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schottische Formula auf, deren Ableistung voll-
ständiger Verleugnung des katholischen Glaubens
gleichkam (Butler IV 103). Ausgeschlossen waren
die Katholiken auch ferner vom Amt eines Lehrers
oder Erziehers protestantischer Kinder und von der
Verwaltung protestantischer Landgüter. Die Apo-
stolischen Vikare Schottlands, George Hay und
John Geddes, nahmen selbst diese geringen Er-
leichterungen dankbar an und leisteten am 11. Juli
1793 vor dem Untersheriff von Mid-Lothian,
Henry Davidson, den erforderlichen Eid (Gorbon,
The Catholic Church in Scotland, Aberdeen
1874, 343/347)0.
IV. Die Emanzipationsbestrebungen, welchen
wir zu Anfang des 19. Jahrh. begegnen, waren
auf das innigste mit der Frage nach dem Einfluß
der englischen Regierung auf die Ernennung der
Bischöfe oder dem irischen Veto verbunden.
Nachdem der Cisalpinische Klub mehrere Jahre
kein Lebenszeichen von sich gegeben, trat er nach
der im Jahre 1803 erfolgten Bestellung der beiden
Apostolischen Vikare Milner (Süddistrikt) und
Poynter (Londondistrikt) wieder in die Offentlich-
keit. Emanzipation schrieb er wieder auf sein
Banner, wollte dieselbe indes um den unerschwing-
lichen Preis einer unberechtigten Einmischung der
Regierung in die Bischofswahlen erkaufen. Zu-
nächst war es allerdings nicht der Klub, sondern
der Minister Pitt, welcher die Sache anregte.
Nachdem er die Apostolischen Vikare Schottlands
und ihr Seminar Aquhorties unterstützt hatte
(Walsh, History of the Cath. Church in Scot-
land, Glasgow 1874, 530), ließ er 1799 zwölf
in Sachen des Maynooth-Kollegs zu Dublin ver-
sammelten Bischöfen Anerbietungen zur Dotation
der Geistlichkeit machen, wofern der Regierung Ein-
fluß auf die Ernennung der Bischöfe eingeräumt
würde. Der Augenblick konnte kaum günstiger ge-
wählt werden. Es war die Zeit, wo der furchtbare
Aufstand des Jahres 1798, an welchem die Katho-
liken aber durchaus unbeteiligt waren, in seinen
Wirkungen noch nachzitterte. Die Zeitumstände
erklären es, daß die Prälaten nicht ohne weiteres
ablehnten; sie gaben vielmehr dem Vorschlag ihre
Zustimmung, wofern die Dotation angemessen
sei, die Beteiligung der Regierung an den Bi-
schofswahlen die Grenzen einer bloßen Versiche-
rung der Königstreue nicht überschreite und die
Zustimmung des Heiligen Stuhles eingeholt werde.
Der große Pitt stieß indes mit seinem Emanzipa-
tionsprojekt bei dem fanatischen König Georg III.
auf unbezwingbaren Widerstand und legte am
3. Febr. 1801 sein Amt nieder.
Wie die irischen Angelegenheiten nach einer Be-
merkung Matthew Arnolds im Parlament bis zur
Stunde ein Spielball in der Hand der beiden
großen politischen Parteien sind, so griffen auch
damals die Whigs nach dem Abgange ihres
Führers Pitt die Frage der Emanzipation und
des Vetos auf, um sie für ihre Zwecke auszubeuten.
Der Plan war weit angelegt. Die Laien sollten
Katholiken-Emanzipation ufw.
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in den vollen Genuß der bürgerlichen Rechte wie-
der eingesetzt, der katholische Klerus aus Staats-
geldern unterhalten werden, um, wie Lord Gren-
ville bemerkte, „die Regierung (d. h. die Whigs,
wenn sie ans Ruder gelangen würden) in nach-
drucksvoller Weise zu unterstützen“ (Flanagan II
416). Zum erstenmal im 19. Jahrh. kam die
Emanzipationsfrage im Parlament zur Verhand-
lung am 13. Mai 1805, als der berühmte Ire
Henry Grattan eine dahin lautende Petition im
Unterhaus einbrachte. Bei den Debatten wies
John Cox Hippisley auf das Veto hin. In-
dem er Aufhebung der Strafgesetze beantragte,
wünschte er zugleich Anstellung eines Beamten
zur Prüfung „römischer Aktenstücke“, welche die
staatlichen Einrichtungen etwa bedrohen könnten.
Dieser kirchenpolitische Antrag wurde samt der
Bitte um Emanzipation abgewiesen. Am 25. Mai
1808 gelangte eine neue Petition Grattans um
Abschaffung der Strafgesetze im Unterhaus zur
Verhandlung. Für sie traten die Whigs mit
aller Kraft ein, aber in einer Art und Weise,
welche den Katholiken die Augen über ihre an-
geblichen Freunde öffnen mußte. Die Enthül-
lungen der Whigpartei hatten eine energische Er-
klärung des irischen Episkopates zur Folge, der
am 14. Sept. 1808 zwei Resolutionen annahm,
durch welche jede Abänderung des seitherigen Wahl-
modus abgelehnt, zugleich aber versichert wurde,
nur loyale Kandidaten seien dem Papst für die
erledigten Stühle zu empfehlen. Um die öffent-
liche Meinung in England über das Gefährliche
der von den Whigs ausgehenden Vorschläge auf-
zuklären, schrieb Milner am 1. Aug. 1808 seinen
„Brief an einen Pfarrer“, in welchem er die
Garantien, mit denen das Veto eventuell zu um-
geben sei, in drei Punkte zusammenfaßt: 1) Ein-
schränkung der Ausübung des Vetos auf drei
Fälle. 2) Mitteilung des Namens nur eines Kan-
didaten an die Regierung. 3) Angabe eines
öffentlich-rechtlichen Grundes, aus welchem die
Regierung den Kandidaten zurückweist (Milner,
Supplementary Memoirs (18201 132).
Die Beschlüsse der irischen Bischöfe hatten die
Pläne der Whigs vorläufig zerstört, aber zugleich
die öffentliche Meinung gegen die Katholiken ein-
genommen. Um die Gegner für die Katholiken
günstig zu stimmen, bildete sich aus dem vor-
maligen katholischen Komitee nunmehr das
Catholic Board, an dessen Spitze im Monat
Mai 1808 Charles Butler trat. Mit den Earls
Grey und Grenville unterhielt das Catholie
Board fortwährend lebhafte Verbindung und faßte
den Entschluß, dem Parlament eine Bittschrift
um eine neue Erleichterungsbill zugunsten der
Katholiken vorzulegen. Zum erstenmal erhielt das
Publikum Kunde davon durch einen am 25. Jan.
1810 an den irischen Grafen Fingall gerichteten
Brief, in welchem Grenville die Gewährung der
bürgerlichen Rechte an die Katholiken „mit andern
weitreichenden und verwickelten Anordnungen ver-