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Zusammengehörigkeit mit den grundbesitzenden
Klassen. Von einer Konzentration des Grund-
besitzes in wenigen Händen und demgemäß auch
einer Konzentration der Arbeiter zu großen Massen
kann man in der neueren Zeit, in der gerade die
kleinen Wirtschaften zunehmen, nicht sprechen.
Ebensowenig gibt es eine Überproduktion in
landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche einer ge-
werblichen Uberproduktion in ihren Gründen und
Wirkungen gleichzusetzen wäre.
Während das Gewerbe, ohne Beschränkung
durch Zeit und Ortlichkeit, seine Waren im Regel-
falle fortgesetzt erzeugt und dem Markte zuführt,
wird das Ergebnis der ländlichen Arbeit meist
nur einmal (Ernte) gewonnen. Es ist zudem für
den Lebensunterhalt des Volkes unbedingt not-
wendig; seine Sicherung liegt daher im unmittel-
baren Daseinsinteresse aller Stände, was von
gewerblichen Erzeugnissen im allgemeinen nicht
gesagt werden kann. Die landwirtschaftliche Ar-
beit und ihr Ergebnis ist durch den Wechsel der
Jahreszeiten, die Witterungsverhältnisse, den Ein-
fluß des Klimas, der geographischen Lage des ein-
zelnen Betriebes bedingt. Je nach den Jahres-
zeiten ist die Arbeit verschieden: Bodenpflege, Be-
stellung, Saatpflege, Ernte, Drusch; die Länge
der Tage ist auf die Länge der Arbeitszeit von
Einfluß; der Winter bringt weniger Arbeit wie
die übrigen Jahreszeiten; die Witterung kann
Arbeitsbedarf und Arbeitsmöglichkeit beeinflussen
(Regentage, andauernde Trockenheit). Die klima-
tischen Verhältnisse bedingen die Dauer der Ar-
beitsperioden (kurze Vegetationsperiode, lang-
dauernde Winterfröste im Osten, späterer Vege-
tationsbeginn, längere Dauer des Wachstums in
Höhenlagen). Manche Arbeiten werden am besten
zu bestimmten Tageszeiten ausgeführt. Neben
Zeiten mit verhältnismäßig wenig Arbeit (Win-
ter) finden sich solche mit besonders großer Ar-
beitsanhäufung (Ernte), die durch unregelmäßige
Witterung noch gesteigert werden kann. Alle diese
Punkte machen die Durchführung eines allgemeinen
Maximalarbeitstages sehr schwierig. In der Regel
wird in den Zeiten der Hauptarbeitsperiode durch-
schnittlich 12 Stunden, im Winter 7/9 Stunden
gearbeitet. Zur Bewältigung der Erntearbeiten
erweisen sich auch Uberstunden als nötig. Jedoch
ist zu verlangen, daß dem Arbeiter in den Wochen-
tagen Zeit bleibt, seine eigne Wirtschaft zu be-
schicken, damit er nicht, wie das mehrfach der Fall
ist, genötigt wird, hierzu den Sonntag zu ver-
wenden. Im übrigen wird die Sonntagsruhe in
der Regel gehalten. Ein Maximalarbeitstag ließe
sich am ehesten bei der Viehwartung einführen,
die verhältnismäßig gleichartige Arbeiten ver-
langt. Dabei ist auf die Einführung einer an-
gemessenen Sonntagsruhe Gewicht zu legen. In
der Abwechslung der ländlichen Tätigkeit sowie
darin, daß sie meist im Freien stattfindet, liegt
vom gesundheitlichen Standpunkte ein gewisses
Korrektiv gegen einen längeren Arbeitstag, wie
Landarbeiter.
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daraus auch das Fehlen besonderer, gewerblicher
Krankheiten sich erklärt.
Die Aushilfe der Kinder läßt sich in manchen
kleinen Betrieben kaum entbehren. Sie hat auch
dort, wo die Eltern die Betriebsleiter sind, we-
niger Bedenken, da diese ein natürliches Interesse
an der körperlichen und geistigen Entwicklung
ihrer Kinder haben. Anders liegt es aber, wo
Kinder in fremden Betrieben, zwecks Gelderwerbs
beschäftigt werden (Hütekinder, Aushilfe bei dem
NRübenziehen, Unkrautjäten). Hier wäre dafür zu
sorgen, daß die Kinder nicht durch lange Dauer
oder die Art der Arbeit körperlich, durch gleich-
zeitige Beschäftigung mit Erwachsenen und dem
andern Geschlecht sittlich, durch Vernachlässigung
der Schulpflichten geistig und erzieherisch ge-
schädigt werden.
Die starke Zunahme der Frauenarbeit
legt die Frage ihrer Reglung wiederum näher.
Auch hier wird man, soweit sie in der eignen Fa-
milie erfolgt, weniger Bedenken haben. Eine Er-
mittlung der näheren Umstände wird im übrigen
zeigen müssen, welche Mittel zur Vermeidung ge-
sundheitlicher und sittlicher Schädigungen sowie
zur Erhaltung des Familienlebens wünschenswert
sind. Jedenfalls werden auch die Bestrebungen
zur Hebung des hauswirtschaftlichen Unterrichts
besonders unterstützt werden müssen.
Der Zustand der Wohnungen der länd-
lichen Arbeiter wird häufig erörtert. Man wird
einerseits zugeben müssen, daß manche Wohnungen
für Arbeiter oder Schlafgelegenheiten für Gesinde
den an sie zu stellenden Anforderungen nicht ent-
sprechen, daß aber auch anderseits sowohl von den
Arbeitgebern wie vom Staate durch Erlaß von
Polizeiverordnungen manches geschehen ist. Vom
sittlichen Standpunkte ist auf die richtige Unter-
bringung der Scharwerker in den Instenfamilien
und der Wanderarbeiter Gewicht zu legen.
Die Gewährung eines Naturallohnes
ist häufig zweckmäßig und liegt im Interesse des
Arbeitgebers wie des Arbeiters. Der landlose
Arbeiter, dem Land und die Möglichkeit eigner
Viehhaltung gegeben wird, um daraus die un-
mittelbaren Lebensbedürfnisse zu gewinnen, erhält
dadurch eine gewisse Selbständigkeit. Er wirt-
schaftet auch billiger als bei Barlohn, da auf dem
Lande die Lebensmittel meist schwieriger und auch
teurer zu kaufen sind als in den größeren Städten,
der Arbeiter sie auch öfter vom Gutsherrn kaufen
müßte, was zu Mißständen, wie bei dem gewerb-
lichen Trucksystem, führen könnte. Das Deputat
müßte dabei aber auskömmlich gewährt werden.
Bestimmungen wie die, daß das nicht verbrauchte
Deputat an die Herrschaft zurückfällt, oder der
Ersatz der eignen Kuhhaltung durch Einstallung
der Leutekuh im Gutsstalle, oder gar nur die Ge-
währung eines Milchdeputats, bieten dem Arbeit-
geber nur geringen Vorteil und wirken wegen
#ihrer ausgesprochenen Tendenz verbitternd. Beie
der Feststellung des Barlohnes ist zu berücksichtigen,