Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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ausländischen Richter werden vom Khediven auf 
Vorschlag der europäischen Mächte ernannt. 
b) Zur Zuständigkeit dieser Gerichte ge- 
hören: alle Streitigkeiten in Zivil= und Han- 
delssachen zwischen Agyptern und Nichtägyp- 
tern oder zwischen Nichtägyptern verschiedener 
Nationalität, über Immobilien und Immobiliar- 
rechte, sogar wenn die Parteien Ausländer der- 
selben Nation sind. Desgleichen sind sie für das 
Konkursverfahren kompetent, soweit die Interessen 
von Angehörigen verschiedener Nationen berührt 
werden. Dagegen sind Statusklagen, Fragen des 
öffentlichen Eigentums der Zuständigkeit dieser 
Gerichte entzogen. Die Strafgerichtsbar- 
keit steht ihnen nur zu über alle Polizeiübertre- 
tungen, über die gegen die Gerichte selbst oder 
deren Mitglieder gerichteten oder von letzteren in 
Ausübung ihres Amtes begangenen Vergehen und 
Verbrechen, schließlich seit 1900 auch über ein- 
fachen und betrügerischen Bankrott und die damit 
zusammenhängenden oder während eines Konkurs- 
verfahrens aufgedeckten Delikte. 
c) Soweit die internationalen Gerichte nicht 
zuständig sind, ist die Kompetenz der Kon- 
sular= und Lokalgerichte erhalten ge- 
blieben, so z. B. in Zivil= und Handelsstreitig- 
keiten zwischen Konnationalen, sobald es sich nicht 
um Immobiliarrechte handelt. Meist haben sich 
die Staaten außerdem noch ausdrücklich die Kon- 
sulargerichtsbarkeit über die zum Konsulat ge- 
hörigen Personen, deren Familienangehörigen und 
Wohnungen sowie über die christlichen Wohl- 
tätigkeitsanstalten, Schulen und religiösen Nieder- 
lassungen vorbehalten. 
Literatur. 1. Imeallgemeinen. Bulmerinc, 
Konsularrecht, in v. Holtzendorffs Handbuch III 
685 ff; v. König, Handbuch des deutschen Konsular= 
wesens (61902); Hübler, Die Magistraturen des 
völkerrechtl. Verkehrs (1900); v. Martens, Das 
Konsularwesen u. die Konsularjurisdiktion im 
Orient (1874); Zorn, Deutsche Konsulargesetz- 
gebung (21901); v. Poschinger, Deutsche Konsular- 
verträge; Bodin, Les immunités consulaires 
(1897); Salles, L'institution des consulats, son 
origine etc. (1898). Ferner die Hand= u. Lehr- 
bücher des Völkerrechts von Gareis §§ 41 ff, Rivier 
§§ 41 ff, v. Liszt §§ 15 u. 18, besonders ausführ- 
lich von Ullmann (21908) §§ 54 ff; des weiteren 
Piedelièvre, Précis 1 507; Bonfils 731; Pradier- 
Fodere IV, u. 2034; Fiore II 1176; Nys II 394; 
Oppenheim I1 463. 
2. Die geschichtliche Entwicklung. Ne- 
ben v. Martens u. den größeren Handbüchern des 
Völkerrechts noch Goldschmidt, Handb. des Handels- 
rechts 1 (1891); Schaube in Mitteil. des Instituts 
für österr. Geschichtsforschung XIII 338; Lippmann, 
Die Konsularjurisdiktion im Orient (1898). 
3. Die Jurisdiktionskonfuln. Außer 
der zitierten u. in Art. Kapitulation unter 1 an- 
gegebenen Literatur noch: Staude, Die völkerrecht- 
liche Sonderstellung der Jurisdiktionskonsuln in 
der Türkei (1900); Rey, La protection diploma- 
tique dans les Schelles du Lavant et de Barbarie 
(1899); Arminjon, Etrangers et Protégés dans 
Konsumvereine — Konzil. 
  
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TEmpire Ottoman 1 (1903); Strisower, Osterr. 
Staatswörterbuch, Art. „Konsulargerichtsbarkeit“. 
4. Die gemischten u. internationalen 
Gerichte. Savas-Pascha in Strafgesetzgebung 
der Gegenwart 1 (1894) 708; van den Berg, ebd. 
742; Annuaire des Instituts für Völkerrecht V. 
(1882) 132; Férand-Giraud, Les Justices mixtes 
dans les pays hors chrétienté (1884); v. Grünau, 
Die staats= u. völkerrechtliche Stellung Agyptens 
(1903); Patureau-Miraud, Les tribunaux mixtes 
d’ Egypte (1902); Bonnevay, T'organisation ju- 
diciaire de ’Egypte (1902); Schwoerbel in Mit- 
teilungen des Seminars für oriental. Sprachen in 
Berlin IX, 2 (1906), sowie die Aufsätze von Mandel- 
stamm (mit reichem Quellenmaterial bezüglich der 
türkischen Gerichte); Fauchille, Babled, in Revue 
génér. de droit intern. public. XIV 1, 1 126, VI 
341 u. VII 214, sowie von Ferand-Giraud in 
Revue de droit intern. et de Igislation comparée 
XXN70. Ebers.) 
Konsumvereine s. Erwerbs= und Wirt- 
schaftsgenossenschaften. 
Konterbande (im Kriege) s. Neutralität. 
Kontributionen s. Krieg, Kriegsrecht 
(Abschn. X. 4). 
Kontrolle s. Staatshaushalt. 
Konvention s. Staatsverträge. 
Konzil. Mit der allmählichen Begründung 
des kirchlichen Amterorganismus war für die 
Wirksamkeit der Kirche oder für die Ausübung 
der ihr zur Verwirklichung ihres Zweckes über- 
tragenen Gewalt eine nach allen Seiten hin ge- 
festigte und damit ständige, wenn auch, als Ge- 
bilde der geschichtlichen Entwicklung, keine un- 
veränderliche Form geschaffen. Und diese Form 
besteht darin, daß jeder kirchliche Amtsträger die 
ihm kraft seines Amtes zustehende kirchliche Ge- 
walt für sich allein als einzelner in einem fest be- 
grenzten örtlichen Gebiet, in seinem Amtsbezirk 
auszuüben berechtigt und verpflichtet ist. Indes 
können in diesem rechtlich organisierten und regel- 
mäßigen Gange der kirchlichen Wirksamkeit 
Störungen eintreten, Hindernisse und Schwierig- 
keiten entstehen, deren Beseitigung im kirchlichen 
Interesse je nach ihrer Größe und Ausdehnung 
ein gemeinschaftliches Zusammenwirken entweder 
aller Grundträger der kirchlichen Leitungs= und 
Regierungsgewalt oder eines Teiles derselben 
erforderlich macht. Und hierin liegt die zweite 
Form für die Ausübung der kirchlichen Gewalt 
begründet, welche im Gegensatz zu der ersten, der 
Einzelform, die Gemeinschaftsform bildet oder 
die Ausübung der kirchlichen Gewalt in der Ge- 
stalt von Konzilien oder Synoden ist. Offenbar 
trägt dieselbe im Vergleich mit jener den Cha- 
rakter des Außergewöhnlichen; sie kommt nur bei 
einer besondern Veranlassung, auf Grund ein- 
getretener anormaler oder neuer Verhältnisse und 
Zuständlichkeiten zur Anwendung, und zwar mit 
dem Zwecke, jene zu beseitigen und diese zu regeln. 
Diesen Charakter verliert sie auch nicht, wenn in 
ihrer Anwendung, weil gesetzlich vorgeschrieben, 
eine gewisse Regelmäßigkeit eintritt; denn in einem
	        
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