685
meinsamen Kräften abwendbar. Zudem läßt sich
durch zielbewußte Reglung des Wasserlaufes der
Ertrag von Grund und Boden ganz wesentlich
steigern. Die hierdurch ermöglichte Vermehrung
der Futtererzeugung ist ein bedeutsamer Faktor
einer lohnenden Biehzucht, insbesondere wenn die-
selbe durch eine sachgemäße Auswahl und Haltung
der Zuchttiere unterstützt wird. Wenn auch die
Erweiterung und Verbesserung des Wiesenbaues
vornehmlichstes Ziel der Wasserunternehmungen
ist, so dienen dieselben erfahrungsgemäß auch zur
Verbesserung des Ackerlandes, der Bodenkultur
überhaupt. Die Wichtigkeit der Wasserverhält-
nisse eines Landes und seines Grundes und
Bodens gibt die bündigste Erklärung für die Er-
scheinung, daß wir schon frühzeitig in den meisten
Staaten Gesetze finden, welche die Bewässerungs-
und Entwässerungsunternehmungen zum Zwecke
der Bodenkultur zum Gegenstande haben. Am
zweckmäßigsten verfährt der Gesetzgeber hierbei,
wenn er, von unmittelbarem Eingreifen absehend,
die Bildung von Interessengenossenschaften mit
etwaigem Zwangsrecht bezüglich des Beitritts
regelt und befördert. Be- und Entwässerungs-
unternehmungen, welche einen unzweifelhaft über-
wiegenden landwirtschaftlichen Nutzen gewähren,
sich auf eine bedeutende Grundfläche erstrecken und
ohne Ausdehnung auf fremde Grundstücke oder
ohne zwangsweise Entwehrung unbeweglichen
Eigentums nicht ausführbar sind, sollen als Unter-
nehmen für öffentliche Zwecke in der Weise be-
günstigt werden, daß widersprechende Grund-
besitzer zur Teilnahme an der gemeinschaftlichen
Kulturanlage in Ansehung des benötigten Areals
und zur Tragung der sie treffenden Kostenanteile
gezwungen werden können, wenn eine hinreichende
Mehrheit (des Grundbesitzes, der an der Anlage
beteiligt ist) sich für das Unternehmen erklärt;
den so gebildeten Genossenschaften soll dann auch
die Pflicht auferlegt werden, jedes benachbarte
Grundstück in den Verband aufzunehmen, wenn
dasselbe an den Vorteilen der Anlage teilnehmen
kann und die Anlage hierzu ausreicht. Notwen-
dige Voraussetzung für eine gedeihliche Entwick-
lung der Melioration ist eine zweckentsprechende
Gestaltung des Wasserrechts überhaupt, das ja
auch die schwerwiegenden Interessen der Industrie
zu berücksichtigen hat. Für die letztere entbehr-
liches Wasser soll möglichst der Kultur zugute
kommen. Erforderlich ist auch, daß gegen den Eigen-
tümer eines Grundstückes Zwang nach der Rich-
tung ausgeübt werden könne, daß er die Zu= oder
Ableitung des Wassers über sein Grundstück, so-
fern es für eine Bodenkulturunternehmung not-
wendig ist, gestatten muß; das gilt insbesondere
für die Drainage, diese vorteilhafteste Art der
Bodenverbesserung (s. Schober, Die Landeskultur-
Rentenbanken in Preußen, Sachsen und Hessen
[1887 7 ).
Zur Neugewinnung von Land eignet sich ins-
besondere die Eindeichung überschwemmter Fluß-,
Landeskulturgesetzgebung.
686
Haff= oder Meeresniederungen, auch die Aus-
trocknung von Seen und Sümpfen, das Gerade-
ziehen der Flüsse. Größere Bedeutung gewann
in der Neuzeit auch die Kultur der Moore, für
welche besondere Zentralbehörden, Moorkultur-
anstalten, bestellt wurden (z. B. bayrische Ver-
ordnung vom 3. Juli 1900). Das Bedürfnis
des gemeinsamen Schutzes gegen Überschwem-
mungen führt zu Deichverbänden, welche alle be-
drohten Grundeigentümer umfassen; hierbei sind
Zwangsrechte gegen kurzsichtige Bodenbesitzer und
Begünstigung der Körperschaften unentbehrliche
Lebensbedingungen derselben. Schädliche Tiere
oder Unkräuter, Erkrankungen des Viehes sind
oft nur zu bekämpfen durch gemeinsame Maß-
regeln, die durch Polizei= oder Staatsverord-
nungen (Maikäfersammeln, Vogelschutz, Absperren
des Viehes, Einfuhrverbote), mitunter durch inter-
nationale Vereinbarungen (Reblauskonvention von
1881) vorgeschrieben werden müssen. Hand in
Hand mit der Melioration geht zumeist das
Streben nach Arrondierung der zerstreut
liegenden Grundstücke, welch letztere selbst durch
zweckmäßige Vermarkung der Grundstücke in ihrem
Bestand gesichert ist. Auch hier muß das Sonder-
interesse einzelner dem wirtschaftlichen Interesse
der Mehrheit untergeordnet sein, so daß die ersteren
nicht befugt sein können, die für alle oder für die
Mehrheit notmwendige oder wünschenswerte bessere
Reglung des Wirtschaftsbetriebes zu hindern; der
wichtige, staatswirtschaftliche, sohin öffentliche
Zweck läßt die Statuierung eines gesetzlichen
Zwanges für die Minderzahl als unerläßlich er-
scheinen.
Die Gesetzgebung bezüglich dieser Kulturunter-
nehmungen hat sonach zum hauptsächlichsten In-
halt, die rechtlichen Handhaben zu bieten, welche
zur Verwirklichung umfassenderer Meliorationen
nicht entbehrt werden können. Die wirtschaftliche
Bedeutung einer zweckentsprechenden Gesetzgebung
erhellt z. B. aus der Zahl und Größe der Kultur-
unternehmungen, welche in Bayern auf Grund
der Wassergesetzgebung in der Zeit vom 1. Juni
1870 bis 31. Dez. 1906 ausgeführt wurden.
Nicht weniger als 2355 Unternehmungen mit
60 995 Genossenschaftsmitgliedern hatten die Ein-
beziehung von rund 63.000 ha Areal in die
Kultur mit einem Kostenaufwand von über drei
Mill. M zur Folge; hinzu kommen noch 25222 ha,
welche mit einem Aufwand von ungefähr 5½
Mill. M mittels Tonröhren (Drainagen) ent-
wässert wurden (s. Die Landwirtschaft in Bayern,
Denkschrift I1890] 688 ff; Die Maßnahmen
auf dem Gebiete der landwirtsch. Verwaltung
in Bayern 1890/97, Denkschrift (1897)] 10 ff;
Jahrbuch des bayr. statist. Bureaus 1907).
Diese Zahlen sprechen eine sehr beredte Sprache;
sie beweisen auch, daß die Aufbringung des be-
nötigten Kapitals wesentlich mit der Frage des
landwirtschaftlichen Kredits zusammenhängt;
denn die Ausführung solcher Unternehmungen