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züchtung sind durchaus nicht gering zu veran-
schlagen. Die heute im Anbau befindlichen hoch-
gezüchteten Weizensorten liefern Erträge, welche
den alten Landweizensorten ganz erheblich über-
legen sind. Ahnliche, wenn auch nicht ganz so
weit gehende Erfolge liegen für die übrigen haupt-
sächlichsten Getreidearten vor. Für Zuckerrüben
und Kartoffeln beziehen sich die Ergebnisse der
Züchtung sowohl auf die Vermehrung der Ernte-
masse wie auch auf die Verbesserung des erzielten
Produktes.
Die Medien, welche die Pflanze umgeben, sind
die atmosphärische Luft und der Boden. Die in
ihnen wirkenden Kräfte sind nur sehr teilweise
menschlicher Beeinflussung zugänglich. Die Luft
ist für die Pflanzenproduktion von Bedeutung
als Trägerin der atmosphärischen Nährstoffe, des
Wassers, der Kohlensäure, des Sauerstoffs und
Stickstoffs, und als leitendes Medium für die
Sonnenstrahlen. Die nach dieser Richtung an
einer bestimmten Ortlichkeit herrschenden Zustände
pflegt man unter dem Begriff „Klima“ zusammen-
zufassen. Auf dieses letztere einzuwirken, liegt
jedenfalls außerhalb der Machtsphäre des einzelnen
wirtschaftenden Landwirts, wohl aber liegt die
Möglichkeit der Beeinflussung dieser Verhältnisse
durch die im Staate verkörperte Gesamtheit in der
Waldkultur vor.
Das zweite Medium ist der Boden. Er hat
der Pflanze als Standort zum Festwurzeln zu
dienen und weiterhin ein geeignetes Reservoir für
die Pflanzennährstoffe abzugeben. Für den Grad,
in welchem der Boden diese Bedingungen erfüllt,
sind besonders folgende Verhältnisse ausschlag-
gebend: a) seine mechanische Beschaffenheit; b) ein
gewisses Maß wasserhaltender Kraft; c) das Vor-
handensein einer genügenden Menge von Hohl-
räumen, welche den Zutritt der Luft ermöglichen,
und d) die größere oder geringere Absorptions=
fähigkeit für die Pflanzennährstoffe. Von den
unter b) und c) genannten Punkten ist zugleich
sein Verhalten gegen die Wärme hauptsächlich
abhängig, wenn hierauf allerdings auch die spezi-
fische Wärme der bodenbildenden Bestandteile an
sich influiert und in geringem Maße auch die
Farbe des Bodens, insofern dieselbe ausschlag-
gebend ist für den Grad, in welchem die erwärmen-
den Sonnenstrahlen absorbiert werden.
Auf die Herbeiführung dieser Verhältnisse sind
nun eine Reihe von Maßregeln gerichtet, welche
entweder allein oder im Bunde mit den selbst-
tätig wirkenden Naturkräften das vorgesteckte Ziel
teils mehr teils weniger vollkommen erreichen lassen.
Unter den Punkt a) fallen alle die verschiedenen
Verrichtungen, die man unter dem Begriff Boden-
bearbeitung zusammenzufassen pflegt. Aus dem
sterilen Felsen sind im Laufe der Jahrtausende
durch ununterbrochene Wirksamkeit der Natur-
kräfte diejenigen Gebilde entstanden, die man heute
mit dem Namen Ackerboden zu belegen gewohnt
ist. Die Veränderungen, welche jene Gesteine
Staatslexikon. III. 3. Aufl.
Landwirtschaft.
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dabei erfahren, sind: mechanische Zerkleinerung,
Mischung der feineren und gröberen Bestandteile
und chemische Aufschließung der darin enthaltenen
Elemente. Diese Vorgänge werden wirksam unter-
stützt durch die einzelnen Akte der Bodenbearbei-
tung. Derselben dienten anfangs ziemlich unvoll-
kommene Instrumente, die nur eine wenig weit
gehende Lockerung der obersten Bodenschichten er-
möglichten, so daß wenigstens die für die Unter-
bringung und Keimung des Saatkorns notwen-
dige Krume beschafft wurde. Bei länger andauern-
der Kultur hebt sich die jedesmal durch die Arbeit
der Pflugschar berührte Schicht von den darunter
liegenden Partien als sog. Mutterboden ab. In
dem Mutterboden ist die Zersetzung weiter fort-
geschritten; es ist dies aber nicht allein die Folge
der Bearbeitung, sondern es haben an dem er-
zielten Effekt auch die in Form von Dünger und
Pflanzenresten dem Boden einverleibten Mengen
organischer Substanz einen wesentlichen Anteil.
Neben dieser Wirkung bezweckt die Bodenbearbei-
tung auch noch die Vernichtung der Unkräuter.
Das Verfahren besteht darin, daß die entwickelten
Unkräuter durch Aushacken vernichtet, die aus-
gefallenen Samen durch Lockerung des Bodens
zum Keimen gebracht und die jungen Pflanzen
sodann zu geeigneter Zeit, jedenfalls vor ihrer
Reife ebenfalls vernichtet werden. Die Fortschritte
der modernen Landwirtschaft berühen nicht zum ge-
ringsten Teil auf der Verbesserung der Instrumente,
welche den genannten Zwecken dienen. Brauch-
barere Pflugkonstruktionen haben die Arbeit an
sich wirkungsvoller gemacht. Tiefpflüge und
Untergrundpflüge haben die Vertiefung der Acker-
krume ermöglicht, die Herstellung von mehr-
scharigen Pflügen und Hackmaschinen hat die Un-
krautvertilgung erleichtert.
Zu den Punkten b) undch ist zu bemerken, daß
der richtige Grad wasserhaltender Kraft abhängt
von dem Vorhandensein einer entsprechenden Menge
feinerdig-toniger und humoser Bestandteile einer-
eits und sandigen oder kiesigen Materials ander-
eits. Innerhalb enger Grenzen sind auch diese
Verhältnisse einer raschen Beeinflussung zugäng-
lich, insofern durch Aufbringung des fehlenden
Materials, durch Heraufholen geeigneter Schichten
des Untergrundes dem Mangel abgeholfen werden
kann. Weniger die wasserhaltende Kraft als viel-
mehr der faktische Wassergehalt läßt sich ferner
noch beeinflussen durch Erhöhung oder Vertiefung
des Grundwassers oder durch Wasserzufuhr von
oben. In vielen Fällen reichen zu so eingreifenden
Maßregeln (Berieselungs= und Entwässerungs-
anlagen) die Kräfte des einzelnen nicht aus, es ist
dann auch hier wieder eine Vereinigung gewisser
Interessentenkreise oder das Eingreifen des Staates
vonnöten.
2. Die Tierproduktion ist grundsätzlich
verschieden von der Pflanzenproduktion insofern,
als durch dieselbe niemals chemische Spannkräfte
erzeugt, sondern stets solche vernichtet werden und
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