Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Dispensrecht von den feierlichen Gelübden, der 
Zölibatspflicht der Majoristen. Diese sind ihr 
1908 wieder genommen. Dafür ist aber ihre Zu- 
ständigkeit auf das Ablaßwesen ausgedehnt wor- 
den. Ihre Kompetenz ergibt sich aus ihrer Auf- 
gabe: der Schutz der Glaubens= und Sittenlehre. 
Infolgedessen ist sie für alle Fragen des Dogmas 
und der Moral zuständig, entscheidet über die Zu- 
lässigkeit theologischer Lehrmeinungen und urteilt 
in letzter Instanz über die Verbrechen der Häresie 
und alle damit zusammenhängenden Delikte, wie 
z. B. Apostasie, Gotteslästerung, Wahrsagen usw. 
Das Ablaßwesen steht ihr in seiner Gesamtheit 
zu, sowohl quoad doctrinam als auch quoad 
usum (Vorgehen gegen Mißbräuche, Erteilung 
neuer Ablässe); des weiteren fällt sie Entscheidung 
bezüglich des privilegium Paulinum und der 
Ehehindernisse der Religions= und Konfessions- 
verschiedenheit, wie über alles das, was sich auf 
die dogmatische Lehre von den Sakramenten be- 
zieht. Bei Kompetenzstreitigkeiten trifft sie von 
allen Kongregationen allein selbständig die Ent- 
scheidung, ob eine Angelegenheit vor ihr Forum 
gehört oder nicht. — In ihrer Organisation setzt 
sich das S. Offücium nach dem Stande vom 1. Jan. 
1909 zusammen aus 9 Kardinälen, von denen 
einer den Titel des Sekretärs trägt, 2 Prälaten 
mit dem Amt des Assessors zur Führung der 
Sekretariatsgeschäfte und des Kommissars, der als 
Instruktionsrichter fungiert, 26 Konsultoren, von 
denen 2 als socii commissarü fungieren, ein 
dritter advocatus fiscalis, ein vierter advocatus. 
reorum (Offizialverteidiger) ist, ferner 4 Quali- 
fikatoren, d. h. Fachgelehrten, denen die Prüfung 
einer theologischen Lehre oder Lehrmeinung über- 
tragen wird, und 9 Offizialen (Unterbeamten). 
Für die Ablaßsektion sind ein besonderer Prälat 
als Substitut, der an dem Kongreß noch neben 
dem Assessor und dem Kommissar teilnimmt, so- 
wie 6 Offiziale eingesetzt. Alle Mitglieder und 
Beamten sind auf Grund eines besondern Eides 
zu strengstem Stillschweigen (secretum S. Officii) 
bei Strafe der dem Papste specialissimo modo 
reservierten excommunicatio latae sententiae 
verpflichtet (Sap. Cons. I, 1; Norm. pec. 
. VII, art. 1 und art. 2, 8 4; Index prae- 
positorum et officialium in Romana Curia 
Lácta Apostolicae Sedis 1 109 f). 
2. An zweiter Stelle folgt die Congregatio 
Consistorialis, die von Sixtus V. zur 
Vorbereitung der Konsistorialakte gegründet war, 
dann aber von ihrer ursprünglichen Bedeutung 
viel verlor, bis Pius X. ihre alte Zuständigkeit 
nicht nur wiederherstellte, sondern sogar in nicht 
geringem Maße erweiterte. Die Kongregation 
zerfällt in zwei Abteilungen: die erste hat die 
Konsistorialakte vorzubereiten und ist infolgedessen 
für alles das kompetent, was sich auf den äußern 
Bestand der Bistümer bezieht, näherhin für die 
Errichtung, Teilung und Vereinigung von Bis- 
tümern, die Wahl, Ernennung, Translation, 
Kurie. 
  
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Resignation von Bischöfen, Bestellung von Weih- 
bischöfen und Koadjutoren, Verleihung des Pal- 
liums, die Ansage und Durchführung des Infor- 
mativ-bzw. Definitivprozesses sowie die Prüfungen 
der Bischofskandidaten für Italien. Handelt es 
sich um Bistumsgründungen oder Sesetzungen 
außerhalb Italiens, dann gehen die Akten erst an 
das Staatssekretariat, das sie nach Bearbeitung 
an unsere Kongregation weitergibt. Darüber hin- 
aus ist nunmehr der Konsistorialkongregation auch 
die Errichtung von Kathedral= und Kollegiat- 
kapiteln unterstellt. Die 1908 errichtete zweite 
Abteilung ist mit der Oberaufsicht über die Ver- 
waltung der Bistümer bötraut, die sich in der Kon- 
trolle über die Erfüllung der bischöflichen Pflichten, 
der Überprüfung der Berichte über den Zustand 
der Diözesen, der Abhaltung von apostolischen 
Visitationen, der obersten Leitung der bischöflichen 
Seminarien äußert. In ihrer Gesamtheit bil- 
det schließlich die Kongregation den Gerichtshof 
zur Entscheidung von Kompetenzkonflikten für alle 
Kongregationen mit Ausnahme des S. Offcium 
(ogl. z. B. Acta Apostolicae Sedis 1 148 ff. 
— Ihre Verfassung weist zur Zeit auf: 15 Kar- 
dinäle, von denen einer der Sekretär ist und zu 
denen der Kardinalsekretär des S. Offcium und 
der Kardinal-Staatssekretär von Amts wegen ge- 
hören, 2 Prälaten, nämlich den Assessor zur 
Führung der Sekretariatsgeschäfte, der zugleich 
Sekretär des Kardinalskollegiums ist, und seinen 
Substituten, ferner 11 Konsultoren, zu denen der 
Assessor des S. Oflicium und der Sekretär der 
Congr. pro neg. eccl. extraord. ex oflicio ge- 
hören, und schließlich 10 Offiziale. Die Be- 
amten der Kongregation sind gleichfalls zum se- 
cretum S. Officü verpflichtet (Sap. Cons. 1.2; 
Norm. pec. c. VII, art. 2; Index a. a. O. 111#). 
3. Die dritte Kongregation ist die von Pius X. 
neu errichtete Congregatio de disciplina 
Sacramentorum. Ihre Kompetenz erstreckt 
sich auf die Verwaltung der Sakramente, während 
die das Dogma oder den Rims berührenden 
Fragen ihrem Ressort entzogen sind. Im ein- 
zelnen steht ihr zu: das volle Gesetzgebungsrecht, 
die Erteilung von Ehedispensen in foro externo, 
sanatio in radice, dispensatio super matri- 
monio rato et non consummato, Trennung 
von Tisch und Bett, Legitimation, die Gewährung 
der Dispense von Weihehindernissen und Be- 
freiung von den geistlichen Standespflichten der 
Weltgeistlichen, die Dispens bezüglich Zeit, Ort 
und Bedingungen des Empfanges der Sakra- 
mente, ferner die Entscheidung im Verwaltungs- 
streitverfahren (in linea disciplinari) — ist ein 
strenges Prozeßverfahren erforderlich, dann gehört 
die Sache vor die Rota — über die Gültigkeit der 
Spendung der Sakramente, insbesondere der hei- 
ligen Weihen oder der Ehe. — In ihrer Ver- 
fassung hat die Kongregation neben dem Kardinal- 
präfekten 9 Kardinäle, 1 Sekretär, 3 Untersekre- 
täre, von denen der eine die Ehedispensen, der
	        
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