Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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gelehrt haben (Mark. 16, 16), und der Gehorsam 
gegen die Apostel dem Gehorsam gegen Christus 
selbst gleichgestellt (Luk. 10, 16). Damit die 
Apostel diesen Auftrag ausführen können, nur 
predigend, was Christus gelehrt, ist er selbst bei 
ihnen bis zum Ende der Zeiten (Matth. 28, 20) 
und verspricht ihnen den Heiligen Geist, der sie 
an alles erinnern soll (Joh. 14, 16 ff; 14, 26; 
15, 26). Sie sind daher nicht einfachhin Zeugen 
der Lehre Christi, sondern ausgerüstet mit der 
Autorität ihres Meisters; wie er lehrte, wie einer, 
der Gewalt hat (Matth. 7, 29), im Gegensatz zu 
den gewöhnlichen Lehrern, denen jede Gewalt fehlte 
(Mark. 1, 22), so sind auch sie mit Gewalt und 
Autorität ausgerüstete Lehrer, und da sie zur 
Erfüllung ihres Auftrages auch entscheiden müssen, 
ob etwas Lehre Christi ist oder nicht, auch Richter 
in Glaubenssachen. Die Lehre Christi umfaßt 
alle in Schrift und Tradition enthaltenen Offen- 
barungswahrheiten, das Gesamtgebiet der christ- 
lichen Glaubens= und Sittenlehren. 
Nicht allen Aposteln aber ist die gleiche Macht 
verliehen, sondern den hl. Petrus hat Christus 
über alle Apostel gesetzt (Matth. 16, 18) und ihm 
die höchste geistliche Machtfülle über die gesamte 
Kirche übertragen (Matth. 16, 19. Joh. 21, 15 ff). 
Daher ist Petrus auch der höchste Lehrer und 
Richter in Glaubenssachen, dessen Richterspruch 
alle Glieder der Kirche ohne Ausnahme sich zu 
unterwerfen haben. 
Do die Apostel den Lehrauftrag bis zum Ende 
der Zeiten und bei allen Völkern erfüllen sollten, 
setzten sie Bischöfe ein, die diesen Auftrag fort- 
zusetzen die Aufgabe hatten (Apg. 20, 28 f. 1 Tim. 
6, 13 f. 2 Tim. 1, 6; 1, 13f; 4, 1 ff), und be- 
fahlen ihnen, wiederum andere aufzustellen. Kraft 
rechtmäßiger Sukzession wird daher der den Apo- 
steln gegebene Auftrag in der Kirche erfüllt bis 
zum Ende der Zeiten. 
2. Das kirchliche Lehramt ist demgemäß die 
Petrus und den Aposteln sowie deren Nachfolgern 
von Christus übertragene Weisung und Gewalt, 
für alle Menschen und alle Zeiten authentische 
Lehrer und autoritative Richter in Glaubens= und 
Sittensachen zu sein. Die kirchliche Lehrverkündi- 
gung geschieht in absolut unfehlbarer Weise, weil 
sie sich nicht nur im Auftrage Christi, sondern 
auch unter seinem und des Heiligen Geistes Gnaden- 
beistand vollzieht, und muß mithin als nächste 
Quelle und Regel des Glaubens (regula fidei 
proxima), nach der sich alle Gläubigen zu richten 
haben, bezeichnet werden. 
Im Formalprinzip des Protestantismus, die 
Heilige Schrift sei einzige und für jedermann zu- 
längliche Quelle und Regel des Glaubens, liegt 
die Verwerfung eines von Gott eingesetzten Lehr- 
und Richteramtes, wie es soeben aus der Heiligen 
Schrift entwickelt wurde. Nach ihm ist vielmehr 
nur das eigne Urteil in Glaubenssachen maß- 
Lehramt, kirchliches. 
  
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lismus auf Grund natürlicher Einsicht gefällt 
wird. 
3. Der hl. Thomas von Aquin, dem die Theo- 
logen und Kanonisten mit wenigen Ausnahmen 
(Walter, Phillips usw.) folgen, lehrte die Zwei- 
teilung der Kirchengewalt in die Weihegewalt und 
Regierungsgewalt (potestas ordinis und iuris- 
dictionis: Summa theol. 2, 2, d. 39, art. 3), 
die auch in dem Katechismus des Konzils von 
Trient Aufnahme fand (p. 2, cap. 7, q. 6). Diese 
Auffassung wird auch vom Vatikanischen Konzil 
geteilt, das in der dogmatischen Konstitution De 
Romano Pontifice erklärt: „Daß in dem apo- 
stolischen Primat (der Jurisdiktion), welchen der 
römische Papst als Nachfolger des Apostelfürsten 
Petrus über die ganze Kirche innehat, auch die 
höchste Lehrgewalt eingeschlossen sei, hat 
dieser Heilige Stuhl stets festgehalten; die stete 
Ubung der Kirche beweist es, und die ökumenischen 
Konzilien, besonders diejenigen, bei welchen der 
Orient mit dem Okzident in der Einheit des 
Glaubens und der Liebe zusammentrat, haben es 
erklärt.“ Vgl. Relatio de observationibus Ro- 
manorum concilüf patrum in schema de Ro- 
mani pontificis primatu (Coll. Lac. VII 275). 
Danach ist die Lehrgewalt ein Zweig der kich- 
lichen Regierungsgewalt. „Dieser Charakter kommt 
ihr in der Tat zu, weil sie nicht ein bloßes Lehren 
im gewöhnlichen Sinne des Wortes zum Inhalte 
hat, sondern vielmehr (als Fortsetzung der vom 
Erlöser persönlich geübten) das Recht der Kirche, 
im Namen Gottes den Glauben zu gebieten, 
bindende Glaubensgesetze zu geben (bzw. 
Glaubensurteile zu fällen), die Beobachtung 
derselben von seiten ihrer Glieder zu fordern und 
zu überwachen, deren Verletzung zu bestrafen“ 
(Simar, Dogmatik II (/1899] 686 ). 
II. Man unterscheidet zwei Jormen der Rirch- 
lichen Lehrverkündigung: das gewöhnliche 
und allgemeine Lehramt und das feierliche Glau- 
bensurteil (sollemne iudicium und ordinarium 
et universale magisterium; vgl. Conc. Vatic. 
sess. III, cap. 3). Jenes ist die von den Bischöfen 
geleitete, von Geschlecht zu Geschlecht sich fort- 
setzende Unterweisung im christlichen Glauben 
(Predigt, Katechese usw.), dieses die vom Gesamt- 
episkopat in Unterordnung unter den Papst oder 
auch allein vom Papst als oberstem Hirten und 
Lehrer gefällte Lehrentscheidung. Der an die Stelle 
des Apostolates getretene Episkopat ist Träger oder 
Inhaber des kirchlichen Lehramtes gemäß der jure 
divino ihm verliehenen Ordnung und Verfassung. 
1. Dem Papste steht als dem persönlichen 
Nachfolger des hl. Petrus die höchste Lehrgewalt 
über die gesamte Kirche zu. Von jeher (vyl. die 
klassische Stelle bei Jrenäus, Adv. haer. 3, 3, 2) 
galt die römische Kirche als omnium ecclesiarum 
mater et magistra (Conc. Trid. sess. VII de 
bapt. can. 3; sess. XXII de sacrif, missae 
gebend, das nach dem Supernaturalismus in cap. 8), und das Vatikanische Konzil hat dem Papst 
Kraft der göttlichen Gnade, nach dem Rationa= ausdrücklich den Primat der Jurisdiktion bestätigt.
	        
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