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Verwaltung und Unterhaltung genommen worden,
so daß den Gemeinden nur die unbedeutenden
Wege verblieben sind. (Für die Rheinprovinz vol.
Gesetz vom 11. Frimaire VII, Tit. 1, 8 2, Nr 4.)
In der Rheinprovinz kennt man diese Dreiteilung
nicht. Hier sind die die Stelle der Kreisstraßen
vertretenden Bezirksstraßen durch allerhöchsten Er-
laß vom 27. Dez. 1875 mit den Provinzialstraßen
vereinigt worden. Allerdings gibt es auch hier sog.
Kreisstraßen. Diese sind aber von den Kreisen
nicht auf Grund Gesetzes, sondern auf Grund
ihres Eigentums oder Vertrages zu unterhalten.
Auch im Regierungsbezirk Kassel werden nur Land-
straßen (so heißen dort die Chausseen) und Land-
wege unterschieden.
Nach § 64 des Zuständigkeitsgesetzes und 81f
des Ergänzungsgesetzes betr. die Vorleistungen
zu Wegebauten vom 11. Juli 1891 können
Fabriken, Bergwerke, Steinbrüche oder ähnliche
Unternehmungen, welche die Wege in erheblichem
Maße abnutzen, zu Präzipualleistungen heran-
gezogen werden.
5. Abgaben. Früher wurden fast durchweg
von denjenigen, welche Chausseen benutzten, Ab-
gaben erhoben, und zwar einmal als sog. Kom-
munikationsabgaben (Wege-, Brücken-, Tor-,
Pflastergelder), die tatsächlich die Natur eines
vom Verkehr erhobenen Grenzzolles hatten, und
zum andern als Chausseegelder, d. i. als Beitrag
für die Instandhaltung der Straße. Diese Ab-
gaben, in denen man mit Recht eine lästige
Schranke des Verkehrs erblickte, sind in neuerer
Zeit immer mehr beseitigt worden, namentlich
seitdem der Staat (Preußen 1875) auf seinen
Chausseen auf ihre Erhebung Verzicht geleistet hat.
Für die Aufhebung sprach auch der Umstand, daß
der Nettoertrag in keinem Verhältnis zu den
Kosten der Erhebung und zu der durch letztere
verursachten Zeitversäumnis stand. Auf keinen
Fall dürfen nach Art. 22 des Zollvereinsgesetzes,
der durch Art. 40 der Reichsverfassung aufrecht
erhalten worden ist, die Verkehrsabgaben die zur
Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der
Wege erforderlichen Kosten übersteigen. Es ist dies
derselbe Grundsatz, der in Art. 54 der Reichsver-
fassung für die Höhe der Kanalabgaben aufgestellt
ist. Daß zur Zeit noch auf einzelnen staatlichen
Brücken, z. B. der Rheinbrücke in Köln, Abgaben
erhoben werden, muß als Anachronismus bezeich-
net werden. Anders liegt die Sache, wo, wie bei
Fähren und Eisenbahnen, nicht nur der Weg,
sondern auch der Transport gewährt wird. Hier
kann, ohne daß mit dem Prinzip der Verkehrs-
freiheit in Widerspruch getreten wird, für letzteren
eine Vergütung verlangt werden.
6. Wegepolizei. Sie wird von den all-
gemeinen Orts= und Landespolizeibehörden, in
der obersten Instanz vom Ministerium der öffent-
lichen Arbeiten (2. Abt.) ausgeübt. Ihr liegt nach
§ 55 des Zuständigkeitsgesetzes die Aufsicht über
die öffentlichen Wege und deren Zubehörungen
Land- und Wasserstraßen.
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sowie die Sorge dafür ob. daß den Bedürfnissen
des öffentlichen Verkehrs in Bezug auf das Wege-
wesen Genüge geschieht. Die Gemeindewege (nicht
die Privatwege) unterstehen der Ortspolizeibe-
hörde. Bezüglich der Provinzialstraßen steht die
Wegepolizei im allgemeinen der Landespolizei-
behörde, d. i. dem Regierungspräsidenten, zu; nur
der polizeiliche Schutz der Chausseen gehört zum
Ressort des Landrates.
Die Aussichtsbehörde (d. i. der Landrat bzw.
der Regierungspräsident) kann die Wegepolizei-
behörde anweisen, gegen den nach ihrer Meinung
Verpflichteten vorzugehen sowie eine wegepolizei-
liche Verfügung nicht zu erlassen oder eine schon
erlassene zurückzunehmen. Die Zuständigkeit der
Kreis= und Bezirksausschüsse richtet sich bald nach
den Parteien, bald nach der Behörde, welche die
polizeiliche Verfügung erlassen hat, bald nach der
Lage des Weges. Der ordentliche Rechtsweg ist in
Wegesachen nur sehr beschränkt zulässig.
Strafandrohungen für Beschädigungen öffent-
licher Wege und Gefährdung oder Störung des
Betriebes auf ihnen enthalten die 88 304, 305,
321, 326, 370, Abs. 1 und 2 des Strafgesetz-
buchs, § 366, Abs. 2, 3, 5, 9, 10, § 367, AbfK. 12
des Strafgesetzbuches und 8 30 des Feldpolizei-
gesetzes vom 1. April 1880.
Näheres über Wegepdlizei: Graf Hue de Grais,
Handbuch der Verfassung u. Verwaltung in Preu-
ßen u. im Deutschen Reiche (181907); ferner: die
neuen preußischen Verwaltungsgesetze von N. Brau-
chitsch (Studt u. Braunbehrens), zu Tit. 11 des
Zuständigkeitsgesetzes, „Wegepolizei“; Das Wege-
recht u. die Wegeverwaltung in Preußen von
Germershausen, u. Rechtsprechung des Oberver-
waltungsgerichts von v. Kamptz III. — über die
Tätigkeit der preuß. Bauverwaltung auf dem Ge-
biete des Wegewesens gibt Auskunft der vom Mi-
nister der öffentl. Arbeiten Sr Majestät dem Kaiser
erstattete Bericht (1901) 228f.
II. Wasserstraßen. Wasserstraßen im wei-
teren Sinne des Wortes sind das Meer und die
Binnenwasserstraßen. Im engeren Sinne, in dem
das Wort hier genommen wird, versteht man
darunter nur die Binnenwasserstraßen. Diese
zerfallen wieder in Haffe, Flüsse, Kanäle und
sonstige Binnengewässer. Unter den Flüssen sind
hervorzuheben die regulierten und unter diesen
wiederum die kanalisierten Flüsse. Ob eine Ka-
nalisierung oder nur eine Regulierung vorliege,
kann im einzelnen Falle zweifelhaft sein. Für
erstere wird man sich namentlich dann entscheiden,
wenn in dem Flusse Schleusen angebracht sind.
Die Unterscheidung der Flüsse in kanalisierte und
nicht kanalisierte ist wichtig mit Rücksicht auf
Ari. 54, Abs. 4 der Reichsverfassung, wonach auf
allen natürlichen Wasserstraßen Abgaben nur für
die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Er-
leichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben
werden dürfen. Diese Abgaben für die Befahrung
solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staats-
eigentum sind, dürfen die zur Unterhaltung und