Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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(iudices palatini), obwohl nur im Besitz der 
niederen Weihen, bald zu den einflußreichsten 
Personen gehörten, da sie an die Spitze der wichtig- 
sten Verwaltungszweige gelangten. Hierzu kamen 
noch die eigentlichen Hofbeamten, wie der vice- 
dominus, vesterarius, bibliothecarius und vor 
allem die Pfalzdiakone, -subdiakone und ako- 
luthen unter dem archidiaconus palatinus zur 
Assistenz bei gottesdienstlichen Handlungen des 
Papstes. — Die Angesehensten der stadtrömischen 
Geistlichkeit waren die 6 diaconi palatini, die 
diaconi regionarii, später 12 an der Zahl, und 
die archipresbyteri der 28 tituli. Seit dem 
6. Jahrh. werden sie dann diaconi bzw. presby- 
teri cardinales genannt, während die zur Stell- 
vertretung des Papstes bei den Pontifikalien an 
der Laterankirche sowie für Beratung der wich- 
tigeren Angelegenheiten berufenen Bischöfe der 
römischen Metropolitanprovinz (von Ostia mit 
Velletri, Porto mit S. Rufina, Albano, Sabina, 
Tusculum (Frascati] und Präneste) die Bezeich- 
nung episcopi cardinales erhalten. Entscheiden- 
den Einfluß gewinnen die Kardinäle zusammen 
erst später, als ihnen von Nikolaus II. (1059) 
und Alexander III. (1179) das Papstwahlrecht 
eingeräumt worden war und sie nach Aufhören 
der römischen Synoden die ausschließlichen Be- 
rater des Papstes wurden. Bis dahin lag das 
Schwergewicht der Leitung der römischen und all- 
gemeinen Kirche in den Synoden, auf denen die 
Kardinäle bis ins 11. Jahrh. hinein wie die 
übrigen Mitglieder des Presbyteriums nur be- 
ratende Stimme hatten; die laufenden Geschäfte 
aber wurden durch die Pfalzrichter erledigt. 
Seit Mitte des 12. Jahrh. tritt hier eine ein- 
schneidende Anderung ein. Die Päpste erledigten 
nunmehr die wichtigeren Angelegenheiten aus- 
schließlich mit Hilfe der Kardinäle in den sog. 
Konsistorien ohne Hinzuziehung der übrigen 
Stadtgeistlichkeit, an die Stelle der Pfalzrichter 
aber traten neue Behörden unter der Leitung der 
Kardinäle. So begegnet uns schon zu Beginn des 
11. Jahrh. ein Kardinal an der Spitze der Apo- 
stolischen Kanzlei, bibliothecarius, dann 
cancellarius genannt, desgleichen etwas später ein 
Kardinal als camerarius an der Spitze der 
Kurie. 
  
Camera apostolica, welche die oberste 
Finanzbehörde für das Gesamtgebiet der kirchlichen 
Verwaltung und die oberste Regierungsbehörde 
für den Kirchenstaat war, zugleich aber auch Ge- 
richtsbarkeit über die mit der Verwaltung zusam- 
menhängenden Prozesse sowie allgemein über die 
Kurialbeamten besaß. Zu Beginn des 12. Jahrh. 
organisierte sich das Kollegium der poeniten- 
tiarii apostolici, denen die Lossprechung 
von den dem Papste reservierten Sünden und die 
Erteilung der pro foro interno erforderlichen 
Dispensen übertragen war. Seit dem 13. Jahrh. 
standen sie unter der Leitung des Kardinal-Groß- 
pönitentiars. Für die Expedition der Gnadensachen 
  
in foro externo, Dispensen, Privilegien usw. 
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wurde wohl im 14. Jahrh. von der Apostoli-- 
schen Kanzlei die Dataria apostolica so- 
wie nach Aufkommen der päpstlichen Breven das 
Sekretariat der Breven abgezweigt. In- 
folge der immer zahlreicher werdenden Prozesse, 
welche die Konsistorien nicht mehr erledigen konn- 
ten, wurden dann Anfang des 14. Jahrh. die schon 
früher eingesetzten Instruktionsrichter (auditores 
sacri palati) zu dem Gerichtshof der 8acra 
Rota romana vereinigt. Nicht viel später 
schuf man die Signatura, die im 16. Jahrh. 
in die Signatura iustitiae und Signatura gra- 
tiae getrennt wurde. Ihre Aufgabe bestand darin, 
die an den Papst einlaufenden Rechts= und 
Gnadengesuche zu prüfen und sie den zuständigen 
Behörden zu überweisen bzw. abzulehnen. — Bis 
zu Beginn des 14. Jahrh. hatte sich also an der 
Kurie neben den Konsistorien ein umfangreicher 
Behördenorganismus entwickelt, neben die Kar- 
dinäle war die „Prälatur“ getreten, d. h. eine 
Klasse von bevorrechtigten Geistlichen, die den Be- 
amtenstab der einzelnen Behörden bildeten. Für 
den innern Ausbau und den Geschäftsgang der 
einzelnen Behörden erließen die Päpste seit Jo- 
hann XXII. eine lange Reihe von Ordnungen 
und Regeln, von denen insbesondere die „Kanzlei- 
regeln“ von größter Bedeutung geworden sind. 
Als in der Folgezeit die Masse der kirchlichen 
Angelegenheiten allmählich einen derartigen Um- 
fang annahm, daß sie von dem Konsistorium 
und den Kurialbehörden nicht mehr erledigt wer- 
den konnte, ergab sich die Notwendigkeit, die Kon- 
sistorialgeschäfte zu teilen. Bereits früher waren 
vorübergehend Kardinalskommissionen zur Erledi- 
gung bestimmter Arbeiten eingesetzt worden. Das 
legte den Gedanken nahe, diese Congregationes 
extraordinariae in ständige, ordinariae, mit 
festem Geschäftskreis umzuwandeln. Zuerst setzte 
Paul III. im Jahre 1542 in dieser Weise das 
Offizium der Inquisition ein, dem bald drei 
weitere folgten. Sixtus V. aber erließ dann, um 
die Früchte der tridentinischen Reform der Kirche 
dauernd zu erhalten, in der Bulle Immensa 
aecterni Dei vom 22. Januar 1587 ein organi- 
ches Statut für 15 derartige Kommissionen, die 
er als Kardinalskongregationen bezeich- 
nete und denen er die Leitung der obersten kirch- 
lichen Angelegenheiten übertrug. Und diese Or- 
ganisation hat sich, wenn auch spätere Päpste 
manche Kongregationen aufhoben oder aber neue 
hinzufügten, bis auf den heutigen Tag in ihren 
Grundzügen erhalten. Das Schwergewicht der 
Leitung und Regierung der Kirche ruhte nunmehr 
in den einzelnen Kongregationen, auf welche 
die an Umfang immer mehr wachsenden Geschäfte 
der bisherigen Konsistorien übergingen. An sich 
reine Verwaltungsbehörden, erlangten sie allmäh- 
— 
lich in steigendem Maße auch richterliche Gewalt 
über streitige und Strafsachen, so daß die eigent- 
lichen Gerichtshöfe (Apostolische Kammer, Rota 
und Justizsignatura als Kassationsgerichtshof)
	        
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