Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Maßregeln als im allgemeinen Interesse geboten 
erscheinen, welche auf wirksame Vermehrung der 
inländischen Produktion bezüglich der unentbehr- 
lichsten Nahrungsmittel abzielen, womit zugleich 
der inländischen Landwirtschaft kräftige Beihilfe 
im Konkurrenzkampfe mit dem Auslande gewährt 
werden kann. Gerade die wichtigsten Unter- 
nehmungen in der Förderung der Kultur können 
aber nur im großen ausgeführt und erhalten 
werden; ihre Herstellung übersteigt zumeist die 
finanziellen Kräfte des einzelnen, zum Teil hin- 
dern ihn auch entgegenstehende Rechte anderer 
Personen, welche sich dem Unternehmen nicht 
sügen wollen. Diese Erwägungen haben in den 
meisten geordneten Staaten zu besondern Kultur- 
gesetzen geführt, wodurch einerseits die freie Be- 
nutzung des Eigentums im Interesse des allge- 
meinen Nutzens nicht unwesentlich modifiziert, ja 
sogar negiert, anderseits den Beteiligten die 
Landeskulturgesetzgebung. 
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lichster Tätigkeit bildet die Landeskultur ferner 
für die Organe der staatlichen Verwaltung; 
ihre Anregung und ihre wohlwollende Teilnahme 
wird in vielen Fällen entscheiden, ob die Hilfe der 
Gesetzgebung bei den Beteiligten Verständnis und 
willkommene Aufnahme findet. Daß der Ver- 
waltungsbeamte hierbei des Beirats der zunächst 
interessierten Kreise nicht entbehren kann, braucht 
nicht besonders hervorgehoben zu werden; ebenso- 
wenig die große Unterstützung, welche seine Tätig- 
keit durch die Organisation der landwirtschaft- 
lichen Bevölkerung in Vereinsverbänden findet. 
Die Bestrebungen solcher Vereinigungen mit voller 
Aufmerksamkeit und Sorgfalt fördern wird zu- 
meist mit der Förderung der Landeskultur selbst 
gleichbedeutend sein. 
Die einschlägige Gesetzgebung nach ihrer 
nunmehrigen Gestaltung in den einzelnen deutschen 
Staaten oder ihren geschichtlichen Entwicklungs- 
Durchführung von Unternehmungen erleichtert gang des näheren darzustellen, ist hier nicht mög- 
und ermöglicht wird, welchen sie, allein und ein- lich; es muß genügen, die hauptsächlichsten Mo- 
zeln genommen, wirtschaftlich und rechtlich nicht mente der landwirtschaftlichen Kultur zu be- 
gewachsen sind. 
Ein allgemeines Landeskultur gesetz freilich, 
welches in systematischem Aufbau alle hier maß- 
gebenden Gesichtspunkte umfassen würde, erscheint 
rühren, welche die staatliche Gesetzgebung zu be- 
rücksichtigen hat, und die Wege anzudeuten, auf 
denen sie ihr Ziel zu erreichen hoffen kann. Nicht 
unerwähnt kann hierbei der mächtige Einfluß 
als unlösbare Aufgabe. Der Zweck des staat= bleiben, welchen die Agrargesetzgebung eines Lan- 
lichen Eingreifens, nämlich Schutz des landwirt- 
schaftlichen Besitzes und Betriebes, Beseitigung 
der Hemmnisse, welche dem Kulturfortschritt sich 
entgegenstellen, läßt sich nur anstreben auf dem 
Wege der Einzelgesetzgebung. Diese vermag 
unter Anpassung an die örtlichen und zeitlichen 
Verhältnisse den wahren Bedürfnissen am besten 
zu entsprechen. Der jeweilige Wirtschaftsbetrieb, 
die Lage der Grundstücke, welche in die Kultur 
einbezogen werden sollen, zum allgemeinen Markte 
oder zu den Straßen des Verkehrs, namentlich die 
Möglichkeit, den Unternehmungen Kapital unter 
günstigen Verhältnissen zuzuführen, sind Punkte, 
welche bei der Frage, ob kultiviert werden soll, 
volle Berücksichtigung finden müssen. Daß der 
Staat neben den andern Faktoren des öffentlichen 
Lebens bezüglich der Verkehrswege zum größten 
Vorteile der Allgemeinheit fördernd eingreifen 
kann und soll, steht außer Zweifel; daß auch be- 
züglich der finanziellen Erleichterung der Unter- 
nehmungen sein tätiges Mitwirken notwendig und 
wünschenswert ist, soll unten gezeigt werden. 
Sonst muß naturgemäß die unmittelbare Staats- 
hilfe auf ein sehr enges Gebiet beschränkt bleiben. 
Die Hauptaufgabe fällt dem genossenschaft- 
lichen Wirken zu, welches ja auch auf andern 
Gebieten der Volkswirtschaft seine fruchtbare Kraft 
in zunehmender Stärke beweist. Dem Staate muß 
alles daran gelegen sein, die Bildung von Ge- 
nossenschaften zum Zwecke der Bodenkultur, der 
Förderung der Landwirtschaft überhaupt möglichst 
zu erleichtern und die bestehenden Genossenschaften 
in ihrem dem allgemeinen Wohle dienenden Wirken 
Möglichst zu unterstützen. Ein weites Feld ersprieß- 
des auch auf die Gesetzgebung in unserer Frage 
äußert. Die Gesetze, welche sich mit dem Anerben- 
recht des Bauernstandes, mit dem System der 
Rentengüter (z. B. in Preußen), mit der Ablösung 
und Fixierung der Grundlasten, mit der Aus- 
übung und Ablösung des Weiderechts befassen, 
ferner die Forst= und Jagdgesetze, Wildschadens- 
gesetze, Feldpolizeigesetze, auch die Gesetze bezüglich 
der Gemeindegrundteilungen, bezüglich der Ver- 
sicherung, insbesondere Brandversicherung, Hagel- 
versicherung, Viehversicherung, wirken mit Not- 
wendigkeit auf die eigentliche Kulturgesetzgebung 
ein. Diese selbst erstrebt im wesentlichen die 
Durchführung von Meliorationen, welche den Er- 
trag des einheimischen Grund und Bodens er- 
höhen. Insbesondere sind hierbei die das Land 
durchziehenden Wasseradern Gegenstand der staat- 
lichen Gesetzgebungspolitik. 
Für den Landwirt ist das Wasser bald ein 
mächtiger Bundesgenosse bei der Kulturarbeit, 
bald ein für den einzelnen unbesiegbarer Wider- 
sacher derselben. Die befruchtende, aber auch zer- 
störende Wirkung des Elementes kommt zumeist 
der Gesamtheit zugute oder bedroht die Allge- 
meinheit mit Schaden (ogl. die Einrichtung von 
hydrotechnischen Bureaus bei den Zentralbehörden, 
die neueste Gesetzgebung über Hochwasserschutz. 
z. B. das schlesische Hochwasserschutzgesetz vom 
3. Juli 1900, Ausgabe von Seherr-Thoß, bayr. 
Bekanntmachung vom 1. Jan. 1902, über Hoch- 
wassernachrichtendienst im Donaugebiet). Bei 
seiner Beweglichkeit nehmen weitere Kreise an 
seiner Benutzung teil, anderseits sind auch seine 
Gefahren und seine Schädigungen nur mit ge- 
 
	        
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