Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Mächte verloren gegangen. Die beiden letzt- 
genannten kamen mit den Philippinen und der 
Insel Guam im spanisch-amerikanischen Kriege 
1898 an die Vereinigten Staaten. Die Karo- 
linen-, Marianen= und Palau-Inseln wurden 
1899 an Deutschland für 20 Mill. M verkauft. 
England hatte schon Anfang des 16. Jahrh. 
die nordwestliche Durchfahrt um Amerika gesucht, 
aber nicht gefunden, nachdem es bereits vorher unter 
Führung des Venezianers Sebastian Gabotto das 
Festland von Amerika betreten hatte, ohne jedoch 
Besitz davon zu ergreifen. Im allgemeinen wird die 
Besitznahme von Neufundland durch Sir Humphrey 
Gilbert, oder die Gründung einer Niederlassung 
im Jahre 1587 in dem von Sir Walter Raleigh 
1584 eroberten Virginia als Anfang der Koloni- 
sationstätigkeit Englands betrachtet, allein mit 
Unrecht. Sir Francis Drake hatte bereits 1579 
die norwestliche Küste Amerikas im Stillen Ozean 
entdeckt und mit dem Namen „Neualbion“ für 
England besetzt, auch im Jahre 1585 Santiago 
und Santo Domingo für England erobert. Durch 
die Auswanderung der Puritaner nach Massa- 
chusetts, Rhode Island und Connecticut wurde 
der Grund zu den Vereinigten Kolonien von Neu- 
england gelegt, die sich 1643 unter einem eng- 
lischen Gouverneur bildeten. Es gelang England 
im Laufe der Zeit, die europäischen Mächte, die 
Franzosen, Niederländer und Schweden, welche 
sich im Norden Amerikas niedergelassen hatten, zu 
verdrängen. Neuschweden ward 1655 von den 
Niederländern erworben. Der niederländische Be- 
sitz Neuniederland und Neuschweden wurde 1667 
von den Niederländern an England abgetreten. 
In dem Pariser Frieden von 1763 mußte Frank- 
reich Akadien, Kanada und Kap Breton an Eng- 
land abtreten, Spanien Florida, so daß England 
jetzt die gesamte Ostküste bis zum Mississippi be- 
saß. Nur Louisiana blieb in den Händen der 
Franzosen. Allein lange dauerte die Freude Eng- 
lands an diesem großen Besitze nicht. Infolge 
von Zwistigkeiten zwischen England und den Pro- 
vinzen Nordamerikas wegen Einführung neuer 
Zölle kam es zum Kriege, in dessen Verlauf sich 
13 Provinzen im Jahre 1776 für unabhängig 
erklärten und in einem bis 1783 dauernden Kriege 
ihre Unabhängigkeit erfochten. Damit war das 
gesamte ungeheure Staatsgebiet der Vereinigten 
Staaten für England verloren und Englands 
Kolonialbesitz trotz Ostindien ein sehr geringer 
gegen Spanien und Portugal. 
In Ostindien, wo in ähnlicher Weise Eng- 
länder, Niederländer und Franzosen gegen den 
Kolonialbesitz der Portugiesen vorgingen, hatte 
England anfangs keine großen Erfolge. Es erteilte 
der Ostindischen Kompagnie im Jahre 1602 einen 
Freibrief für Ostindien (Charter). Die Gesell- 
schaft blieb Trägerin des ostindischen Besitzes bis 
zum Jahre 1858, wo Indien als Kaiserreich zu 
einem Teil von England erklärt wurde. Die Ge- 
sellschaft errichtete zunächst fünf Handelsstationen. 
Kolonien usnu. 
  
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Weiter in das Land hinein war die Besthergreifung 
erst nach dem Zerfall des Reiches des Großmogul 
möglich. Jedoch wurden die Küstenstationen der 
fremden Mächte erworben. Die Niederländer, 
welche den Küstenbesitz der Portugiesen in dem 
mit Philipp II. geführten Kriege bis auf Goa, 
Diu und Damäo erobert hatten, mußten ihren 
gesamten Besitz an dem Festlande nebst der In- 
sel Ceylon im Wiener Konkordat an England 
abtreten, während die französischen Besitzungen in 
Ostindien nach langem Kampfe durch den Pariser 
Frieden 1763 bis auf die Stationen Pondicherry, 
Karikal, Janaon, Tellicherry, Mahs und Chan- 
dernagor schon abgetreten waren und die dänischen 
Kolonien Tranquebar und Serampur von der 
Ostindischen Kompagnie 1845 käuflich erstanden 
wurden. 1757 setzten sich die Engländer unter 
Lord Clive in Bengalen, Bihar und Orissa fest; 
sie haben dann in fortwährenden Kämpfen ganz 
Vorderindien mit Kaschmir, Belutschistan, Assam, 
Birma und der Halbinsel Malaka erworben. 
Dieser Riesenbesitz ist in dem Kaiserreich Indien 
einschließlich der Schutzstaaten vereinigt. 
Einen dritten größeren Kolonialkomplex hat 
England in Australien, Tasmanien, Neuseeland 
und Papua erworben. Im Jahre 1788 gründete 
es in Sydney durch Philipps die Kolonie Neu- 
südwales. Ebenso wurde in Vandiemensland 
((etzt Tasmanien) 1803 eine Verbrecherkolonie an- 
gelegt. Es wanderten dann freie Ansiedler aus 
England ein, die allmählich die Abschaffung der 
Verbrecherkolonie erlangten und noch die Kolonien 
Viktoria, Queensland, Süd= und Westaustralien 
gründeten. Neuseeland, schon 1769 von Cook für 
England besetzt, gelangte erst 1840 nach langen 
Kämpfen mit den Maoris in englischen Besitz. 
Hierzu kommt noch der südliche Teil der Insel 
Neuguinea, den England zur gleichen Zeit, als die 
Neuguinea-Kompagnie den deutschen Teil der 
Insel besetzte, okkupierte. Die Grenzen der beider- 
seitigen Besitzungen wurden durch den Vertrag 
vom 6. April 1886 festgelegt. Durch das Samoa- 
abkommen mit Deutschland vom 14. Nov. 1899 
hat dann England noch die Tonga-Inseln und 
von den Salomonsinseln Choiseul und Isabel er- 
halten. Endlich hat es die Fidschi-Inseln im Jahre 
1874 erworben, als der König Kakobau zum 
zweitenmal diese Insel England anbot und bereits 
mit andern europäischen Mächten dieserhalb an- 
geknüpft hatte. 
Einen vierten großen Länderkomplex, allerdings 
nicht so zusammenhängend als in Kanada, Ost- 
indien und Australien, hat dann England in Afrika 
im 19. und 20. Jahrh. zusammenerobert. Daß 
der Zusammenschluß dieses großen afrikanischen 
Reiches nicht erfolgen konnte, daran trägt der 
Kongostaat und Deutschland die Schuld, deren 
Besitzungen in Zentralafrika den Zusammenschluß 
des südlichen und nördlichen Kolonialbesitzes ver- 
hindert haben. Eine große Bahnlinie von Kairo 
bis Kapstadt sollte die Besitzungen durchschneiden.
	        
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