493
gegeben, welche die Staaten der Völkerrechtsgemein-
schaft verbindet. Es können aber einzelne Staaten
noch besonders hierzu autorisiert sein, sei es daß
sie im Einzelfall von den Parteien darum ange-
gangen werden, sei es daß sie vertragsmäßig ver-
pflichtet sind, einem der Streitteile ihre guten
Dienste zu leisten. So bestimmt z. B. der deutsche
Handelsvertrag mit Korea von 1883, es werde,
falls zwischen einem der Vertragsteile und einer
dritten Macht Streitigkeiten entstünden, „der
andere vertragschließende Teil auf ein diesfall-
siges Ersuchen seine guten Dienste leihen und eine
freundschaftliche Erledigung des Streites herbei-
wird (Art. 5), nur, wie dusdrücklich hervorgehoben
zuführen suchen“. Schon bei den Verhandlungen
des Pariser Kongresses im Jahre 1856 wurde dem
Wunsche Ausdruck gegeben, die Mächte sollten in
allen Streitigkeiten die Intervention eines be-
freundeten Staates anrufen, ehe sie an die Waffen
appellierten. Und in der Tat verpflichteten sich die
Vertragsstaaten in Art. 8 des Pariser Vertrages,
bei Streitigkeiten mit der Türkei die Vermittlung
(action médiatrice) der übrigen unbeteiligten
Signatarmächte anzurufen. Im übrigen hatte
jener Wunsch noch die weitere praktische Bedeu-
tung, daß in der Folgezeit wiederholt die angebo-
tene Vermittlung von den Parteien angenommen
wurde, so 1866 nach der Schlacht von Königgrätz
(Napoleon III.), 1867 in der Luxemburger An-
gelegenheit (Rußland), 1869 im griechisch-türki-
schen Konflikte (Preußen), 1909 im bulgarisch-
türkischen Konflikt (Rußland). Nach dem Vorbild
der Pariser Vertragsbestimmung ist in der Folge-
zeit in einer Reihe von Kollektivverträgen für die
betreffenden Staaten die Verpflichtung aufgenom-
men worden, bei Konflikten sich der Intervention
befreundeter Mächte zu bedienen. Von Bedeutung
ist in dieser Beziehung die Kongoakte von 1885,
in welcher die Signatarmächte sich verpflichteten,
einmal ihre guten Dienste zur Durchführung der
Neutralisierung des Kongobeckens anzubieten, so-
baldein Staat, der dort Hoheitsrechtebesitzt, in Krieg
gerate, sodann die guten Dienste einer befreundeten
Macht anzurufen, sobald unter ihnen bezüglich
oder innerhalb des Kongobeckens ein Konflikt ent-
stünde. In Weiterbildung und Verallgemeinerung!
der 1856 und 1885 geäußerten Erwägungen hal
dann endlich das Haager Friedensabkommen von
1899 (Art. 2/8, erneuert durch das Friedensab-
kommen von 1907, Art. 2/8) die guten Dienste
und die Vermittlung zu einer ständigen Institution
des Völkerrechts gemacht. Die Vertragsmächte
kommen in demselben überein, „im Falle einer
ernsten Meinungsverschiedenheit oder eines Strei-
tes, bevor sie zu den Waffen greifen, die guten
Dienste oder die Vermittlung einer befreundeten
Macht oder mehrerer befreundeten Mächte anzu-
rufen, soweit dies die Umstände gestatten werden“
(Art. 2). Dieser immerhin in das Ermessen der
Beteiligten gestellten Pflicht steht das den am
Streit nicht beteiligten Mächten zugesprochene Recht
gegenüber, „aus eignem Antrieb den im Streit
Krieg usw.
494
befindlichen Staaten ihre guten Dienste oder ihre
Vermittlung anzubieten, soweit sich die Umstände
hierfür eignen“, ein Recht, dessen Ausübung „nie-
mals von einem der streitenden Teile als unfreund-
liche Handlung angesehen werden kann“ (Art. 3).
Die Annahme der Vermittlung hat auf die Er-
öffnung oder Fortsetzung der Feindseligkeiten keinen
Einfluß (Art. 7). Aufgabe des Vermittlers ist es,
zwischen den Parteien „die einander entgegen-
gesetzten Ansprüche auszugleichen und Verstim-
mungen zu beheben“ (Art. 4), doch hat seine
Tätigkeit, die mit der Abweisung der von ihm
vorgeschlagenen Mittel der Verständigung beendet
wird, „die Bedeutung eines Rates und niemals
verbindliche Kraft"“ (Art. 6). Das Ergebnis der
erfolgreichen Vermittlung wird in einer Media-
tionsakte niedergelegt.
Neben den guten Diensten und der Vermitt-
lung im allgemeinen hat aber die Haager Kon-
ferenz noch ein neues Mittel friedlicher Beilegung
eines Konfliktes eingeführt: die besondere
Vermittlung (médiation spéciale). Den
Streitteilen steht es frei, „bei ernsten, den Frieden
gefährdenden Streitfragen“ als letztes Mittel zur
Erhaltung desselben je eine befreundete Macht mit
der Aufgabe zu betrauen, mit dem Freunde des
Gegners in unmittelbare Verbindung zu treten,
um den Bruch der friedlichen Beziehungen zu ver-
hüten. Während der Dauer dieses Auftrages, die,
abgesehen von besonderer Vereinbarung, 30 Tage
nicht übersteigen darf, haben die Streitteile sich
jeder unmittelbaren Verhandlung über den Streit
zu enthalten, sie vielmehr ausschließlich den ver-
mittelnden Mächten zu überlassen. Auch falls diese
Bemühungen erfolglos sind, bleiben die betreffen-
den Mächte mit der gemeinsamen Aufgabe betraut,
jede Gelegenheit zu benutzen, um den Frieden
wiederherzustellen (Art. 8).
) Endlich kann, und dieses Mittel gewinnt
mehr und mehr an Bedeutung, die rechtliche Bei-
legung von Streitigkeiten durch Schiedsspruch
erfolgen. Zugänglich sind einer solchen Behand-
lung vor allem solche rechtlichen Konflikte, die eine
Entscheidung nach Rechtssätzen zulassen (vgl. Haa-
ger Friedensabkommen Art. 16, jetzt Art. 38: In
Rechtsfragen und in erster Linie in Fragen der
Auslegung oder Anwendung internationaler Ver-
einbarungen ); hierzu gehören ferner Streitig-
keiten, die aus Verletzung vermögensrechtlicher
Interessen, aus Ersatzansprüchen oder Verletzungen
der Neutralität, der Grenzen, der Gebietshoheit
usw. hervorgehen (Ullmann, Völkerrecht 442).
— Die rechtliche Grundlage für die Befugnis
des Schiedsgerichts bildet der Schiedsvertrag
(compromissum), durch welchen die beteiligten
Staaten sich verpflichten, sich dem Schiedsspruch
des vereinbarten Schiedsrichters zu unterwerfen.
Der bekannteste von den überaus zahlreichen
Schiedssprüchen (uogl. d. Art. Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit II) ist der in dem sog.