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an die Englisch- ostindische Kompagnie, seine
Kolonie Goldküste 1849 an England ver-
kauft. Die ihm gehörige Gruppe der Nikobaren
hat es ausgegeben. Ein 1902 im deänischen
Reichstag gestellter Antrag, die drei Antillen-
inseln zu verkaufen, wurde abgelehnt.
Italien ist erst im Jahre 1881 in die Reihe
der Kolonialmächte eingetreten, indem es die
Assabbai mit Dependenzen und 1885 Mas
saua erwarb. Daran schloß sich die Besetzung
von Keren und Asmara in der abessinischen Hoch-
ebene sowie eines Streifens der Ostküste von Nord-
afrika vom Kap Guardafui bis nach Kismaju.
Italien konnte sich schon begründete Hoffnung auf
den Erwerb von ganz Abessinien machen, allein
der unglückliche Krieg mit Abessinien und seine
Niederlage von Adua (1896) drängten es wieder
zur Küste zurück. Italien hat mit seinen Kolonien
kein Glück gehabt. Tunis ging durch die Be-
setzung seitens Frankreichs im Jahre 1885 ver-
loren. Jetzt ist Tripolis, Barka, ein Teil des
Mahdireichs und immer noch Abessinien die Hoff-
nung Italiens. Aber Frankreich in Tripolis,
England in Abessinien und dem Reich des Mahdi,
das sind gefährliche Konkurrenten.
Japan hat seine ersten Kolonien im Jahre
1895 im Kriege mit China erworben. Formosa
mit den Pescadores= und Vulkaninseln wurden
ihm abgetreten. Im Frieden von Portsmouth
(1905) mußte ihm Rußland die Insel Sachalin
bis zum 50. Breitengrade sowie Kwantung (Halb-
insel Liaotung mit Port Arthur und Talienwan)
abtreten. Klein an Flächeninhalt (nur ca 70 000
qkm), aber groß an Einwohnerzahl (über 3½
Mill)iist sein Kolonialbesitz. Dazu kommt sein Su-
zeränitätsrecht auf Korea und der Interessenvor-
rang auf die Mandschurei, den ihm Rußland eben-
falls einräumen mußte.
Die Vereinigten Staaten haben im
Jahre 1897 zunächst Hawali erworben, darauf
(1899) bei Teilung des Samoa-Archipels Tutu-
ila, 1900 im spanischen Krieg die Philippinen,
Kuba, Porto Rico und Guam, endlich im Jahre
1908 noch einen 10 Meilen breiten Streifen
längs der beiden Seiten des Panamakanals von
der Republik Panama, die sich im Jahre vorher
von der Republik Colombia losgelöst hatte. Zwar
ist Hawaii schon amerikanisches Territorium und
Kuba wieder selbständige Republik geworden. Es
ist aber wohl bei Lage der Verhältnisse richtig,
beide Inseln noch zum amerikanischen Kolonial-
besitz zu rechnen. Sein Kolonialbesitz beträgt
ca 440 000 qkm mit 10⅛ Mill. Einw. inkl.
Kuba, alles in guter Lage und mit genügenden
Menschenkräften versehen.
Als letzter Kolonialstaat endlich tritt Bel-
gien in die Erscheinung, das im Jahre 1909
durch Vertrag mit dem König Leopold den Kongo-
staat erworben hat, der 1876 durch die internatio-
nale afrikanische Gesellschaft begründet, 1885 den
König Leopold II. zum Souverän annahm. Da der
Kolonien ufw.
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Kongostaat 2 382 800 qkm groß ist und 20 Mill.
Einw. hat, ist Belgien der Größe seiner Besitzung
nach in die vierte Stelle der Kolonialmächte vor
Portugal gerückt.
Rußland würde nach England die größte
Kolonialmacht der Welt sein, wenn man seine
asiatischen Besitzungen als Kolonien betrachten
könnte. Allein da sie zum russischen Reiche staats-
und völkerrechtlich gerechnet werden, so fällt deren
Betrachtung hier fort.
Schweden und Norwegen waren einmal
Kolonialstaaten. Die norwegischen Kolonien Is-
land und Grönland sind an Dänemark über-
gegangen, die schwedischen Kolonien Neuschweden
an die Niederlande verloren; die Insel St-Bar-
thlemy wurde 1877 an Frankreich verkauft.
In Deutschland hat es infolge der Klein-
staaterei an Seegeltung gefehlt, um an dem
Ende des 16. und im 17. Jahrh. stattfindenden
Wettbewerb der europäischen Nationen in Be-
ziehung auf die Gründung von Kolonialreichen
teilzunehmen. Die Seemacht der Hansa, welche
allein mit andern Nationen in Wettbewerb hätte
treten können, war im Laufe des 16. Jahrh. ver-
nichtet. Trotzdem versuchte der Große Kurfürst
an der Westküste Afrikas eine Kolonialgründung.
Im Jahre 1681 wurden mit Häuptlingen an der
Westküste Schutzverträge abgeschlossen, 1682 eine
„Afrikanische Kompagnie“ begründet und die Feste
Großfriedrichsburg angelegt. Die Handels-
kompagnie reüssierte nicht, weshalb der Große
Kurfürst selbst die Sache übernahm. Doch auch
dadurch besserten sich die Verhältnisse nicht. Die
Kolonie vegetierte weiter und wurde 1721 an die
Holländisch-westindische Kompagnie verkauft. Auch
nach Gründung des Deutschen Reichs und einer
deutschen Seemacht faßte der koloniale Gedanke in
Deutschland noch nicht Wurzel. Deutschland
lehnte noch 1874 das ihm von Sansibar angebo-
tene Protektorat ab, und im Jahre 1880 noch
wurde ein Antrag, die Besitzungen des in Samoa
in Schwierigkeiten geratenen Handelshauses Go-
deffroy zu übernehmen, abgelehnt. Erst als
England der Firma Lüderitz bezüglich ihrer Er-
werbungen in Deutsch-Südwestafrika Schwierig-
keiten machte, wurde Bismarck, der bisher Gegner
von Kolonien gewesen war, zu einer energischen
Haltung gegen England bestimmt. Er tele-
graphierte an den deutschen Konsul in Kapstadt,
daß Lüderitz und seine Niederlassungen unter dem
Schutze des Deutschen Reiches ständen. Der erste
Schritt zur Gründung von Kolonien war getan,
damit sofort Ernst gemacht und im ersten Eifer
die vier afrikanischen Kolonien und Neuguinea
begründet. Zu diesen kamen im Jahre 1897
Kiautschon, 1899 Samoa, die Karolinen und
Marianen. Über die Erwerbung, die geographi-
schen, wirtschaftlichen u. dgl. Verhältnisse der ein-
zelnen deutschen Kolonien vol. d. Art. Deutsches
Reich: VI. Die deutschen Schutzgebiete (Bd J,
Sp. 1267 ff..