnheiten nicht toleriert werden kann. Es ist in 
dieser Beziehung jedoch schon hervorgehoben wor- 
den, daß die kirchliche Praxis der Gebiete mit 
konfessionell gemischter Bevölkerung vielfach eine 
Milderung der strengeren Grundsätze des kano- 
nischen Rechts adoptiert hat. Wo die Kirchen- 
obern nach der Lage der Verhältnisse erlauben 
müssen, daß das kirchliche Begräbnis der katho- 
lischen Gemeindeglieder auf einem ungeweihten 
Friedhof stattfinde (weil die Errichtung beson- 
derer geweihter Kirchhöfe den Katholiken verwehrt 
oder faktisch nicht erreichbar ist und deshalb die 
Leichen nach gesetzlicher Vorschrift nur auf dem 
nichtbenedizierten Gemeindefriedhof beerdigt wer- 
den können), soll dafür Sorge getragen werden, 
daß wenigstens anläßlich der Beisetzung der Leiche 
das für diese bestimmte Grab von dem die Leiche 
begleitenden Priester nach der Vorschrift des römi- 
schen Rituale benediziert werde (vgl. hierzu Conc. 
Baltimor., ann. 1866, a. a. O. n. 392; Rituale 
eccl. Paris., bei Moulart a. a. O. 108). 
IV. Eigentum und Perwaltung; Ers- 
begräbnisse. Die Vorschriften des kanonischen 
Rechts, welche die Kirchhöfe und das kirchliche 
Begräbnis betreffen, setzen wohl den Bestand jener 
Ordnung des Begräbniswesens voraus, welche 
dieses noch als eine ausschließlich kirchliche An- 
gelegenheit erscheinen läßt, so daß allein die Kirche 
die hier maßgebenden Normen festsetzt und die 
Verwaltung der Kirchhöfe wie des Begräbnis- 
wesens überhaupt noch ausschließlich Sache der 
kirchlichen Organe ist. Die Behauptung jedoch, 
daß die Kirchhöfe im Sinne des kanonischen 
Rechts ausnahmslos auch im Eigentum der 
Kirche stehen müßten, ist eine irrige. Kirchhöfe 
müssen nicht notwendig im Eigentum der Kirche 
stehen, welcher sie als Begräbnisplatz dienen; der 
Kirchhof kann sich vielmehr auch im Eigentum 
eines andern kirchlichen oder weltlichen Rechts- 
subjektes befinden. Dieser Satzgilt sogar für die 
Kirchhöfe im engeren Sinne (Pertinenzkirchhöfe, 
coem. eccl. contigua), welche mit den Kirchen 
in räumlicher Verbindung stehen; doch gilt be- 
züglich solcher Kirchhöfe, nach kanonischem Recht 
wenigstens, die Rechtsvermutung, daß diese Kirch- 
höfe als Pertinenz des Kirchengebäudes dein Eigen- 
tümer des letzteren (regelmäßig also der Kirchen- 
fabrik der Pfarrkirche) gehören. Dagegen ist mit 
dem Eigentum an dem Kirchengebäude keineswegs 
auch nur das präsumtive Eigentum des für den 
Kirchsprengel bestimmten Fernkirchhofes verbun- 
den; der Eigentumsprätendent (es sei dies nun die 
Pfarrkirche oder sonst ein kirchliches oder welt- 
liches Rechtssubjekt) muß hier vielmehr stets die 
Existenz des Eigentumsrechts im konkreten Falle 
erweisen. Daß die infolge der neueren Staats- 
gesetzgebung von den Zivilgemeinden angelegten 
Friedhöfe auch als Eigentum dieser Gemeinden 
anzusehen sind, wenn nicht etwa eine Eigentums- 
Kirchhöfe. 
  
278 
übertragung erfolgt ist, bedarf wohl keiner weiteren 
Begründung. Wurde die Verwaltung des Ge- 
meindefriedhofes oder eines Teiles desselben der 
Kirchenverwaltung überlassen, so wird hierdurch 
das Eigentumsverhältnis ebensowenig geändert 
als bei kirchlichen Begräbnisplätzen, deren Ver- 
waltung die politische Gemeinde übernommen hat 
(wie dies häufig der Fall war, wenn letztere sich 
bereit erklärte, für die Zukunft die Last der In- 
standhaltung, eventuell Erweiterung des Fried- 
hofes zu übernehmen). 
Die Behauptung, daß im Gebiete des fran- 
zösischen Rechts alle öffentlichen Kirchhöfe Eigen- 
um der Zivilgemeinde sein müssen, läßt sich nicht 
rechtfertigen; nichtsdestoweniger hält sowohl die 
Verwaltungspraxis wie die Rechtsprechung in 
Deutschland an dieser Ansicht noch immer kon- 
sequent fest (s. auch Reichsgericht unterm 5. JuniD 
1885, Sammlung der Entscheidungen in Zivil- 
sachen XIV 305), während in Belgien Verwal- 
tung und Justiz stets das Eigentumsrecht der 
Kirchenfabriken bezüglich der vor der Napoleoni- 
schen Gesetzgebung angelegten Kirchhöfe (cime- 
tières anciens) anerkannt haben (vgl. Moulart 
a. a. O. 376 ff). « 
Die Frage, wer verpflichtet ist, für die Anlage 
der erforderlichen Begräbnisplätze zu sorgen, die 
bestehenden im Stand zu erhalten und eventuell, 
dem Bedürfnisse entsprechend, zu erweitern, ist 
eine Frage des öffentlichen Rechts; es wurde oben 
bereits erwähnt, daß die Staatsgesetzgebung der 
neueren Zeit diese Verpflichtung häufig den poli- 
tischen Gemeinden auferlegt hat. Der Eigen- 
tümer des Kirchhofes ist als solcher keineswegs 
auch schon verpflichtet, denselben im Stand zu 
erhalten, eventuell zu erweitern oder den Forde- 
rungen der Gesundheitspflege entsprechend zu ver- 
legen; eine solche Verpflichtung trifft den Kirch- 
hofseigentümer vielmehr nur insofern, als dem 
letzteren das Gesetz diese Pflicht aus Rücksichten 
auf das öffentliche Interesse allgemein auferlegt 
hat, oder diese seine Verbindlichkeit sich auf einen 
speziellen Rechtstitel (Vertrag, Stiftung) gründet. 
Obliegt der politischen Gemeinde diese Verpflich- 
tung, so sind die Kosten der Herstellung und Er- 
haltung der Friedhöfe, soweit sie nicht aus den 
Erträgnissen derselben gedeckt werden können, 
ebenso wie andere die Gemeinde treffende öffent- 
liche Lasten von allen Gemeindemitgliedern auf- 
zubringen, wenn nicht aus einem besondern Titel 
G. B. Übereinkommen mit den einzelnen Kirchen- 
gemeinden des Ortes bei der Teilung des Fried- 
hofes in mehrere nach Konfessionen getrennte 
Abteilungen) eine andere Repartition rechtlich be- 
gründet ist. Bei konfessionellen Friedhöfen, welche 
Pertinenzen der Kirchengebäude sind, treffen nach 
gemeinem Recht die Lasten der Erhaltung, ebenso 
wie bezüglich des Kirchengebäudes, die Kirchen- 
fabrik, eventuell die subsidiär Baupflichtigen. Auf 
die sog. Fernkirchhöfe können die gemeinrechtlichen 
Grundsätze über die Baulast nicht angewandt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.