Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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chumenen. Die rechtlichen Verhältnisse der katho- 
lischen Missionen sind durch die Konvention vom 
26. Mai 1906 zwischen dem Apostolischen Stuhl 
und dem Kongostaat geregelt. Die protestantischen 
Missionsgesellschaften besitzen im Kongostaat an 
80 Stationen mit 220 Missionären. 
Die bewaffnete Macht besteht aus 23 aktiven 
Kompagnien, 1 Reservekompagnie und 4 In- 
struktionskommandos; insgesamt 13660 Mann 
mit (1908) 141 europäischen Offizieren und 181 
europäischen Unteroffizieren. Nach der Verord- 
nung vom 30. Juli 1891 wird neben der Ein- 
stellung von Freiwilligen eine jährliche Aushebung 
durch Losung unter allen 14 bis 25 Jahre alten 
Eingebornen für eine siebenjährige Dienstzeit 
vorgenommen (für 1908 betrug das Rekruten- 
kontingent 1600 Mann); im Notfall können alle 
Beamten und Arbeiter zu einem Hilfskorps ein- 
berufen werden. Eine zweite Abteilung der Aus- 
hebung wird nicht als Soldaten, sondern als 
Arbeiter für öffentliche Bauten verwendet (1908 
an 2500 Mann). Die Marine besteht aus 
11 Dampfern auf dem unteren und 39 auf dem 
mittleren und oberen Kongo sowie einer Flottille 
von Segel= und Ruderbooten. — Die blaue 
Flagge zeigt in der Mitte einen fünfzackigen gol- 
denen Stern. Das Wappen führt im blauen 
Felde einen silbernen Querbalken (Kongofluß), 
überlegt mit dem Schilde von Belgien. Im 
rechten Obereck erscheint ein fünfzackiger goldener 
Stern. Den Wappenschild halten zwei rücksehende 
goldene Löwen. Die Devise lautet: Travail et 
progres. Ein Orden (vom afrikanischen Stern) 
wurde 1889 gestiftet. 
III. Wirtschaftliches. Der Flächeninhalt 
des Kongostaates wird auf 2,25 Mill. qkm, die 
Bevölkerung auf 15 ½ (nach andern auf 20/30) 
Mill. geschätzt. Die Zahl der Weißen betrug 
1908: 2943 (1713 Belgier, 145 Engländer, 
57 Deutsche usw.). Die Negerstämme (größten- 
teils Bantu) treiben Ackerbau, Fischfang, Jagd 
und Hausindustrie und sind ausgezeichnete Schiffer, 
die Zwergvölker (Batua, Akka oder Tikki-Tikki, 
Mukassequere; teilweise noch Kannibalen) treiben 
nur Jagd, die Araber Handel. — Der Boden 
des Landes besteht vorwiegend aus Laterit und ist 
bei ausreichender Bewässerung meist sehr frucht- 
bar; wo diese fehlt, breiten sich Grassteppen und 
Savannen aus. An Wasserläufen, günstig ge- 
legenen Stellen mit reichlichen Niederschlägen oder 
unterirdischen Wasseradern findet sich Urwald; 
von riesiger Ausdehnung ist der „Kongowald“ 
zwischen Lulua und Uelle. Die wichtigsten Kultur- 
pflanzen sind Mais und Zuckerrohr, Maniok, 
Erdnüsse, Bohnen, Bananen, Bataten, Sorghum, 
Reis, Baumwolle, Tabak, Ol= und Kokospalmen, 
Brot-, Butterbäume usw. Die europäische Plan- 
tagenwirtschaft beschränkt sich hauptsächlich auf 
den Anbau von Kaffee und Kakao. Von größter 
Wichtigkeit ist die Ausbeutung der kautschukliefern- 
den Pflanzen; die Gesamtzahl der vom Staat 
Kongostaat. 
  
400 
und Privaten gepflanzten Kautschukbäume und 
-lianen wird auf 13 Mill. geschätzt. Die Wälder 
liefern ferner Harze (Kopal), Kopalgummi, Bau- 
und Nutzhölzer. Die einheimische Tierwelt ist 
verhältnismäßig arm und durch rücksichtslose Ver- 
folgung ins Innere zurückgedrängt worden (be- 
sonders der Elefant); als Haustiere werden Ziegen, 
Schafe, Schweine und Hühner gehalten, die 
Rinderzucht ist auf den Osten und Südosten be- 
schränkt. Von Mineralschätzen findet sich Eisen 
in riesigen Lagern in Katanga, in Manjema, am 
Uelle und in Majumbe, Kupfer hauptsächlich in 
Katanga, Zinn ebenda und am Ubangi, Uelle, 
Kassai und in Manjema, Gold in Katanga, am 
Aruwimi, Quecksilber am Lualaba. 
Der Gesamthandel bewertete sich 1907 auf 
110,9 Mill. Franken (Einfuhr 33,4, Ausfuhr 
77,54), der Spezialhandel auf 84,1 Mill. Franken 
(Einfuhr 25,2, Ausfuhr 58,9). Einfuhrartikel 
sind hauptsächlich Gewebe, Nahrungsmittel, Ma- 
schinen, Baumaterialien, Metalle, Kleider, Klemp- 
ner-, Glaswaren usw.; 72 % kamen aus Belgien, 
11 % aus Großbritannien, 4 % aus Deutschland. 
Die Einfuhr von Spirituosen ist streng untersagt. 
Die Hauptausfuhrartikel waren Kautschuk (für 
43,98 Mill. Franken), Elfenbein (6,4), Weißer 
Kopal (2,04), Palmkerne (2,09), Palmöl (1,51), 
Rohgold (1,07) und Kakao (1,05); nach Belgien 
gingen 91 %, 4½ %% nach den portugiesischen 
Besitzungen an der Küste, der Rest nach britischen 
Besitzungen, den Niederlanden usw. 
Dem Verkehr dienen vor allem die Wasser- 
straßen des Landes, die an 15.000 km nutzbare 
Länge umfassen. Am unteren Kongo, der bis 
Matadi für große Seeschiffe befahrbar ist, liegen 
die Häsen Boma, Banana und Matadi; in den 
zwei ersteren liefen 1907: 578 Fahrzeuge mit 
547 388 Registertonnen ein (fast ½/ unter bel- 
gischer, je ¼ unter britischer und deutscher Flagge). 
Den überseeischen Verkehr vermitteln Schiffahrts= 
linien der Compagnie belge maritime du Congo, 
der Empreza nacional, der Compagnie fran- 
Jaise des Chargeurs réunis, die Woermann- 
linie, die Hamburg-Bremen-Afrika-Linie und die 
British and Africa Steam Navigation Co. 
Die drei nicht schiffbaren Strecken des Kongo- 
stroms sind durch Eisenbahnen umgangen: von 
Matadi nach Léopoldville (8389 km), von Stan- 
leyville nach Ponthierville (127 km), von Kindu 
nach Kongolo (320 km, im Bau); außerdem noch 
einige kleinere Linien und drei große Karawanen- 
straßen. Im ganzen wird durch die schiffbaren 
Abschnitte des Kongo und die Eisenbahnen eine 
Eingangsstraße von 3800 km Länge gebildet. 
— Die Post (Weltpostverein) besitzt 50 Amter, 
die 1907 fast 1 Mill. Sendungen beförderten; 
1740 km Telegraphenleitungen. — Das Münz- 
system ist das belgische; die vor der Annexion vom 
Kongostaat geprägten Münzen werden nach und 
nach eingezogen; die Prägung eigner, in Belgien 
nicht gültiger Kupfermünzen blieb vorbehalten. —
	        
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