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famie weniger in Anwendung kam und schließlich
gesetzlich auf gewisse Fälle eingeschränkt wurde.
Bis in das 17. Jahrh. hinein kennen die deut-
schen Rechte auch neben der Vollstreckung in die
Laot-e die Personalexekution gegen den Schuldner.
r wurde auf Kosten der Gläubiger in den Schuld-
turm gesteckt oder des Landes verwiesen; Leibes-
und sogar Lebensstrafen kamen gegen ihn in An-
wendung, er verfiel der Ehrlosigkeit und entehren-
den Strafen (Pranger, Tragen eines grünen
Hutes u. dgal.). Allmählich traten auch hierin
Milderungen ein. Im 17. Jahrh. erfuhr die Ent-
wicklung des Konkursrechts eine auf das Werk des
spanischen Juristen Salgado de Samoza Laby-
rinthus creditorum zurückzuführende, für Theorie
und Praxis gleich wichtige Unterbrechung. Kri-
stallisiert finden wir den Niederschlag dieser Ent-
wicklung in dem bis ins 19. Jahrh. für ganz
Deutschland maßgebend gewesenen gemeinrecht-
lichen Konkursverfahren.
III. Der gemeine Konkursprozeß bildete
sich unter Beeinflussung des spanischen Konkurs-
rechts aus durch Verbindung der Vorschriften des
rezipierten römischen Rechts und verschiedener Be-
stimmungen des italienischen Verfahrens mit den
auf altdeutscher Praxis beruhenden, in den Stadt-
rechten enthaltenen Normen. Dem Gericht war
eine weitgehende Mitwirkung bei dem ganzen Ver-
fahren gewährt, und namentlich gelangte das
Prinzip der Universalität, der sog. vis attractiva
des Konkurses zur Durchführung, indem das ge-
samte Vermögen des Gemeinschuldners auf die
Gesamtheit der Gläubiger überging und die Zu-
ständigkeit des Konkursgerichtes für alle mit dem
Verfahren in Verbindung stehenden Rechtssachen
begründet wurde; insbesondere mußten sich auch
die Pfandgläubiger an dem Konkursverfahren be-
teiligen.
Der Konkurs wurde auf Antrag der Gläubiger
oder der Schuldner nach Einleitung eines sog.
präparatorischen Verfahrens — Prüfung
der Vermögensverhältnisse und Feststellung der
die Voraussetzung des Verfahrens bildenden Über-
schuldung — durch das Gericht mittels eines de-
cretum de aperiundo concurso eröffnet (sog.
formeller Konkurs im Gegensatz zu dem materiellen
Konkurszustand). Das weitere Verfahren zerfiel
dann in vier Hauptteile: a) das Verfahren zur
Ermittlung der Gläubiger, welche sämtlich durch
Ediktalladung zur Anmeldung ihrer Forderungen
im Professionstermin aufgefordert wurden bei Ver-
meidung des Ausschlusses von der Masse; b) das
Liquidationsverfahren, welches die Herbeiführung
einer rechtskräftigen Entscheidung über Existenz,
Betrag und Modalitäten der im Professionstermin
protokollierten Forderungen bezweckte; c) das
Prioritätsverfahren, das die rechtskräftige Fest-
stellung des Ranges der nicht aberkannten For-
derungen durch die sog. Lokationssentenz zum
Gegenstand hatte; d) das Distributionsverfahren
behufs Verteilung der Masse unter die Gläubiger
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Konkursrecht.
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auf Grund eines gerichtlichen Distributionsbe-
scheides.
Ein bei Beginn des Verfahrens vom Gericht
aufgestellter Kontradiktor hatte im Interesse des
Gemeinschuldners die zur Anmeldung gekommenen
Forderungen zu prüfen und eventuell zu bestreiten
sowie die Liquidationsprozesse zu führen. Der
curator bonorum (Massekurator), welcher zu-
nächst provisorisch, dann auf Grund der von den
Gläubigern vorgenommenen Wahl definitiv durch
das Gericht bestellt wurde, hatte unter gerichtlicher
Aufsicht die Konkursmasse nach Errichtung eines
Inventars zu verwalten und flüssig zu machen.
Aus der Konkursmasse waten zunächst auszuschei-
den die von den sog. Vindikanten oder Separa-
tisten ex iure dominü zurückgeforderten Sachen,
welche dem Gemeinschuldner nicht zu Eigentum
gehörig, sondern nur in dessen Besitz befindlich
waren. Nach Berichtigung der Massekosten waren
Pro viribus massae die Konkursgläubiger zu
befriedigen. Erbschaftsgläubiger und Vermächtnis-
nehmer hatten gewisse Vorrechte auf abgesonderte
Befriedigung. Die Konkursgläubiger wurden nach
ihrer Rangordnung in fünf Klassen eingeteilt: die
erste Klasse bildeten die absolut privilegierten Gläu-
biger (Forderungen für rückständige fiskalische Ab-
gaben, Gesindelohn, Kosten der letzten Krankheit
und des Begräbnisses), die zweite Klasse die pri-
vilegierten Pfandgläubiger, welche nach dem Rang
ihres Pfandrechts ebenso wie die dritte Klasse, die
einfachen Pfandgläubiger, aus den Pfandgegen-
ständen ihre Befriedigung erhielten, die vierte
Klasse die privilegierten Chirographargläubiger,
die fünfte die einfachen Chirographargläubiger,
welche sich nach Verhältnis der Forderungsbeträge
in den Rest der Massen zu teilen hatten.
Der gemeine Konkursprozeß wurde vielfach
durch landesherrliche Verordnungen und besondere
Konkursordnungen abgeändert. (Eine eingehende
Darstellung der in den verschiedenen deutschen
Ländern geltenden Einzelverordnungen und Kon-
kursordnungen enthält die Anlage 1 zu den Mo-
tiven des Entwurfs der deutschen Reichskonkurs-
ordnung.)
Durch Einführung eines einfacheren Verfahrens
zeichnete sich das französische Konkursrecht
aus, dessen hauptsächliche Bestimmungen, da das-
selbe nur auf Handeltreibende sich bezieht, in dem
Code de commerce von 1807 (I. 3 des faillites
et des banqueroutes) enthalten sind (während
gegen Nichtkaufleute lediglich im Wege der Exe-
kution ein Verteilungsverfahren par contribution.
ou collocation stattfindet). Das Verfahren wickelt
sich in drei Stadien ab: a) Ermittlung und Sicher-
stellung der Masse durch die Agenten; b) Fest-
stellung der Aktiv= und Passivmasse durch das
provisorische Syndikat; c) Erledigung des Falli-
ments durch Abschluß eines Konkordats (Akkord)
oder eines Vereinigungsvertrags (Union) über die
durch das definitive Syndikat erfolgende Liquida-
tion der Masse. Das französische Fallimentsgesetz
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