529
duktion werden vom Standpunkte der gegenwär-
tigen Wirtschaftsordnung die Industriekartelle
empfohlen; aber auch von ihnen kann eine völlige
Beseitigung der Krisen nicht erwartet werden,
namentlich dann nicht, wenn sie keine Weltmarkts-
kartelle sein sollen. Als Vorbeugungsmittel werden
weiter besonders empfohlen ein stetiger Ausbau
der Transporteinrichtungen, eine Politik der Han-
delsverträge, welche die zollpolitische Situation
vor jähen Wechselfällen sichert, ein solides Geld-,
Bank-, Kredit= und Aktienwesen, konsequent durch-
geführte Gewerbefreiheit und Freizügigkeit, über-
haupt Erziehung der Volkswirtschaft zur Freiheit
und Selbständigkeit und ähnliches; als Heilmittel
unter anderem: Aufschließung des Schatzes und
Reservefonds der Banken, Errichtung von Dis-
konto= und Darlehenskassen, Warenvorschußkassen,
Kreditgenossenschaften, Darlehen von seiten des
Staates, Suspension der Schuldgesetze. Ohne
genaue Kenntnis der Ursachen indessen wird von
diesen Mitteln kaum ein Erfolg zu erhoffen sein.
Als bedeutende Krisen der letzten drei
Jahrhunderte seien genannt: die Krisis nach der
Tulpenmanie in Holland 1637 (Börsenkrisis),
die englische Geldkrisis von 1696; die Krisis
nach der Schwindelperiode John Laws 1720
(Spekulationskrisis); die Assignatenkrisis 1793
bis 1796; die kuglische nach den Freiheitskriegen
1815 und die von 1825 (beide infolge von Über-
produktion); die Agrarkrisen von 1822, 1837,
1847 (die beiden ersten infolge überreicher Ernten,
die letzte als Folge einer Mißernte, diese auch in
fast allen Kulturstaaten); die nordamerikanische
von 1857, die auch Europa ergriff (infolge von
Üüberproduktion); die österreichisch-deutsche von
1873 (die schwerste des 19. Jahrh., Überproduk-
tion und Gründungskrisis); die in Frankreich von
1882 (Gründungskrisis). Im Jahre 1900 nahm
eine internationale wirtschaftliche Krisis ihren An-
fang, ergriff aber die verschiedenen Länder in sehr
ungleichem Maße, war auch offenbar nicht gleich-
mäßigen Ursprungs. Am meisten wurden da-
von Rußland, die Vereinigten Staaten von
Amerika und Deutschland betroffen. In der
Hauptsache war es eine industrielle Krisis, in
Rußland kam aber noch eine schwere Agrarkrifis
hinzu. Deutschland im besondern hatte seit dem
Inkrafttreten det Handelsverträge des Jahres
1894 einen sehr bedeutenden wirtschaftlichen Auf-
schwung genommen. Es fand eine Vermehrung
der Produktion statt, mit der der Verbrauch nicht
gleichen Schritt zu halten vermochte, so daß eine
Erschütterung nicht ausbleiben konnte. Hinzu trat
die in Zeiten einer Hochkonjunktur gewöhnliche
Überspannung der Spekulation, und so ent-
wickelte sich hier, lediglich aus innerdeutschen
Marktverhältnissen, ohne Hinzutritt internationaler
Ursachen, eine intensive Produktions= und Absatz-
krisis. Die Krisis war im allgemeinen von kurzer
Dauer; schon im Jahre 1902 machte sich ein be-
deutender Aufschwung geltend, der bis 1907 an-
Kuba.
530
hielt. Dann aber hat eine allgemeine internatio-
nale Depression eingesetzt, deren Ende noch nicht
abzusehen ist. Beginnend in Nordamerika und
äußerlich zusammenfallend mit dem dort ein-
getretenen Kupferkrach, aber kausal zusammen-
hängend mit der Geldknappheit, griff sie auch nach
Europa über und verursachte auch hier, nament-
lich in Deutschland, einen sehr starken Umschwung.
Das Bestreben Nordamerikas, in seiner Geld-
knappheit das europäische Gold an sich zu ziehen,
verursachte in Europa, das schon in den vorauf-
gegangenen Jahren Milliarden an Rußland ab-
gegeben hatte, gleichfalls eine noch nicht dagewesene
Geldteuerung, die auf alle wirtschaftlichen Ver-
hältnisse niederdrückend einwirkte und namentlich
die Produktion in einem Maße lähmte und mit
Mißtrauen in den Bestand der günstiger werden-
den Verhältnisse erfüllte, daß sie trotz Besserung
auf dem Geldmarkte zu einer rüstigen Vorwärts-
bewegung noch immer nicht gelangen kann.
Literatur. Art. „K.“ im Handwörterbuch
der Staatswissenschaften u. im Wörterbuch der
Volkswirtschaftslehre; Max Wirth, Geschichte der
Handelskrisen (11890); E. v. Bergmann, Gesch. der
nationalökon. K.theorien (1895); v. Jugan-Ba-
ranowski, Studien zur Gesch. u. Theorie der Han-
delskrisen in England (1901); L. Pohle, Bevölke-
rungsbewegung, Kapitalbildung u. periodische
Wirtschaftskrisen (1902); Die Störungen im deut-
schen Wirtschaftsleben während der Jahre 1900 ff;
Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd 105
bis 112 (1903); Karmin, Zur Lehre von den Wirt-
schaftskrisen (1905); Bouniatian, Studien zur
Theorie u. Gesch. der Wirtschaftskrisen; 1: Wirt-
schaftskrisen u. überkapitalisation (1908); II: Ge-
chichte der Handelskrisen in England 1640/1840
(1908); weitere Bände sollen folgen.
[Wellstein.]
Kuba. 1. Geschichte. Kuba wurde am
28. Okt. 1492 von Kolumbus auf seiner ersten
Fahrt entdeckt und ursprünglich Juana genannt,
1508 von Sebastian de Ocampo näher erforscht
und als Insel erkannt, 1511 durch Diego Ve-
lasquez der spanischen Herrschaft unterworfen
(Gründung von Baracoa, 1514 von Trinidad
und Santiago de Cuba, 1529 von Habana). Die
Insel blieb, da sie bei ihrem geringen Reichtum
an Edelmetallen für den spanischen Staatsschatz
verhältnismäßig wenig abwarf, lange Zeit unent-
wickelt, diente aber (besonders Habana, das 1552
Hauptstadt wurde) als wichtiger Stützpunkt für
die Unternehmungen gegen Mexiko, Mittelamerika,
Florida und das Mississippigebiet. Die spanischen
Ansiedler bauten ursprünglich nur die zu ihrem
Unterhalt notwendigen Nutzgewächse an; der An-
bau von Tabak zu Handelszwecken begann auf
Kuba erst gegen Ende des 16. (Ausfuhr um 1700
kaum 1000, um 1750 an 20000 Zentner), der von
Zuckerrohr und Kaffee nach Mitte des 18. Jahrh.
Die Urbevölkerung, Indianer aus der Gruppe der
Arrowaken, waren nicht imstande, die von den
Spaniern geforderten Frondienste zu leisten und
—