Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Beginn des 19. Jahrh. besitzt in Deutschland nur 
noch der Landesherr die aktive Lehnsfähigkeit. 
Die passive Lehnsfähigkeit war im 
ganzen Mittelalter auf die Waffentüchtigkeit ge- 
gründet; erst mit dem Zurücktreten des Waffen- 
dienstes der Vassallen trat auch hier eine Lockerung 
der ursprünglichen Sätze ein. Grundsätzlich war 
Ritterbürtigkeit und Vollbesitz der ritterlichen Ehre 
verlangt. Gänzlich lehnsunfähig waren Juden, 
Geächtete, Exkommunizierte, Rechtlose, Ehrlose; 
relativ unfähig waren Frauen, Geistliche (aus- 
genommen die geistlichen Fürsten); Lahme und 
Verstümmelte dann, wenn sie vor der Belehnung 
schon diese Gebrechen hatten; endlich juristische 
Personen, Bauern und anfänglich auch Markt- 
bewohner und Stadtbürger. Seit dem 13. Jahrh. 
drang die passive Lehnsfähigkeit der Bürger durch, 
gefördert durch den Einschlag von stadtherrlichen 
Ministerialen in den Städten und durch die ge- 
hobene Stellung des städtischen Patriziates. Für 
relativ lehnsunfähige Personen konnte eine lehns- 
fähige Person als lehnrechtlicher Treuhänder 
(Lehnsträger, portitor feudi) das Lehen emp- 
fangen. 
Die Lehnserrichtung (Inrestitur) erfolgt 
durch Hulde (Treueid, Mannschaft, homagium, 
leudesamium) des Mannes und Leihe des Herrn 
(Investitur mit Zepter, Hut, Speer, Lehnsbrief). 
Der Mann schwört, dem Herrn so treu und hold 
zu sein, als ein Mann von Rechts wegen soll, und 
bietet, indem er seine gefalteten Hände in die 
Hände des Herrn legt, seine Mannschaft an. Die 
Investitur (Lehnung) fand vor den Lehnsgenossen 
statt. Von der Form der Verleihung stammen 
wichtige Bezeichnungen verschiedener Lehnsarten 
her. Aus der älteren germanischen Gefolgschaft 
übernahm das Lehnswesen die Waffenreichung des 
Herrn an den Vassallen bei Begründung des Lehns- 
verhältnisses. Sie war eine germanische Zweck- 
schenkung und bewirkte als solche im Falle des 
Todes des Lehnsmannes den Rückfall der ge- 
schenkten Waffen an den Herrn, ein Spezialfall 
des Rechts am Hergewäte. Später verblieben die 
Waffen dem Lehnsfolger und fielen nur bei Fehlen 
eines Lehnserben dem Herrn heim. Die Waffen- 
reichung hatte inzwischen nach anderer Richtung 
ihre ursprüngliche Bedeutung gewandelt und war 
zum Investitursymbol geworden. Der Belehnungs- 
akt bildete sich zu einem symbolischen Investiturakt 
aus, die Übergabe von Investitursymbolen seitens 
des Herrn an den Beliehenen gab diesem den Be- 
sitz des Lehnsobjektes. Als Investitursymbole 
dienten außer den Waffen (besonders Schwert oder 
Speer) dieselben, deren sich auch das Landrecht 
bediente: Handschuh, Hut, Stab, Zweig u. a. 
mehr. Einzelne Symbole wurden allmählich mit 
auszeichnender Beschränkung auf bestimmte Lehen 
verwendet. So diente in der Zeit des hohen Mittel- 
alters das Schwert nur noch als Symbol der In- 
vestitur in die Königsgewalt; in dieser Eigenschaft 
kehrt das Schwert ebenso in der Lehnsabhängigkeit 
Lehnswesen. 
  
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der höchsten Gewalten von Gott (Zweischwerter- 
lehre), im Krönungsritual der Könige wie in den 
Fällen wieder, wo auswärtige Könige, wie z. B. 
Böhmen, die Lehnsoberherrlichkeit des deutschen 
Reiches anerkannten. Die Befehlshaber größerer 
Heeresteile trugen seit frühester Zeit ihren Auf- 
geboten Fahnen voraus, ursprünglich farbige 
Tücher, an Stangen angebracht, auf denen sym- 
bolische Tierzeichen sich befanden. Die Heerführer- 
stellung der Herzoge, Markgrafen und bald auch 
anderer Großen des Reiches führte dazu, daß der 
König sie mit der an den Speer angehefteten 
Fahne belieh, daß die daherkommende Fahnbeleh= 
nung bald die besondere Form der Fürstenbeleh- 
nung wurde, daß endlich mit fortschreitender Ver- 
dinglichung auch dieser Rechtsbeziehungen das 
Banner zum Zeichen des Landes ward und dieses 
selbst ein Fahnlehen genannt wurde. Über die 
Belehnung der geistlichen Fürsten soll gleich noch 
ein Wort gesagt werden. Bemerkt sei nur, daß 
mit Entwicklung der Heraldik auch das Wappen 
ein Gegenstand der Belehnung um so leichter wer- 
den konnte, als ja der Schild der ausgezeichnete 
Platz des Wappens und als Waffe Investitur- 
symbol war. Daher die Wappenverleihung der 
Lehnsherren und die Wiederverleihung der kraft 
Hergewätsrechts dem Lehnsherrn heimgefallenen 
Wappen ausgestorbener Familien. 
Die Lehnsherrlichkeit gewährt das Recht 
auf Lehnstreue und Lehnsdienste. Die Lehnstreue 
soll der Treue, welche sich Verwandte untereinander 
schulden, gleichstehen, sich auch in den Grenzen 
derselben halten: man muß dem Herrn treu sein, 
jedoch nicht in widerrechtlichen Dingen. Es ist 
nicht gegen die Treue, wenn man dem König und 
Richter zur Beugung des Unrechts Hilfe leistet, in 
Notwehr verwundet, gegen unrechte Gewalt hilft, 
den Herrn wegen Raubes verklagt. Schwere Ver- 
letzungen der Treue sind Felonie. In diesem sowie 
in andern Fällen, wie namentlich beim Tode des 
Beliehenen bzw. bei Aussterben der Familie im 
Mannesstamme, äußert sich das Obereigentum des 
Lehnsherrn als Heimfallsrecht. Mit Rücksicht auf 
das Heimfallsrecht kann er auch Eventualbeleh- 
nung vornehmen. Sie ist Belehnung mit einem 
Gute auf den Fall des Ledigwerdens, d. i. des 
lehnserblosen Todes seines jetzigen Lehnsinhabers 
(benanntes Geding) und von Belehnung mit dem 
zuerst ledig werdenden, folglich jetzt noch unbe- 
stimmten Gute (Anwartung, Irrlehen, Exspektanz) 
zu unterscheiden. Es gab auch insofern bedingte 
Belehnung, als sich der Lehnsherr Lösung gegen 
Rückzahlung eines bestimmten Kapitals vorbehielt, 
Pfandlehen (Beispiel: Übergang der Mark Bran- 
denburg an Hohenzollern). 
Die christliche Aufsassung, Gott als obersten 
Lehnsherrn zu betrachten, gab der Lehnstreue eine 
religiöse Färbung. Jene Auffassung war eine 
Anwendung des allgemeineren Gedankens, allen 
Vermögens= und Machtbesitz im Lichte einer Ver- 
leihung von Gott, also allen Besitz als eine Art
	        
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