Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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gen oder Kapitulationen über die Person des 
bisherigen Herrschers, sein Vermögen, das ge- 
schlagene Heer usw. getroffen werden (Kapitulation 
bei Langensalza vom 29. Juni 1866; Verein- 
barung zwischen den englischen Generalen und 
den Burenführern vom 31. Mai 1902). 
Literatur. Lentner, Das Recht im Kriege 
(1880) §§ 23, 24; vgl. ferner die Lit. über Kriegs- 
gefangenschaft u. Art. Krieg, Kriegsrecht. 
[Lentner, rev. Ebers.] 
Kardinäle. (Entstehung des Kardinal- 
kollegiums; Organisation, Ernennung, Rechte und 
Pflichten der Kardinäle.] Wie an jeder bischöf- 
lichen Kirche, so war auch an der Bischofskirche 
zu Rom seit den ältesten Zeiten der Klerus zu 
einem besondern Kollegium organisiert, welches 
Presbyterium genannt wurde. (St Igna- 
tius in Ep. ad. Smyrn. c. 6; ad Philadelph. 
. 4, 8. Papst Cornelius in Ep. 6, c. 2.) Be- 
stimmung und Aufgabe desselben war auch hier, 
dem Bischof von Rom oder dem Papst als ein 
ständiger Rat zur Seite zu stehen, ihn bei Er- 
ledigung kirchlicher Verwaltungsangelegenheit 
und bei der Vornahme gottesdienstlicher Funk- 
tionen zu unterstützen oder im Falle persönlicher 
Behinderung zu vertreten und beim Eintritt einer 
Vakanz das Dihzesanregiment interimistisch zu 
führen. Seine Existenz und kollegialische Be- 
tätigung ist durch den Briefwechsel mit dem 
hl. Cyprian (Cypriani ep. 31) historisch nach- 
gewiesen. Dieses römische Presbyterium bestand, 
wie alle andern bischöflichen Presbyterien, aus 
den beiden ersten Kategorien des Diözesanklerus, 
aus Priestern und Diakonen. Jene waren an den 
Hauptkirchen (tituli maiores) Roms angestellt, 
diese an den mit einem Armenhause verbundenen 
kleineren Kirchen (tituli minores, diaconiae) 
der 7 kirchlichen Bezirke, in welche das Stadt- 
gebiet behufs einer geregelten Armen= und Kranken- 
pflege eingeteilt war. Während die Zahl der 
Priester mannigfachen Schwankungen unterlag, 
erhielt sich die Siebenzahl der Diakonen auf Grund 
dieser kirchlichen Regionaleinteilung mehrere Jahr- 
hunderte hindurch. Erst zur Zeit Gregors des 
Großen ist eine Veränderung eingetreten; denn 
nach dem Berichte des Johannes Diaconus in 
seiner Vita Gregori# M. hatte sich damals die 
Zahl der Diakonen auf 19 vermehrt. Da um 
diese Zeit noch die alte Regionaleinteilung be- 
stand — erst mit dem 11. Jahrh. trat an ihre 
Stelle die Einteilung in 12 oder 13 Regionen —, 
so dürfte sich diese Vermehrung daraus erklären 
lassen, daß aus Bedürfnisgründen in jeder der 
7 Regionen 2 Diakonen fungierten und nun zu 
diesen 14 diaconi regionarütnoch die 4 an der 
Laterankirche angestellten und in persönlichem 
Dienste des Papstes mit der Armenpflege be- 
trauten diaconi palatini nebst dem Archidiakon 
hinzutraten (Gregorovius, Gesch, der Stadt Rom 1 
[71903).). Hadrian I. setzte die Zahl der Diakonal- 
kirchen auf 18 fest; dementsprechend finden wir 
Staatslexikon. UI. 3. Aufl. 
Kardinäle. 
  
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um die Wende des 11. zum 12. Jahrh. auch 
18 Kardinaldiakonen. Sixtus V. beschränkte die 
Zahl der letzteren auf 14 (Sägmüller, Tätigkeit 
und Stellung der Kardinäle 10). — Aus einer 
Verordnung des Papstes Stephan IV. auf dem 
römischen Konzil im Jahre 769 ist ersichtlich, daß 
auch 7 Bischöfe der Umgegend Roms, die später 
suburbikarische Bischöfe genannt wurden, dem 
römischen Presbyterium zu jener Zeit schon an- 
gehörten. Die Aufnahme derselben ist allerdings 
historisch nicht nachweisbar, muß aber beträchtlich 
früher stattgefunden haben, da jene Verordnung 
einen schon längst bestehenden, turnusweise ab- 
zuhaltenden Wochendienst voraussetzt und schon 
der älteste ordo romanus der episcopi hebdo- 
madarü als einer bestehenden Institution gedenkt. 
Hiermit erhielt das römische Presbyterium die 
Eigentümlichkeit, daß es, verschieden von allen 
andern bischöflichen Presbyterien, drei Kategorien 
von Klerikern in sich schloß: Diakonen, Priester 
und Bischöfe. 
Aus diesem eigenartig organisierten alten Pres- 
byterium der römischen Bischofskirche ist allmäh- 
lich im Verlauf von Jahrhunderten in stetiger 
Fortentwicklung der Kardinalat oder das Kar- 
dinalkollegium hervorgegangen, aber dergestalt, 
daß es trotz aller Veränderungen und Umgestal- 
tungen nach innen und außen, welche die einzelnen 
Stadien seines geschichtlichen Entwicklungspro- 
zesses charakterisieren, in seinem innersten Wesen, 
nach seiner Grundorganisation und Grundbe- 
stimmung nichts anderes ist als das alte römische 
Presbyterium. Auch heute noch ist das Kardinal- 
kollegium ein ständiger Rat oder ein Senat, der 
dem Papst oder Bischof von Rom zur Seite steht 
und dessen Mitglieder in ihrer Gesamtheit oder 
als einzelne Kardinäle ihn bei der Entscheidung 
und Erledigung kirchlicher Angelegenheiten unter- 
stützen oder vertreten, wo er persönlich nicht ein- 
zugreifen vermag. 
Die Wandlung des Namens hat sich ganz 
allmählich vollzogen. Schon seit dem 6. Jahrh. 
und vielleicht noch früher (Tamagna, Origine e 
prerogative dei Cardinali, Rom 1790) kommtin 
einzelnen bei den römischen Kirchen aufbewahrten 
Urkunden der Ausdruck presbyter cardinalis 
und diaconus cardinalis ecclesiae romanae 
vor. Und in der oben schon erwähnten Verord- 
nung Stephans IV. findet sich dasselbe Zusatz- 
wort auch bei den Bischöfen. Der Liber ponti- 
ficalis berichtet von diesem Papst: Statuit, ut 
in omni dominico die a septem episcopis 
cardinalibus hebdomadarüs, qui in Ecclesia 
Salvatoris observant, missarum solemnia 
super altare b. Petri celebrarentur et Gloria 
in excelsis cantaretur. Jedoch lag für diese 
Zeit in diesem Zusatz noch keine den Mitgliedern 
des römischen Presbyteriums eigentümliche Titu- 
latur. Wo uns in unsern Rechtsquellen das Wort 
cardinalis zum erstenmal (c. 3, D. XXIV, ep. 
Gelasü I. 492—496) begegnet, wird es einem 
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