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Maßregeln als im allgemeinen Interesse geboten
erscheinen, welche auf wirksame Vermehrung der
inländischen Produktion bezüglich der unentbehr-
lichsten Nahrungsmittel abzielen, womit zugleich
der inländischen Landwirtschaft kräftige Beihilfe
im Konkurrenzkampfe mit dem Auslande gewährt
werden kann. Gerade die wichtigsten Unter-
nehmungen in der Förderung der Kultur können
aber nur im großen ausgeführt und erhalten
werden; ihre Herstellung übersteigt zumeist die
finanziellen Kräfte des einzelnen, zum Teil hin-
dern ihn auch entgegenstehende Rechte anderer
Personen, welche sich dem Unternehmen nicht
sügen wollen. Diese Erwägungen haben in den
meisten geordneten Staaten zu besondern Kultur-
gesetzen geführt, wodurch einerseits die freie Be-
nutzung des Eigentums im Interesse des allge-
meinen Nutzens nicht unwesentlich modifiziert, ja
sogar negiert, anderseits den Beteiligten die
Landeskulturgesetzgebung.
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lichster Tätigkeit bildet die Landeskultur ferner
für die Organe der staatlichen Verwaltung;
ihre Anregung und ihre wohlwollende Teilnahme
wird in vielen Fällen entscheiden, ob die Hilfe der
Gesetzgebung bei den Beteiligten Verständnis und
willkommene Aufnahme findet. Daß der Ver-
waltungsbeamte hierbei des Beirats der zunächst
interessierten Kreise nicht entbehren kann, braucht
nicht besonders hervorgehoben zu werden; ebenso-
wenig die große Unterstützung, welche seine Tätig-
keit durch die Organisation der landwirtschaft-
lichen Bevölkerung in Vereinsverbänden findet.
Die Bestrebungen solcher Vereinigungen mit voller
Aufmerksamkeit und Sorgfalt fördern wird zu-
meist mit der Förderung der Landeskultur selbst
gleichbedeutend sein.
Die einschlägige Gesetzgebung nach ihrer
nunmehrigen Gestaltung in den einzelnen deutschen
Staaten oder ihren geschichtlichen Entwicklungs-
Durchführung von Unternehmungen erleichtert gang des näheren darzustellen, ist hier nicht mög-
und ermöglicht wird, welchen sie, allein und ein- lich; es muß genügen, die hauptsächlichsten Mo-
zeln genommen, wirtschaftlich und rechtlich nicht mente der landwirtschaftlichen Kultur zu be-
gewachsen sind.
Ein allgemeines Landeskultur gesetz freilich,
welches in systematischem Aufbau alle hier maß-
gebenden Gesichtspunkte umfassen würde, erscheint
rühren, welche die staatliche Gesetzgebung zu be-
rücksichtigen hat, und die Wege anzudeuten, auf
denen sie ihr Ziel zu erreichen hoffen kann. Nicht
unerwähnt kann hierbei der mächtige Einfluß
als unlösbare Aufgabe. Der Zweck des staat= bleiben, welchen die Agrargesetzgebung eines Lan-
lichen Eingreifens, nämlich Schutz des landwirt-
schaftlichen Besitzes und Betriebes, Beseitigung
der Hemmnisse, welche dem Kulturfortschritt sich
entgegenstellen, läßt sich nur anstreben auf dem
Wege der Einzelgesetzgebung. Diese vermag
unter Anpassung an die örtlichen und zeitlichen
Verhältnisse den wahren Bedürfnissen am besten
zu entsprechen. Der jeweilige Wirtschaftsbetrieb,
die Lage der Grundstücke, welche in die Kultur
einbezogen werden sollen, zum allgemeinen Markte
oder zu den Straßen des Verkehrs, namentlich die
Möglichkeit, den Unternehmungen Kapital unter
günstigen Verhältnissen zuzuführen, sind Punkte,
welche bei der Frage, ob kultiviert werden soll,
volle Berücksichtigung finden müssen. Daß der
Staat neben den andern Faktoren des öffentlichen
Lebens bezüglich der Verkehrswege zum größten
Vorteile der Allgemeinheit fördernd eingreifen
kann und soll, steht außer Zweifel; daß auch be-
züglich der finanziellen Erleichterung der Unter-
nehmungen sein tätiges Mitwirken notwendig und
wünschenswert ist, soll unten gezeigt werden.
Sonst muß naturgemäß die unmittelbare Staats-
hilfe auf ein sehr enges Gebiet beschränkt bleiben.
Die Hauptaufgabe fällt dem genossenschaft-
lichen Wirken zu, welches ja auch auf andern
Gebieten der Volkswirtschaft seine fruchtbare Kraft
in zunehmender Stärke beweist. Dem Staate muß
alles daran gelegen sein, die Bildung von Ge-
nossenschaften zum Zwecke der Bodenkultur, der
Förderung der Landwirtschaft überhaupt möglichst
zu erleichtern und die bestehenden Genossenschaften
in ihrem dem allgemeinen Wohle dienenden Wirken
Möglichst zu unterstützen. Ein weites Feld ersprieß-
des auch auf die Gesetzgebung in unserer Frage
äußert. Die Gesetze, welche sich mit dem Anerben-
recht des Bauernstandes, mit dem System der
Rentengüter (z. B. in Preußen), mit der Ablösung
und Fixierung der Grundlasten, mit der Aus-
übung und Ablösung des Weiderechts befassen,
ferner die Forst= und Jagdgesetze, Wildschadens-
gesetze, Feldpolizeigesetze, auch die Gesetze bezüglich
der Gemeindegrundteilungen, bezüglich der Ver-
sicherung, insbesondere Brandversicherung, Hagel-
versicherung, Viehversicherung, wirken mit Not-
wendigkeit auf die eigentliche Kulturgesetzgebung
ein. Diese selbst erstrebt im wesentlichen die
Durchführung von Meliorationen, welche den Er-
trag des einheimischen Grund und Bodens er-
höhen. Insbesondere sind hierbei die das Land
durchziehenden Wasseradern Gegenstand der staat-
lichen Gesetzgebungspolitik.
Für den Landwirt ist das Wasser bald ein
mächtiger Bundesgenosse bei der Kulturarbeit,
bald ein für den einzelnen unbesiegbarer Wider-
sacher derselben. Die befruchtende, aber auch zer-
störende Wirkung des Elementes kommt zumeist
der Gesamtheit zugute oder bedroht die Allge-
meinheit mit Schaden (ogl. die Einrichtung von
hydrotechnischen Bureaus bei den Zentralbehörden,
die neueste Gesetzgebung über Hochwasserschutz.
z. B. das schlesische Hochwasserschutzgesetz vom
3. Juli 1900, Ausgabe von Seherr-Thoß, bayr.
Bekanntmachung vom 1. Jan. 1902, über Hoch-
wassernachrichtendienst im Donaugebiet). Bei
seiner Beweglichkeit nehmen weitere Kreise an
seiner Benutzung teil, anderseits sind auch seine
Gefahren und seine Schädigungen nur mit ge-