Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Katholiken dieserhalb in Verbindung trat. Eine 
von Sheldon und Lord Petre entworfene Eides- 
formel enthielt außer der Versicherung der Treue 
eine Abschwörung gegenüber den Stuarts nebst 
der Erklärung, „daß gebannte Fürsten weder von 
ihren Untertanen noch von andern Personen ab- 
gesetzt werden können, daß der Papst keine welt- 
liche oder bürgerliche Jurisdiktion, weder direkte 
noch indirekte Macht in diesem Lande besitze“. 
Die Apostolischen Vikare, welchen der Eid vor- 
gelegt wurde, glaubten denselben dulden zu sollen, 
wenngleich der hochbetagte Bischof Challoner mit 
Recht äußerte, die Formel enthalte Behauptun- 
gen, welche Rom verwerfen müßte, wenn man den 
Eid zur Prüfung vorlege, aber dulden werde, 
wenn es nachträglich davon erfahre. Um Georg III. 
(1760/1820), welcher sich zeitlebens als erbit- 
lerten Gegner der Emanzipation bewies, günstig 
zu stimmen, überreichten die Katholiken der drei 
Reiche ihm 1778 eine Ergebenheitsadresse, welche 
der Monarch freundlich aufnahm. Sie leiht dem 
Schmerz der Unterzeichner über das Bestehen der 
Strafgesetze in würdiger Weise Ausdruck, beklagt 
die Ausschließung der Katholiken vom vollen Ge- 
nuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte, 
führt die Abweichung von der Staatskirche auf 
religiöse Gründe zurück und schließt mit der Ver- 
sicherung, nichts liege den Katholiken ferner als 
die Verteidigung von „Anschauungen, welche Eurer 
Majestät Regierung oder den Pflichten guter 
Bürger zuwiderlaufen". An der Spitze der Unter- 
zeichner stand der Herzog Norfolk, 9 andere Lords 
und 163 Gemeine (Hansard, Parliament. De- 
bates XIX 1141). Am 14. und 15. Mai 1778 
wurde eine Bill angenommen, deren Zweck war: 
Befreiung der römisch-katholischen Untertanen 
von gewissen Strafen und Unfähigkeiten, denen 
sie nach 11. 12. Will. III c. 3 (Gesetz behufs 
Verhinderung der Ausdehnung des Papsttums) 
unterlagen. Es wurden dadurch beseitigt jene 
Statuten aus dem 11. und 12. Regierungsjahre 
Wilhelms III., welche den Katholiken den Erwerb 
von Grund und Boden durch Beerbung unter- 
sagten und Bischöfe und Priester wegen Vornahme 
von Amtshandlungen sowie Katholiken, welche 
Schulen hielten, mit lebenslänglichem Kerker be- 
legten. Die übrigen Strafbestimmungen dieses 
Gesetzes blieben, wie alle andern gegen die Katho- 
liken erlassenen Gesetze, in voller Kraft bestehen. 
Ahnliche Erleichterungen erhielten durch ein Ge- 
setz vom nämlichen Jahre die irischen Katholiken 
(Lecky IV 477). 
Jene im Parlament mit großem Wohlwollen 
aufgenommene Bill rief in weiten Kreisen eine 
tiefe Aufregung hervor. Einer der heftigsten Agi- 
tatoren war John Wesley, der Stifter der Metho- 
disten, welcher kaum selber dem Feuer der Ver- 
solgung entronnen, für die Leiden der Katholiken 
kein Verständnis besaß. Es bildeten sich im ganzen 
Lande protestantische Vereine, welche unter An- 
führung fanatischer Prediger auf offenem Felde 
  
Katholiken-Emanzipation ufw. 
  
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(daher Field-Preachers genannt) ihre Versamm- 
lungen hielten und die Leidenschaften der Bevöl- 
kerung wider die Katholiken anfachten. Wie ein 
reißender Strom ergoß sich die Bewegung von 
Schottland aus über das ganze Reich. Den ge- 
waltigen Aufläufen, welche die Verhandlungen 
der schottischen General-Assembly über das eng- 
lische Erleichterungsgesetz zu Glasgow am 18. Okt. 
1778 hervorgerufen, folgten weit bedenklichere 
Volkserhebungen ebendaselbst am 9. Febr. 1779 
und zu London Anfang Juni 1780. Mittwoch 
den 7. Juni, bekannt unter dem Namen des 
Black Wednesday, erreichte der Aufstand den 
Höhepunkt, London befand sich vollständig unter 
der Herrschaft des am 29. Mai gegen das Er- 
leichterungsgesetz aufgerufenen Pöbels; nur mit 
äußerster Anstrengung konnte man die Schätze 
der englischen Banken retten (Lecky III 512 fa). 
Die Haupträdelsführer wurden mit dem Tode 
bestraft. 
I1I. Das Erleichterungsgesetz vom Jahre 
1778 hatte den Katholiken der vereinigten König- 
reiche nur die drückendsten Fesseln abgenommen, 
durch die damit verknüpften traurigen Ereignisse 
aber war in manchen Gemütern tiefes Mißbe- 
hagen wachgerufen. Mehrere Priester fielen ab, 
neun Peers erkauften sich durch Abfall von der 
Kirche den Weg zum Hause der Lords. Um so 
anerkennenswerter waren die Bemühungen anderer 
Katholiken, welche vollständige Emanzipation ihrer 
Glaubensgenossen anstrebten. Fünf Laien bil- 
deten im Mai 1783 das „Komitee zur Leitung 
der öffentlichen Angelegenheiten der Katholiken 
dieses Landes“. So preiswürdig das Ziel war, 
welches man verfolgte, so bedenklich erschienen 
indes die Mittel, zu welchen man dabei griff. 
Man gedachte „den öfteren Rekurs nach Rom 
zur Erlangung von Dispensen zu beseitigen“; 
seit 1787 aber trug man sich mit dem Plan, die 
ordentliche Diözesanverwaltung einzurichten, „weil 
eine Kirchenregierung vermittels Apostolischer 
Vikare nicht zum Wesen unserer Religion gehört 
und den Sitten der Urkirche sowie den Bestim- 
mungen des Statuts Praemunire zuwiderläuft" 
(Milner, Supplementary Memoirs 49). Einen 
ganz schismatischen Charakter trug das Bestreben 
des Komitees an sich, die Bischöfe durch Wahl 
des Volkes zu berufen, „welche dann gemeinschaft- 
lich mit ihren Herden die Angelegenheiten unseres 
nationalen Kirchenregiments ordnen könnten“. 
Wie wenig das Komitee sich seiner Stellung be- 
wußt war, zeigt die 1786 zur Unterschrift in Um- 
lauf gesetzte, von den Apostolischen Vikaren miß- 
billigte Erklärung, betitelt: „Darlegung der katho- 
lischen Grundsätze über Gott und König“. 
Der Premierminister Pitt (seit 1783) empfing 
die Erklärung und eine Denkschrift über die trau- 
rige Lage der Katholiken. Pitt versprach Abhilfe, 
wenn man ihm eine authentische, befriedigende 
Antwort auf die drei Fragen erteile: 1) ob der 
Papst in bürgerlichen Dingen in England Juris- 
 
	        
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