Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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boten sei, hat das IX. Haager Abkommen von 
1907 analog den einschlägigen Bestimmungen des 
Reglements für den Landkrieg geregelt. Danach 
dürfen unverteidigte Häfen, Städte, Dörfer, 
Wohnstätten oder Gebäude von der Seeseite aus 
selbst dann nicht beschossen werden, wenn vor 
dem Hafen selbsttätige Kontaktminen gelegt sind 
(Art. 1). Ausgenommen sind jedoch militärische 
Anlagen sowie Werkstätten und Einrichtungen, die 
für die Bedürfnisse von Flotte oder Heer nutzbar 
gemacht werden können, desgleichen im Hafen be- 
findliche Kriegsschiffe. Der Befehlshaber hat in- 
dessen, außer bei zwingenden Gründen, die ein 
sofortiges Handeln notwendig machen, vorher die 
Ortsobrigkeit aufzufordern, innerhalb einer an- 
gemessenen Frist die Anlagen, Kriegsschiffe usw. 
zu zerstören; damit entfällt für ihn die Verant- 
wortung für den durch die notwendig gewordene 
Beschießung etwa entstandenen, nicht beabsichtigten 
Schaden (Art. 2). Nach ausdrücklicher Ankündi- 
gung kann ferner die Beschießung offener Küsten- 
plätze erfolgen, wenn die Ortsbehörde trotz Auf- 
forderung sich weigert, die für die augenblicklichen 
Bedürfnisse der vor der Ortschaft liegenden See- 
streitmacht erforderlichen Lebensmittel oder Vor- 
räte zu liefern (Art. 3). Wegen Nichtzahlung einer 
Geldauflage darf jedoch die Beschießung nicht er- 
solgen (Art. 4). Die Bestimmungen über den 
Schutz det öffentlichen Gebäude, Hospitäler und 
Sammelplätze, die Benachrichtigung vor der Be- 
schießung, das Verbot der Plünderung nach Er- 
stürmung (Art. 5/7) sind konform den Art. 26/28 
des Kriegsreglements. 
e) Ein dem Seekrieg eigentümliches Kriegs- 
mittel ist die kriegerische Blockade, d. h. 
die durch Seestreitkräfte bewirkte Absperrung eines 
Teiles der feindlichen oder vom Feinde besetzten 
Küste, eines Hafens oder einer Flußmündung zum 
Zwecke der Verhinderung der Zufuhr oder Aus- 
fuhr von Waren, der Personenbeförderung, des 
Postverkehrs usw. Die bisherigen Völkerrechts- 
sätze über die Blockade sind jetzt durch die Dekla- 
ration der Seekriegsrechtskonferenz kodifiziert wor- 
den. In derselben ist die Bestimmung der Pariser 
Seerechtsdeklaration über die „Effektivität“ im 
strengen Sinne einer wirklichen Absperrung wieder 
aufgenommen, nachdem die desfallsigen Bemühun- 
gen auf der zweiten Haager Konferenz an dem 
Widerstande Englands gescheitert waren (Art. 2). 
Gleichwohl bleibt die Frage der Effektivität im 
Einzelfalle eine Tatfrage (Art. 3). Der Inhalt 
der Blockadeerklärung und ihrer generellen und 
speziellen Notifikation, die auch an die Lokalobrig- 
keit zu erfolgen hat, ist nunmehr dahin festgesetzt, 
daß der Tag des Beginnes, die Grenzen der 
blockierten Küstenstrecke und die Frist, die den 
neutralen Schiffen zum Auslaufen gewährt werden 
muß, anzugeben ist (Art. 9, 11, 16). Die Unter- 
lassung der generellen Notifikation hat die Unwirk- 
samkeit der Blockade überhaupt, die der speziellen 
Notifikation die Unwirksamkeit dem betreffenden 
Krieg ufw. 
  
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Schiffe gegenüber zur Folge; bei Unterlassung der 
Notifikation der Ortsobrigkeit gegenüber oder bei 
Fehlen der Angabe einer Auslaufsfrist ist neu- 
tralen Schiffen, die den blockierten Hafen verlassen 
wollen, freie Durchfahrt zu gestatten (Art. 8, 11 
bis 17). Von besonderer Wichtigkeit ist Art. 19, 
der die Lehre von der sog. einheitlichen Reise fallen 
läßt, d. h. Schiffe, die sich derzeit auf der Fahrt 
nach einem nicht blockierten Hafen befinden, können 
aus dem Grunde, weil sie eventuell ihre Ladung 
später nach einem blockierten Hafen bringen sollen, 
nicht wegen Blockadebruchs beschlagnahmt werden, 
so daß allein die Papiere des Schiffes, nicht die 
eventuelle weitere Destination des Schiffes oder 
der Ware entscheidet. (Siehe im übrigen d. Art. 
Blockade.) 
5. Bezüglich der Kranken und Verwun- 
deten sind durch das III. Haager Abkommen 
von 1899 die Grundsätze der Genfer Konvention 
von 1864 auf den Seekrieg ausgedehnt und dann 
gemäß der zweiten Genfer Konvention von 1906 
durch das X. Abkommen der zweiten Haager 
Konferenz revidiert worden. Die von den Bestim- 
mungen für den Landkrieg abweichenden Grund- 
sätze sind folgende: 
a) Derjenige, der das Schiff nimmt, 
hat die an Bord befindlichen kranken und ver- 
wundeten, militärischen und dienstlichen Personen, 
aber auch die Schiffbrüchigen, ohne Unter- 
schied der Nationalität, zu achten und zu versorgen 
(Art. 4, 11). 
b) Als Sanitätsanstalten kommen in 
Betracht die Lazarettschiffe, und zwar drei Arten, 
die militärischen, d. h. die vom kriegführenden 
Staate ausgerüsteten Lazarettschiffe, die von Pri- 
vaten oder amtlich anerkannten Hilfsgesellschaften 
des kriegführenden Staates und die von solchen 
eines neutralen Staates ausgerüsteten Lazarett- 
schiffe. Dieselben sind den kriegführenden Mäch- 
ten mit Namen zu nennen und durch beson- 
dern Anstrich und das Konventionszeichen neben 
der Nationalflagge der betreffenden Kriegspartei 
kenntlich zu machen. Die Lazarettschiffe der zweiten 
und dritten Gruppe bedürfen zudem der amtlichen 
Bescheinigung der betreffenden Kriegspartei, die 
der dritten Gruppe auch der Einwilligung ihres 
Heimatstaates (Art. 1½/3, 5). Die Lazarettschiffe 
genießen unbedingten Konventionsschutz, dürfen 
nicht zu militärischen Zwecken verwendet, bei Auf- 
enthalt in neutralen Häfen nicht als Kriegsschiffe 
behandelt werden (Art. 1, 4). Neutrale Schiffe 
und Boote, welche Kranke und Verwundete an 
Bord nehmen, stehen unter besonderem Schutz, so- 
fern sie nicht die Neutralität verletzen (Art. 9). 
Im Falle eines Kampfes an Bord sind die La- 
zarelte nach Möglichkeit zu schonen (Art. 7). 
c) Das geistliche, ärztliche und La- 
zarettpersonal eines weggenommenen Schiffes 
genießt dieselbe rechtliche Stellung, wie sie den 
betreffenden Personen für den Landkrieg zugesichert 
ist (Art. 10).
	        
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