Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Verhältnissen begründete Regeln in Ubung. Da 
nur so viel Vieh aufgetrieben werden darf, als 
auf der Alpe während der Weidezeit Futter zu 
finden vermag, dürfen die Berechtigten nur eine 
im Verhältnis zu ihren Anteilen berechnete 
Menge Vieh auftreiben. Der einzelne soll auch 
nicht mehr auftreiben, als er mit dem von seinen 
im Tal gelegenen Gütern geernteten Futter den 
Winter über erhalten kann. Ahnlich wie die 
Rechte sind auch die Pflichten zur Erhaltung der 
Alpen, die Löhne der Hirten usw. geregelt. Wie 
bei den Weinbergen die Schließung und Offnung 
gleichzeitig erfolgt, ist bei den Alpen der Tag des 
Auf= und Abtriebs für alle Benutzer derselbe. 
Die Mehrzahl der Alpengenossenschaften sind 
Überreste der alten Markgenossenschaften. Die 
Niederlassungen erfolgten gemeinsam auch dort, 
wo die Ansiedlung nicht in Dörfern, sondern in 
Einzelhöfen stattfand; es gab Einigungen höherer 
Ordnung (Markgenossenschaften), welche mehrere 
Gemeinden oder Einzelhöfe umfaßten. Ihr Zweck 
war die gemeinsame Benutzung von Wald und 
Weide. Dort, wo ursprünglich im Besitz einer 
Markgenossenschaft befindliche Alpen in den Besitz 
einer Gemeinde übergegangen sind, hat sich doch 
die alte genossenschaftliche Benutzungsweise er- 
halten, und die Nutzungsberechtigten bilden inner- 
halb des Rahmens der politischen Gemeinde be- 
stehende Genossenschaften (Realgemeinde, Alt- 
gemeinde). 
III. Die Kandwirtschaft betreffende Zu- 
ltände und Einrichtungen. A. 1. Die 
Wärmeverhältnisse des deutschen Klimas sind 
derartig, daß die wichtigsten landwirtschaftlichen 
Gewächse, insbesondere die Getreidearten, Futter- 
pflanzen und der größte Teil der Handelsgewächse 
in ihrem Fortkommen gesichert und auch das Maß 
der Befruchtung durch atmosphärische Niederschläge 
ein die Pflanzenkultur im allgemeinen begünsti- 
gendes ist. Die Beeinflussung des Klimas durch 
menschliche Tätigkeit scheint sehr eng begrenzt; 
immerhin ist eine solche insofern vorhanden, als 
Wechselbeziehungen zwischen Klima und Bewal- 
dung zweifellos bestehen, diese letztere aber als 
innerhalb der menschlichen Machtsphäre gelegen 
betrachtet werden kann. Zur Zeit der Römerherr- 
schaft war das Klima im heutigen Deutschland 
erwiesenermaßen ein viel feuchteres als in der 
Gegenwart, und die inzwischen eingetretene Wand- 
lung ist ohne Zweifel auf die Verminderung des 
Waldareals zurückzuführen. Als ebenso feststehend 
ist zu betrachten, daß eine noch weiter gehende 
Waldausstockung eine sehr ungünstige Gestaltung 
der klimatischen Verhältnisse zur Folge gehabt 
haben würde. Die Zustände in Italien und in den 
Steppen Südrußlands liefern hierfür die über- 
zeugendsten Beweise, und es ist an diesen Bei- 
spielen gleichzeitig zu ersehen, wie außerordentlich 
schwer es ist, derartige Mißgrisse später wieder 
gutzumachen. Es kann nun freilich nicht be- 
hauptet werden, daß man in Deutschland von je 
  
Landwirtschaft. 
  
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und mit bewußter Absicht auf die Schaffung eines 
derartigen Zustandes hingewirkt habe, vielmehr 
sind es ganz andere Momente gewesen, deren Zu- 
sammenwirken derselbe seine Entstehung verdankt. 
Heute aber besteht er, und die neuere Gesetzgebung 
aller Staaten hat für die Erhaltung und zweck- 
mäßige Pflege des Waldes die weitestgehenden 
Bestimmungen getroffen. Im Deutschen Reiche 
umfaßt der Wald ungefähr ein Viertel des Ge- 
samtareals; davon sind etwas mehr als die Hälfte 
im Besitz des Staates und der Korporationen, 
der Rest in Privathänden. Dabei ist aber zu be- 
merken, daß bezüglich der Korporationswaldungen 
fast überall ein wirksames Aussichtsrecht des 
Staates besteht und auch über die Privatbesitzer 
eine bald mehr bald weniger weit gehende Kon- 
trolle geübt wird. Namentlich ist die Vornahme 
von Ausstockungen in erheblichem Umfange in den 
meisten Ländern von staatlicher Genehmigung ab- 
hängig. 
2. Von der Gesamtfläche des Deutschen Reichs 
sind etwa 65 % in landwirtschaftlicher Benutzung, 
etwa 25 % treffen auf Forsten und Holzungen, 
und in den Rest teilt sich das Areal der Haus- 
und Hofflächen, der Verkehrswege, der Wasser- 
flächen und des Unlandes. Entsprechend der 
außerordentlichen Vielgestaltigkeit, welche die 
geologischen Verhältnisse Deutschlands aufweisen, 
ist auch die Qualität des Kulturbodens eine viel- 
fach wechselnde. Die größte Gleichförmigkeit weist 
die norddeutsche Tiefebene auf, wo die Herrschaft 
der Kiefer und des Roggens das Überwiegen 
des leichten, sandigen Bodens ankündet. Indessen 
kommen auch hier, namentlich in den Flußtälern, 
ausgebreitete Länderstriche mit vorzüglichem Acker- 
boden vor. Vom Beginn der mitteldeutschen Ge- 
birgszüge bis hinab zur Donau-Tiefebene findet 
sich allüberall ein buntes Durcheinander. Sehr 
geeignet zur allgemeinen Orientierung über die 
in dieser Hinsicht in Deutschland obwaltenden 
Verhältnisse sind die vom Deutschen Statistischen 
Amt veröffentlichten kartographischen Darstel- 
lungen. Im Südwesten wiegen die schweren, 
tonigen und lehmigen Böden vor, hier spielt daher 
der Weizen und Spelz unter den Halmfrüchten 
die erste Rolle, während im Nordosten der Roggen- 
bau bedeutender ist und nur in den Flußtälern der 
Weizen einigermaßen zur Geltung kommt. Daß 
es die Bodenbeschaffenheit und nicht das Klima- 
ist, welches diese Unterschiede bedingt, beweist der 
Umstand, daß gerade im äußersten Norden der 
Weizenbau wieder zunimmt. 
Das der Kultur dienende Areal hat sich im 
Lauf der Zeit nach Größe und Qualität verändert 
dadurch, daß bisher vollkommen ödes Land der 
landwirtschaftlichen Benutzung gewonnen oder daß 
auf bisher schon der Kultur zugänglichem Lande 
die Erträge gesichert und erhöht wurden. Die 
hierauf bezügliche Tätigkeit ist meist größeren 
Interessentengemeinschaften oder dem Staate vor- 
behalten. Hierher gehört vor allem die Trocken- 
 
	        
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