Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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gium, wo die jüngeren dem älteren Bruder keinen 
besondern Lehnseid schwuren). Um sich ein Gegen- 
gewicht gegen die mächtigen Vassallen zu verschaffen, 
gab die Krone den Städten innerhalb der könig- 
lichen Domänen große Privilegien, Gerichtsbar- 
keit, das Recht, Steuern zu erheben, städtische 
Milizen zu bilden, sie befreite die Kronbauern 
und setzte königliche Unterrichter ein (baillis). 
Durch Kauf, Erbschaft, Waffengewalt und nament- 
lich durch Benutzung des Heimfallrechts gelang es 
den Königen, sich in den Besitz vieler Grafsschaften 
und Herzogtümer zu setzen. Die großen Lehen 
fielen nach und nach an die Krone. Die Legisten 
(Coquille, Les léGgistes 1863.) vernichteten das 
Lehnswesen durch Unterwerfung desselben unter 
das gemeine Recht, durch Anwendung des privat- 
rechtlichen Vertrages und der privaten Erbfolge. 
Das Lehnswesen erreichte sein Ende unter Lud- 
wig XIV. durch Vereinigung der Gerichlsbarkeit 
in der Hand des Königs, durch die Einrichtung 
der königlichen Intendanten (seit Richelieu), durch 
Versetzung des Adels aus seinen Besitzungen an 
den Hof, wodurch das persönliche Band zwischen 
Adel und Grundholden zerriß und die Vermögens- 
verhältnisse erschüttert wurden. 
In England wurde das Lehnswesen durch 
Wilhelm den Eroberer (gest. 1087) eingeführt. 
Der Staat war gewissermaßen Alleineigentümer 
geworden und ordnete von neuem den Grund- 
besitz, so daß sich eine systematische Durchführung 
des Lehnswesens ergab. Die Rente einer be- 
stimmten Anzahl Höfe ermöglichte Reiterdienst 
für eine bestimmte Anzahl Tage. Mehrere Ritter- 
lehen gaben eine Baronie oder gar ein Earldome. 
Wichtig war es, daß die mittelbaren Vassallen dem 
König unmittelbar den Eid der Lehnstreue leiste- 
ten und ihren näheren Lehnsherren nicht anders 
als mit ausdrücklicher Ausnahme ihrer Pflichten 
gegen den König und seine Erben. Es gab keine 
so großen Barone wie in Frankreich, welche den 
Kampf gegen das Königtum hätten aufnehmen 
können, und keine von den königlichen Gerichten 
so unabhängige Lehnsgerichtsbarkeit. Es bildete 
sich früh Unteilbarkeit, Erstgeburtsrecht und Primo- 
geniturfolge aus. 1083/86 kam das Domes- 
daybook zustande, auf Grund dessen später die 
Lehnsmatrikeln formiert wurden. 1215 nötigten 
die Vassallen den König zur Anerkennung der Erb- 
lichkeit. Das Lehnswesen fand sein Ende, als 
unter Karl II. an Stelle der Feudalverpflich- 
tungen als eine auf dem Grundbesitz ruhende 
Last eine Abgabe vom Bier festgesetzt wurde. In 
der englischen Rechtsterminologie finden sich noch 
jetzt viele Anklänge an die Feudalzeit (z. B. fee 
simple). 
Nach Dänemark verbreitete sich das Lehns- 
wesen erst im 13. und 14. Jahrhundert. In 
Schweden war das Lehnswesen, die sog. Adels- 
rüstung für den Reiterdienst, im 17. Jahrh. in Ver- 
fall. Dafür erhielt sich die Naturalbestallung für 
Beamte und Militär ziemlich lange. Die ihnen zur 
Lehramt, kirchliches. 
  
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Wohnung angewiesenen Güter hießen Boställen. 
Infolge einer unter dem Vater Gustav Adolfs 
vorgenommenen Einteilung ((#ordebok) hatten 
die mittleren Grundbesitzer Gemmans, Familien- 
heimwesen) je nach der Zahl der Mantals einen 
oder mehrere Soldaten zu stellen und (durch 
Wohnung und Ackeranweisung) zu erhalten (in- 
delta). Die Adligen waren zu Staatsdienst, im 
Heer oder als Beamte, verpflichtet. Seit 1810 
und 18788 ist der Boden absolutes Privateigentum. 
Der tödliche Schlag für das Lehnswesen in der 
Schweiz war die Schlacht von Sempach 1386. 
Die Geschlechter des hohen Adels wanderten fort, 
die des niederen Adels folgten ihm oder starben 
aus oder gingen in der Bauersame auf. 
Literatur. Abgesehen von den älteren Feudisten, 
wie Schilter (gest. 1705) u. Lünig (gest. 1740), sind 
zu nennen: Böhmer, Principia iuris feudalis 
(1765 f); Homeyer, Sachsenspiegel III (1844); 
Waitz, Anfänge der Vassaliität (1856); Köhler, 
Kriegswesen der Ritterzeit III (1887); Stobbe- 
Lehmann, Deutsches Privatrecht II (:1897); Brun- 
ner, Rechtsgeschichte 1 (21906), II (1892); Schrö- 
der, Rechtsgeschichte (/1907). Für Preußen s. Dern- 
burg, Preuß. Privatrecht I; für Bayern Roth, 
Zivilrecht II (1872); für Mecklenburg Roth (1858); 
für Sachsen Otto (1888); für Thüringen Ver- 
mehren (1862); für Österreich vgl. Kremer (1838), 
Heinke u. Blaschke; für Frankreich Fustel de Cou- 
langes (1890), Flach (1893); für England Sum- 
mer-Maine (1877); für Italien Santamaria 
(1880), Rinaldi (1886) u. Pertile, Storia del di- 
ritto IV (1893). [Bruder, rev. Beyerle.) 
Lehramt, kirchliches. LUrsprung, Be- 
griff und Natur; Die Formen der kirchlichen Lehr- 
verkündigung und die Inhaber des Lehramtes; 
Die delegierte Lehrgewalt oder missio canonica 
(Begriff, Notwendigkeit, Spender und Empfänger, 
Form, Entziehung, staatliche Gesetzgebung).) 
I. Arsprung, Wegriff, Aatur. 1. Die 
Kirche soll als die von Christus gestiftete Heils- 
anstalt allen Menschen die Gnaden der Erlösung 
vermitteln und so die Erreichung ihres gottgewollten 
ewigen Zieles ermöglichen. Dieser Aufgabe kann 
die Kirche nur dadurch gerecht werden, daß sie 
zunächst die Menschen über ihr Ziel und die zu 
ihm verhelfenden Gnadenmittel belehrt. Zu sol- 
cher Lehrverkündigung hat überdies Christus seiner 
Kirche mit ausdrücklichen Worten Auftrag und 
Vollmacht gegeben. Er hat seinen Aposteln be- 
fohlen, allen Völkern zu predigen, was er sie ge- 
lehrt, und zur Befolgung alles dessen anzuhalten, 
was er ihnen befohlen (Matth. 28, 18ff; vgl. 
Mark. 16, 15; Luk. 24, 47). Die Worte Christi, 
welche diesen Auftrag enthalten, sind jedoch nicht 
ein Befehl schlechthin, sondern der Lehrauftrag 
entspringt aus der göttlichen Gewalt des Erlösers, 
auf die er sich ausdrücklich beruft: Data mibi est 
omnis potestas. Euntes ergo docete omnes 
gentes (Matth. 28, 18. 19). Daher wird auch 
unter Androhung des Verlustes des Himmel- 
reichs allen befohlen, zu glauben, was die Apostel 
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