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nialbesitz kamen, führten sie mehr oder weniger
Handelsmonopole ein. So hatten der von Colbert
eingeführte Merkantilismus, der lange Zeit im
Handel der Kolonien mit dem Mutterlande und
andern Staaten gegolten hatte und sogar mit
dem Namen „Kolonialsystem“ bezeichnet wurde,
und die von Cromwell 1651 erlassene Navi-
gationsakte keinen andern Zweck, als den Handel
mehr oder weniger zu monopolisieren, nicht bloß
bezüglich des eigentlichen Handels, sondern auch
der Schiffahrt. Dazu kommen noch die Einzel-
monopole (Gewürzmonopol, Tabakmonopol,
Opiummonopol usw.), wo Ankauf und Verkauf
vorbehalten waren, dazu noch die differentielle
Zollbehandlung der eignen und fremden Waren,
die differentielle Zollbehandlung, je nachdem eigne
oder fremde Schiffe die Waren befördern, und
andere beschränkende Maßnahmen.
Gegen all diese Handelsbeschränkungen wurde
allmählich immer mehr Front gemacht, sowohl
seitens der Kolonien als der fremden Handels-
mächte und der Interessenten des Mutterlandes
selbst. Außerdem führten diese Streitigkeiten
direkt zum Abfall der Vereinigten Staaten vom
Mutterlande; sie spielten neben der Frage der
Selbstverwaltung auch eine große Rolle in dem
Abfall der südamerikanischen Kolonien von Por-
tugal und Spanien. Die Mutterstaaten wurden
gezwungen, ein Stück nach dem andern fallen zu
lassen. In der letzten Hälfte des 19. Jahrh. hat
sich allgemein, bis auf kleinere differentielle Zölle
in den portugiesischen und spanischen Kolonien,
das volle Prinzip der Handelsfreiheit und gleich-
artigen Zollbehandlung entwickelt. In der letzten
Zeit allerdings hat Kanada, welches sich von Eng-
land Freiheit der Zollbestimmungen erkämpft hat,
dem Mutterlande England eine Vorzugsbehand-
lung bei den Zöllen eingeräumt, eine Maßregel,
die Diutschland veranlaßte, gegen Kanada die
Meistbegünstigung aufzuheben und den autonomen
Tarif in Anwendung zu bringen. Uberhaupt wird
diese Frage in der Zukunft wieder eine große Rolle
spielen, da die imperialistischen Bestrebungen, ein
Greater Britain unter Zusammenschluß der
Selbstverwaltungskolonien, des Dominion of
Canada, der Commonwealth Australiens und
der südafrikanischen Union mit dem Mutterlande
zu schaffen, Erfolg zu haben scheinen.
Die Frage der Kolonialgesellschaften
in den verschiedensten Formen, der Gesellschaften
mit und ohne Hoheitsrechte, der reinen Handels-
gesellschaften, der Kolonialgesellschaften mit Groß-
grundbesitz, der Plantagengesellschaften usw., ist im
allgemeinen schon vorstehend berührt worden. Man
darf wohl sagen, sie haben den Kolonien, abge-
sehen von den reinen Handels= und reinen Plan-
tagengesellschaften, nicht viel Nutzen gebracht. Das
beste war es jedesmal für die Kolonien, wenn
der Mutterstaat unter weiser Benutzung des Ka-
pitals kleinerer Gesellschaften die Erschließung des
Landes selbst in die Hand nahm.
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Kolonien ufw.
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Eine große Rolle in der Politik der kolonialen
Erschließung spielt in den subtropischen und tropi-
schen Kolonien die Arbeiterfrage. Wie die
Sklaverei der Neger durch soziale Fürsorge der
Kirche für die indianischen Sklavenchristen, be-
sonders aber im Interesse der Plantagenbesitzer, zu
Anfang des 16. Jahrh. durch König Ferdinand
von Spanien und den Priester Bartolomeo de las
Casas als Ersatz für die Indianerarbeit ein-
geführt wurde, so mußte auch mit der Aufhebung
der Sklaverei gegen die Mitte des 19. Jahrh.
bald an die Stelle der Sklavenarbeit ein Ersatz
treten, der dann durch die Kulieinwanderung bzw.
Beschaffung freier Lohnarbeiter aus Indien, China
und Afrika, durch Arbeitszwang der eingebornen
Bevölkerung und durch freie Arbeiterbeschaffung
innerhalb und außerhalb der Kolonien nach staat-
lichen Arbeitsordnungen gefunden wurde.
Was das finanzielle Verhältnis des
Mutterstaates zur Kolonie anbelangt, so herrschen
auch hier die größten Gegensätze. Spanien und
Portugal betrieben das System der Ausraubung
ihrer Kolonien zugunsten des Mutterlandes und
zogen bis zum Verlust der amerikanischen Kolonien
große Reichtümer aus denselben. Nach dem Ver-
lust der amerikanischen Kolonien änderte sich das
Verhältnis für Portugal, das nur afrikanische und
ostindische Kolonien behielt, sofort. Es mußte
ständige Zuschüsse leisten, ohne daß es dadurch
die Kolonien zur Entwicklung bringen konnte.
Spanien, welches noch gut entwickelte Kolonien
in Kuba und den Philippinen behalten hatte,
konnte noch eine Reihe von Jahren erhebliche
Beträge durch sein Aussaugungssystem erzielen;
allein eben dieses System wurde dann später die
Quelle fortdauernder Aufstände, so daß es von
Überschüssen zu Zuschüssen übergehen mußte und
froh sein konnte, daß es durch den spanisch-ameri-
kanischen Krieg Kuba und die Philippinen verlor.
Spanien sowohl wie Portugal haben es nicht ver-
standen, durch eine Erschließung ihrer Kolonien
eine vernünftige Kolonialpolitik zu treiben. Der
Raubbau rächt sich in jeder Form. Für. Spanien
und Portugal hat er den Verlust der Kolonien
zur Folge gehabt. In England bekümmerte sich
die Regierung zunächst nicht um die Entwicklung
der Kolonien. Es behielt sich in den Verträgen
mit den Chartered Company's einen gewissen
Anteil am Ertrage vor und gab dafür den
Company's militärischen Schutz. Das kostete viel
Geld. Zölle und Monopole (Navigationsakte usw.)
wurden eingeführt und damit die Neuengland-
Staaten zum Abfall getrieben. In neuerer Zeit
hat England die Einrichtung getroffen, daß die
Kolonien ihre Verwaltung selbst zu tragen und zu
bestreiten haben. Nur die Gouverneursgestellung
und die Ausgaben für militärischen Schutz belasten
zum Teil noch das Budget des Mutterlandes.
Die Kolonien haben das Recht, selbständig Schul-
den zu machen. In Frankreich, welchem der Besitz
von Algier allein mehr als 5 Milliarden Franken
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