Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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I. Kosonialgeschichte. Die ersten Kolonial- 
mächte waren die Phönizier und deren Tochter- 
stadt Karthago. Die gesamten Inseln des Mittel- 
ländischen Meeres wurden teils von ihnen erobert, 
teils mit Faktoreien besetzt, ebenso wie eine Reihe 
Orte in Italien, Kleinasien, Spanien, Frankreich, 
Nordafrika und sogar in Westafrika. Die Macht 
der Phönizier wurde durch die Griechen gebrochen, 
welche dann selbst nicht wie die Phönizier feste 
Handelsplätze oder Faktoreien anlegten, sondern 
durch Aussendung eines Teiles der Bürger einer 
Stadt neue Ansiedlungen und Tochterstädte bil- 
deten, die teils Beziehungen zur Mutterstadt fest- 
hielten, teils auch selbständige Stadt= und Klein- 
staatgebilde wurden. Später wurde Rom Nach- 
folger der Karthager und der Griechen, indem es 
allmählich die gesamten Inseln und Küsten des 
Mittelländischen Meeres, darunter auch die kartha- 
gischen und griechischen Kolonien, zu einem Welt- 
reich vereinigte, womit diese ihren kolonialen 
Charakter verloren. Rom selbst gründete dann 
in den eroberten Provinzen rein argrarische 
Kolonien, indem es verarmte Bürger und später 
ausgediente Soldaten in die Grenzgebiete sandte 
und ihnen dort Landbesitz überwies. 
Im Mittelalter ist im großen und ganzen die 
innere Kolonisation vorherrschend, indem wie in 
Rom deutsche Fürsten in ihre im Osten Deutsch- 
lands eroberten Besitzungen deutsche Kolonisten 
beriefen. Doch sind auch Kolonien nach Art der 
phönizischen und karthagischen seitens der Hansa 
und der Handelsstädte Italiens, Genua, Vene- 
dig u. a., zu verzeichnen, indem die Hansa und 
die Handelsstädte Italiens Faktoreien in fremden 
Ländern anlegten. Ferner wurden seitens abend- 
ländischer Fürsten und Ritterorden bei Gelegen- 
heit der Kreuzzüge in Kleinasien, Syrien, auf 
den Inseln des Mittelländischen Meeres Kolonien 
erworben, die in kurzer Zeit sämtlich an die Türken 
wieder verloren gingen. Weiter legte der Orden 
der Deutschritter in Preußen, der Schwertbrüder 
in Livland Kolonien an, die sich lange Zeit er- 
hielten, später aber an die Polen bzw. Russen 
abgetreten werden mußten. 
Mit der Entdeckung Amerikas und der Ent- 
deckung des Seeweges nach Ostindien begann 
die Epoche der Kolonialgründungen, welche 
dem heutigen Kolonialwesen zugrunde liegt. Spa- 
nien und Portugal, am Ende des 15. Jahrh, die 
Hauptseemächte, eröffneten den Reigen. Sie folgten 
  
den Spuren ihrer Seefahrer. Die ausbrechenden gegangen. 
Kolonien ufw. 
  
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dere Plätze in Nordafrika besetzt und eine Reihe 
von Kolonien an der Westküste Afrikas gegründet 
hatten, besetzten Anfang des 16. Jahrh. verschie- 
dene Plätze an der Ostküste Afrikas, die Insel 
Ormus am Eingange des Persischen Meerbusens 
und eine Reihe von Plätzen in Ostindien und 
China, u. a. Goa, Kalikut, Diu, Macao, und 
sicherten sich so den Besitz des Handels nach Ost- 
indien, China und Japan. Im Jahre 1531 legten 
die Portugiesen San Vincente als erste Ansied- 
lung in Brasilien an, welches sie dann nach und 
nach ganz besetzten. Die ostindischen Besitzungen 
verlor Portugal bis auf geringe Reste Anfang des 
17. Jahrh. an die Niederlande, welche auch den 
nördlichen Teil von Brasilien erobert hatten, aber 
später an Portugal zurückverkauften. Im Jahre 
1822 machte sich Brasilien durch Erklärung vom 
7. Sept. selbständig. 
Die Spanier, denen durch den Vertrag von 
Tordesillas Amerika zugefallen war, haben nach 
1519 durch Fernando Cortez Mexiko, 1526/31 
durch Pizarro Peru und 1540 durch Valdivia 
Chile in Besitz genommen und damit den Grund 
zu der Eroberung ganz Süd= und Mittelamerikas 
mit Ausnahme von Brasilien und Guayana sowie 
von Britisch-Honduras gelegt. An der Westküste 
Nordamerikas wurde das heutige Kalifornien, an 
der Ostküste Florida besetzt, ebenso der größte Teil 
Westindiens. Im Jahre 1569 wurden die Phil- 
ippinen, 1668 die Marianen besetzt, und als 
Deutschland im Jahre 1885 auf die Karolinen- 
und Palau-Inseln Hand legen wollte, wurde 
von Spanien Anspruch auf diese Inseln erhoben, 
welche dann durch einen Schiedsspruch des Papstes 
Leo XIII. Spanien zugeteilt wurden. Außerdem 
hat Spanien noch in Afrika eine Reihe von Be- 
sitzungen sich erworben, so die Kanarischen Inseln 
von Portugal im Jahre 1478, Fernando Poo 
und Annobom im Jahre 1778 (von Portugal 
abgetreten), die Inseln Corisco, Groß= und 
Klein-Elobey mit der gegenüberliegenden Küste 
des Festlandes Rio Muni, endlich die den Ka- 
naren gegenüberliegende Küste Rio de Oro und 
die im Norden an der Küste Marokkos liegenden 
fünf Presidios (Küstenforts), von denen die bedeu- 
tendste Ceuta 1640 von den Portugiesen bei Tren- 
nung beider Reiche abgetreten, Melilla 1497 den 
Mauren abgenommen wurde. Dieses riesenhafte 
Kolonialreich ist im Laufe des 19. Jahrh. bis auf 
die afrikanischen Besitzungen vollständig verloren 
Die süd= und mittelamerikanischen 
Zwistigkeiten suchte Papst Alexander VI. zu ver- 1 Staaten machten sich um 1820 selbständig. Florida 
hindern, indem er den Portugiesen im Jahre 1493 
die Länder östlich einer Linie zuwies, welche 
100 spanische Meilen westlich der Azoren von Pol 
wurde im Frieden von Fontainebleau (1763) an 
England abgetreten, während Spanien von Frank- 
reich (1763) Louisiana erhielt. Letzteres wurde 
zu Pol lief, während die Spanier die Länder west- 1800 wieder an Frankreich zurückgegeben. Eng- 
lich dieser Linie erhalten sollten. 1494 (im Ver= land gab Florida im Frieden von Versailles (1783) 
trage von Tordesillas) wurde die Linie auf 370 
spanische Meilen westlich der Azoren verlegt. 
Die Portugiesen, welche schon im Laufe 
des 15. Jahrh. Ceuta, Tanger und mehrere an- 
  
an Spanien zurück, das es 1819 für 5 Mill. 
Dollar an die Vereinigten Staaten von Amerika 
verkaufte. Westindien war im Laufe der Zeit bis 
auf Kuba und Porto Rico an andere kolonisierende
	        
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