775
gelehrt haben (Mark. 16, 16), und der Gehorsam
gegen die Apostel dem Gehorsam gegen Christus
selbst gleichgestellt (Luk. 10, 16). Damit die
Apostel diesen Auftrag ausführen können, nur
predigend, was Christus gelehrt, ist er selbst bei
ihnen bis zum Ende der Zeiten (Matth. 28, 20)
und verspricht ihnen den Heiligen Geist, der sie
an alles erinnern soll (Joh. 14, 16 ff; 14, 26;
15, 26). Sie sind daher nicht einfachhin Zeugen
der Lehre Christi, sondern ausgerüstet mit der
Autorität ihres Meisters; wie er lehrte, wie einer,
der Gewalt hat (Matth. 7, 29), im Gegensatz zu
den gewöhnlichen Lehrern, denen jede Gewalt fehlte
(Mark. 1, 22), so sind auch sie mit Gewalt und
Autorität ausgerüstete Lehrer, und da sie zur
Erfüllung ihres Auftrages auch entscheiden müssen,
ob etwas Lehre Christi ist oder nicht, auch Richter
in Glaubenssachen. Die Lehre Christi umfaßt
alle in Schrift und Tradition enthaltenen Offen-
barungswahrheiten, das Gesamtgebiet der christ-
lichen Glaubens= und Sittenlehren.
Nicht allen Aposteln aber ist die gleiche Macht
verliehen, sondern den hl. Petrus hat Christus
über alle Apostel gesetzt (Matth. 16, 18) und ihm
die höchste geistliche Machtfülle über die gesamte
Kirche übertragen (Matth. 16, 19. Joh. 21, 15 ff).
Daher ist Petrus auch der höchste Lehrer und
Richter in Glaubenssachen, dessen Richterspruch
alle Glieder der Kirche ohne Ausnahme sich zu
unterwerfen haben.
Do die Apostel den Lehrauftrag bis zum Ende
der Zeiten und bei allen Völkern erfüllen sollten,
setzten sie Bischöfe ein, die diesen Auftrag fort-
zusetzen die Aufgabe hatten (Apg. 20, 28 f. 1 Tim.
6, 13 f. 2 Tim. 1, 6; 1, 13f; 4, 1 ff), und be-
fahlen ihnen, wiederum andere aufzustellen. Kraft
rechtmäßiger Sukzession wird daher der den Apo-
steln gegebene Auftrag in der Kirche erfüllt bis
zum Ende der Zeiten.
2. Das kirchliche Lehramt ist demgemäß die
Petrus und den Aposteln sowie deren Nachfolgern
von Christus übertragene Weisung und Gewalt,
für alle Menschen und alle Zeiten authentische
Lehrer und autoritative Richter in Glaubens= und
Sittensachen zu sein. Die kirchliche Lehrverkündi-
gung geschieht in absolut unfehlbarer Weise, weil
sie sich nicht nur im Auftrage Christi, sondern
auch unter seinem und des Heiligen Geistes Gnaden-
beistand vollzieht, und muß mithin als nächste
Quelle und Regel des Glaubens (regula fidei
proxima), nach der sich alle Gläubigen zu richten
haben, bezeichnet werden.
Im Formalprinzip des Protestantismus, die
Heilige Schrift sei einzige und für jedermann zu-
längliche Quelle und Regel des Glaubens, liegt
die Verwerfung eines von Gott eingesetzten Lehr-
und Richteramtes, wie es soeben aus der Heiligen
Schrift entwickelt wurde. Nach ihm ist vielmehr
nur das eigne Urteil in Glaubenssachen maß-
Lehramt, kirchliches.
776
lismus auf Grund natürlicher Einsicht gefällt
wird.
3. Der hl. Thomas von Aquin, dem die Theo-
logen und Kanonisten mit wenigen Ausnahmen
(Walter, Phillips usw.) folgen, lehrte die Zwei-
teilung der Kirchengewalt in die Weihegewalt und
Regierungsgewalt (potestas ordinis und iuris-
dictionis: Summa theol. 2, 2, d. 39, art. 3),
die auch in dem Katechismus des Konzils von
Trient Aufnahme fand (p. 2, cap. 7, q. 6). Diese
Auffassung wird auch vom Vatikanischen Konzil
geteilt, das in der dogmatischen Konstitution De
Romano Pontifice erklärt: „Daß in dem apo-
stolischen Primat (der Jurisdiktion), welchen der
römische Papst als Nachfolger des Apostelfürsten
Petrus über die ganze Kirche innehat, auch die
höchste Lehrgewalt eingeschlossen sei, hat
dieser Heilige Stuhl stets festgehalten; die stete
Ubung der Kirche beweist es, und die ökumenischen
Konzilien, besonders diejenigen, bei welchen der
Orient mit dem Okzident in der Einheit des
Glaubens und der Liebe zusammentrat, haben es
erklärt.“ Vgl. Relatio de observationibus Ro-
manorum concilüf patrum in schema de Ro-
mani pontificis primatu (Coll. Lac. VII 275).
Danach ist die Lehrgewalt ein Zweig der kich-
lichen Regierungsgewalt. „Dieser Charakter kommt
ihr in der Tat zu, weil sie nicht ein bloßes Lehren
im gewöhnlichen Sinne des Wortes zum Inhalte
hat, sondern vielmehr (als Fortsetzung der vom
Erlöser persönlich geübten) das Recht der Kirche,
im Namen Gottes den Glauben zu gebieten,
bindende Glaubensgesetze zu geben (bzw.
Glaubensurteile zu fällen), die Beobachtung
derselben von seiten ihrer Glieder zu fordern und
zu überwachen, deren Verletzung zu bestrafen“
(Simar, Dogmatik II (/1899] 686 ).
II. Man unterscheidet zwei Jormen der Rirch-
lichen Lehrverkündigung: das gewöhnliche
und allgemeine Lehramt und das feierliche Glau-
bensurteil (sollemne iudicium und ordinarium
et universale magisterium; vgl. Conc. Vatic.
sess. III, cap. 3). Jenes ist die von den Bischöfen
geleitete, von Geschlecht zu Geschlecht sich fort-
setzende Unterweisung im christlichen Glauben
(Predigt, Katechese usw.), dieses die vom Gesamt-
episkopat in Unterordnung unter den Papst oder
auch allein vom Papst als oberstem Hirten und
Lehrer gefällte Lehrentscheidung. Der an die Stelle
des Apostolates getretene Episkopat ist Träger oder
Inhaber des kirchlichen Lehramtes gemäß der jure
divino ihm verliehenen Ordnung und Verfassung.
1. Dem Papste steht als dem persönlichen
Nachfolger des hl. Petrus die höchste Lehrgewalt
über die gesamte Kirche zu. Von jeher (vyl. die
klassische Stelle bei Jrenäus, Adv. haer. 3, 3, 2)
galt die römische Kirche als omnium ecclesiarum
mater et magistra (Conc. Trid. sess. VII de
bapt. can. 3; sess. XXII de sacrif, missae
gebend, das nach dem Supernaturalismus in cap. 8), und das Vatikanische Konzil hat dem Papst
Kraft der göttlichen Gnade, nach dem Rationa= ausdrücklich den Primat der Jurisdiktion bestätigt.