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ist. Sie verlangt, daß nicht der Gehalt der ver= der Hauptnachdruck auf die Erhaltung des Stoff-
gangenen Ernte den Maßstab für die Stoffzufuhr kapitals für die Landwirtschaft, sondern vielmehr
liefern müsse, sondern der Stoffgehalt derjenigen auf die Lösung des Problems gelegt, auf welchem
Produkte, die man für die Zukunft zu ernten ge-Weg jene Auswursstoffe auf die bequemste und
denkt. Der Schwerpunkt der heute herrschenden die Gesundheit am wenigsten gefährdende Weise
Düngertheorie gipfelt in dem Satze: Derjenige zu entfernen seien. Bei den meisten in Vorschlag
Pflanzennährstoff bzw. Wachstumsfaktor, der in gebrachten Systemen spielt die Benutzung des
geringster Menge den Pflanzen zur Verfügung Wassers eine Hauptrolle. Unter Verwendung des
steht, gibt den Ausschlag für den quantitativen Torfes könnte eine die Gesundheit ebensowenig
Ausfall der Ernte; man führt also jeden einzelnen gefährdende, das wertvolle Nährstoffkapital weit
Stoff so lange zu, als diese Zufuhr rentabel ist, besser wahrende Entfernung der Fäkalien erreicht
also bis zu dem Punkte, an welchem das günstigste werden.
rechnerische Resultat sich ergibt. Diese Wendung Die Kräfte, welche bei der Verarbeitung
war aber nur dadurch möglich, daß neue Qucllen der Rohstoffe in der Pflanzenproduktion tätig
für die in Rede stehenden wichtigen Stoffe er= sind, kommen entweder dem pflanzlichen Organis-
schlossen wurden. Eine Menge von Futterstoffen, mus als solchem zu, oder sie entfalten ihre Wirk-
die nicht der einheimischen Landwirtschaft ent= samkeit in den die Pflanze umgebenden Medien.
stammen, vergrößert heute mit jedem Jahre den Dem Samenkorr hat die Natur die Fähigkeit
in der Landwirtschaft umgesetzten Stoffvorrat; verliehen, unter gewissen Bedingungen zu keimen;
man sucht durch möglichst ausgedehnten Anbau es entsteht aus dem Keimling die fertige Pflanze,
der Leguminosen die Fähigkeit dieser Pflanzen= die ihrerseits wieder die zur Neubildung von In-
kategorien bezüglich der Stickstoffverwertung aus dividuen fähigen Samenkörner erzeugt. Die
der Luft nach Möglichkeit auszunutzen. Man Tätigkeit des produzierenden Landwirts ist darauf
strebt den Vorrat auch dadurch zu vermehren, daß beschränkt, jene Vorgänge nach der Richtung hin-
man sich durch zweckmäßige Düngerkonservierung zulenken, die seinen Interessen am meisten ent-
vor zu weit gehenden Verlusten schützt. Endlich spricht. Es stehen ihm zu diesem Behufe verschie-
aber werden große Quantitäten von Pflanzen= dene Mittel zu Gebote. Er kann vor allem die-
nährstoffen dem Boden einverleibt, die in eben= jenigen Arten und Formen auswählen, die seinen
falls außerhalb des landwirtschaftlichen Produk= Zwecken an sich am meisten entsprechen, und er
tionskreises liegenden Quellen ihren Ursprung wird dann die Verbreitung dieser Pflanzen eben
haben; so der Stickstoff aus den umfangreichen durch ihre Kultur zu ungunsten der wilden Flora
Salpeterlagern Chiles in Form von Natron= begünstigen. Eine derartige Auswahl fand schon
salpeter, ferner in den Abfällen der Gas= und in den frühesten Zeiten statt, als der Mensch aus
Koksfabrikation als schwefelsaures Ammoniak. der Zahl der Süßgräser diejenigen Arten wählte,
Neuerdings ist es auch gelungen, den elementaren die heute unsere hauptsächlichsten Brotfrüchte dar-
Stickstoff der atmosphärischen Luft mittels elek= stellen; diese Auswahl findet noch heute statt,
trischer Vorrichtungen in feste Form zu über= wenn wir z. B. die Landwirte und Versuchs-
führen und ihn der Landwirtschaft in Form von stationen damit beschäftigt sehen, diejenigen Legu-
Kalksalpeter (Norgesalpeter) oder von Kalzium= minosen ausfindig zu machen, welche die Assimi-
zyanamid (Kalkstickstoff) als wertvolles stickstoff= lation des freien atmosphärischen Stickstoffs in
haltiges Düngemittel in großem Umfange nutzbar ausgedehntestem Maße vollbringen. Die einmal
zu machen. Für die Phosphorsäure wurde eine gewählten Formen verändern sich überdies unter
außerordentlich reich fließende Quelle erschlossen der Hand des Menschen, weil er ihnen Wachs-
in der bei der Reinigung des Eisens als Abfall tumsbedingungen zu schaffen vermag, welche die
gewonnenen Thomasschlacke, durch die Verarbei= Produktion nach der gewollten Richtung hinzu-
tung von Phosphoriten usw. Ferner wird dieser drängen geeignet sind. — Ganz besonders aber
Bodenvorrat vermehrt durch Zufuhr von Materia= ist dem Menschen in der Vererbungsfähigkeit des
lien, die gleichzeitig Phosphorsäure und Stickstoff Pflanzenindividuums ein wirksames Mittel zur
enthalten, das sind vor allem die Guano-Arten, Verfolgung seiner Ziele an die Hand gegeben.
deren Vorrat allerdings heute zum großen Teil er-Es werden aus den vorhandenen Individuen die-
schöpft ist; ferner gehören hierher die verschiedenen jenigen ausgeschieden und zur Fortpflanzung be-
aus Knochen hergestellten Düngerarten, sofern das nutzt, welche die gewünschten Eigenschaften am
dazu verwendete Rohmaterial nicht von der ein= deutlichsten an sich tragen. Auf diese Weise müssen
heimischen Landwirtschaft produziert worden war. die nachfolgenden Generationen dem Zweck immer
In besonders reichlichem Maße ist aber für den vollkommener entsprechen. Ja es kann die Ent-
Ersatz von Kali gesorgt, seitdem die mächtigen stehung ganz neuer Formen veranlaßt werden da-
Lager der Staßfurter sog. Abraumsalze zur Lie= durch, daß die den Bedürfnissen der Produktion
ferung dieses Stoffes herbeigezogen wurden. besonders entsprechenden Individuen verschiedener
Infolge dieser Umstände ist die städtische Fäkal-= Sorten zur Paarung gebracht und deren Nach-
frage in der neueren Zeit mehr in den Hinter= kommen durch Zuchtwahl weiter vervollkommnet
grund getreten. Insbesondere wurde nicht mehr werden. Die Resultate dieser eigentlichen Pflanzen-