Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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beaufsichtigen und den fremden Staaten gegen- 
über zu vertreten haben. 
3. Die wichtigste Unterscheidung der Konsuln 
ist die in Handelskonsuln und Juris- 
diktionskonsuln. Sie ist begründet in ihrer 
durchaus verschiedenen Aufgabe und Rechtstellung, 
welche sich aus der geschichtlichen Entwicklung wie 
aus den noch immer aktuellen Gegensätzen der 
Zivilisation zwischen christlichen und nichtchrist- 
lichen Staaten ergeben. 
V. Die Rechtsstellung der Konfuln, be- 
lenders in den christlichen Staaten (Han- 
elskonsuln). 1. Die Aufgaben der 
Konfuln. 
a) Die Konsuln haben vor allem die Aufgabe, 
die wirtschaftlichen Interessen des Hei- 
matstaates wahrzunehmen. Infolgedessen sind sie 
verpflichtet, dauernd ihre Regierung über alle 
Vorgänge auf dem Gebiete des Handels und der 
Industrie zu informieren. Darüber hinaus über- 
wachen sie auch meistens die Erfüllung der Han- 
delsniederlassungs= und sonstigen Verträge, be- 
sonders die Einräumung der aus der Meistbegün- 
stigungsklausel der Handelsverträge sich ergebenden 
neuen Rechte. Nach einzelnen Verträgen, z. B. 
dem deutsch-nordamerikanischen von 1871, ist ihnen 
sogar ganz allgemein die Aufgabe übertragen, die 
Beobachtung der Vorschriften des „Völkerrechts“ 
zu überwachen. 
b) Des weiteren sind die Konsuln mit dem 
Schutz der Rechte und Interessen der 
Staatsangehörigen und Schutzgenossen 
des Absendestaates betraut; sie haben über 
dieselben eine Matrikel zu führen und sie als Rat- 
geber und Vertreter ihrer Interessen zu unter- 
stützen, Hilfsbedürftige mit Geldmitteln zu ver- 
sehen, eventuell für ihre Rückbeförderung in die 
Heimat zu sorgen. 
P) Besonders umfangreich sind die obrigkeit- 
lichen Befugnisse, die ihnen von ihrem 
Heimatstaat unter Genehmigung des Empfangs- 
staates gewöhnlich übertragen werden. 
a) Hierher gehören zunächst zahlreiche poli- 
zeiliche Befugnisse über die Angehörigen ihres 
Landes und über die Schiffe ihrer Handelsmarine, 
so Ausstellung und Visierung von Pässen, Ent- 
gegennahme der Schiffsmeldungen, An= und Ab- 
meldung der Schiffsmannschaft, Inspektion der 
Schiffe, Prüfung der Schiffspapiere, Aufrecht- 
erhaltung der Ordnung an Bord, Schlichtung 
von Streitigkeiten an Bord, Verhaftung ent- 
wichener Seeleute, Aufnahme von Verklarungen, 
d. h. Vernehmung des Schiffspersonals und Fest- 
stellung bei Havarien, Uberwachung der Ausbes- 
serung und des Verkaufs gestrandeter oder geschei- 
terter Schiffe, Eingehung von Bodmereigeschäften 
und sonstige Angelegenheiten der See= und Hafen- 
polizei. Der Kriegsmarine gegenüber haben sie 
jedoch keine Polizeirechte. Sie sind dagegen ver- 
pflichtet, den Kommandanten alle dienlichen Mit- 
teilungen zu machen und mit Rat und Tat beizu- 
Konsuln. 
  
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stehen, insbesondere bei Einholung desertierter 
Mannschaft behilflich zu sein. 
8) Ferner pflegt den Konsuln gewöhnlich die 
freiwillige Gerichtsbarkeit übertragen 
zu werden. Sie sind zu Notariatsakten aller Art 
berechtigt, so Aufnahme und Beglaubigung von 
Urkunden, besonders letztwilliger Verfügungen, 
oder über Rechtsgeschäfte liegende Güter betreffend, 
die einleitende Reglung des Nachlasses usw. Auch 
können sie auf Grund besonderer Ermächtigung 
des Absendestaates und mit Zustimmung des Emp- 
fangsstaates als Zivilstandsbeamte fungieren, d. h. 
Eheschließungen von Staatsangehörigen vorneh- 
men, Geburten, Heiraten und Sterbefälle beur- 
kunden. 
) Die streitige Gerichtsbarkeit ist 
dagegen heutzutage den Konsuln in christlichen 
Ländern selbst in Handelssachen grundsätzlich ent- 
zogen. Doch wird ihnen vielfach in Verträgen 
das Recht zugesichert, als Vermittler oder auch als 
Schiedsrichter in Rechtssachen ihrer Landsleute 
untereinander oder mit Angehörigen des Empfangs- 
staates bzw. andern Ausländern tätig zu sein. Eben- 
o ist das etwaige Recht, auf Ersuchen des Absende- 
staates Zeugen zu vernehmen, Zustellungen zu 
bewirken, von besonderer Ermächtigung abhängig. 
2. Die Rechte und Privilegien der 
Konsuln. Die Konsuln sind anders als die 
Gesandten nicht Vertreter ihres Staates in allen 
seinen völkerrechtlichen Beziehungen, ihre Aufgabe 
ist vielmehr auf einen bestimmten Kreis staatlicher 
Interessen beschränkt. Infolgedessen entbehren sie 
des „diplomatischen Charakters“, so daß ihnen 
auch die Vorrechte und Immunitäten der diplo- 
matischen Agenten nicht zukommen. Darin liegt 
es auch begründet, daß sie sich, außer im Falle der 
Not, nicht unmittelbar an die obersten Regierungs- 
organe des Empfangsstaates wenden dürfen, son- 
dern sich der Vermittlung ihres diplomatischen 
Vertreters zu bedienen haben. Gleichwohl müssen 
ihnen als mit der Ausübung eines öffentlichen 
Amtes betraute und hierfür zugelassene Organe 
eines auswärtigen Staates vom Empfangsstaat 
wenigstens jene Befreiungen und Vorrechte ein- 
geräumt sein, die zur ungehinderten Durchführung 
ihrer Aufgabe erforderlich erscheinen. An einer 
einheitlichen Normierung derselben durch das 
Völkerrecht fehlt es bisher. Infolgedessen werden 
die den Konsuln zu gewährenden Rechte und Im- 
munitäten meist vertragsmäßig — vielfach unter 
Anwendung der Meistbegünstigungsklausel — 
festgesetzt. Subsidiär gilt das Gewohnheitsrecht, 
wenn auch die Landesgesetze keine derartigen Nor- 
men enthalten. Zu bemerken ist noch, daß diese 
Vorrechte nur der Person des Konsuls eingeräumt 
sind, sich aber nicht, wie bei den Gesandten, auch 
auf die Familienmitglieder und das Geschäfts- 
personal erstrecken, es sei denn, daß dieses bei Be- 
hinderung des Konsuls die Konsulatsgeschäfte 
führt oder die Verträge ausdrücklich jene Rechte 
auf die Konsularbeamten ausdehnen. 
 
	        
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