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an denselben wenden, auch Rekurs an den Papst
ergreifen, aber da die Zurücknahme der missio
nicht durch einen gerichtlichen Akt erfolgt, ist eine
eigentliche Appellation nicht zulässig.
7. Die staatliche Gesetzgebung verhält
sich der missio gegenüber nicht gleichmäßig. Nach
dem preußischen Allgemeinen Landrecht sind
die Schulen Veranstaltungen des Staates und
unterstehen dessen Aufsicht. Das Recht der Kirche
auf Erteilung der missio canonica wurde indes
anerkannt in betreff der Volksschullehrer in der
Provinz Westfalen durch eine am 9. Aug. 1858
königlich genehmigte Vereinbarung der betreffen-
den Kirchen= und Staatsbehörden (Archiv für
Kirchenr. IV 358; Entscheidung des Obertribu-
nals LXXX 387); in betreff der Religionslehrer
an Gymnasien usw. in der Kabinettsorder vom
6. Nov. 1846; in Bezug auf die Universitäts-
dozenten räumten das Reglement der Bonner
(1834) sowie der Breslauer katholisch-theologischen
Fakultät (13. Sept. 1840) und des Lyzeums Ho-
sianum in Braunsberg (1843) der Kirche die not-
wendigsten Rechte ein. Aber schon 1874 schwächte
das Kultusministerium jene vom König genehmigte
Vereinbarung ab (vgl. Hinschius, Kirchenrecht IV.
623), und in den Erlassen vom 18. Febr. 1876
und 5. Nov. 1879 hat es sogar die Berufung zur
Erteilung des Religionsunterrichts und die Leitung
desselben für die Staatsbehörden beansprucht (vgl.
Vering, Lehrbuch des Kirchenrechts 181). Obgleich
nun inzwischen das Reichsgericht durch Urteil vom
12. Dez. 1881 (vgl. Juristische Rundschau für
das kathol. Deutschland 1I 324) die missio cano-
nica als eine „Einrichtung der katholischen Kirche"
anerkannt hat, ist es doch gegenwärtig noch für
das preußische Verwaltungsrecht vollständig gleich-
gültig, ob ein Lehrer die missio canonica besitzt
oder nicht. Holt er sich diese von seinem Bischof
ein, so ignoriert man das (Archiv für Kirchenr.
XXXVI225); wird sie ihm aber verweigert oder
später entzogen, so soll er nach der Entscheidung
des Obertribunals vom 14. Juni 1877 dennoch
in seinem Amte verbleiben. Wer ohne staatliche
Anstellung oder Zulassung nur auf Grund der
vom Bischof erteilten missio canonica den schul-
planmäßigen Religionsunterricht erteilen wollte,
würde nach § 132 des Reichsstrafgesetzbuchs und
dem Erkenntnis des Obertribunals vom 12. Okt.
1874 der strafbaren Anmaßung eines öffentlichen
Amtes schuldig erklärt (vgl. Hinschius a. a. O.
624). Der Artikel 24 der Verfassungsurkunde vom
31. Jan. 1850 über die Leitung des Religions-
unterrichts durch die Religionsgesellschaften ist nach
Art. 112 bis zum Erlaß des im Art. 26 ver-
sprochenen, aber bisher nicht gegebenen Unterrichts-
gesetzes immer noch suspendiert.
Nachdem in Bayern die Entschließung von
1852, wonach vor der Anstellung eines Religions-
lehrers „eine gutachtliche Einvernahme der ein-
schlägigen bischöflichen Stelle“ eingeholt werden
soll, 1873 zurückgezogen wurde (vgl. Archiv für
Lehramt, kirchliches.
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Kirchenr. XXXI 177), gilt die missio canonica
staatsrechtlich als irrelevant. — Dasselbe ist in
Württemberg der Fall, da man auch dort jetzt
nur eine staatliche Qualifikation der Lehrer kennt.
Obschon das Konkordat von 1857 im Art. 9 be-
stimmte: Potest episcopus professoribus et
magistris docendi auctoritateem et missionem
tribuere eandemque, cum id opportunum
ensuerit, revocare, wurde schon im Gesetz vom
30. Jan. 1862, Art. 14, festgesetzt: „Gegen einen
Lehrer der katholisch-theologischen Fakultät der
Universität, dessen Lehrvorträge nach dem Urteil
des Bischofs wider die Grundsäte der katholischen
Kirchenlehre verstoßen, kann eine Verfügung nur
von der Staatsregierung getroffen werden.“" —
Auch in Sachsen, Oldenburg, Hessen
und Elsaß-Lothringen ist dem Verwal-
tungsrecht die missio canonica unbekannt. —
Anders in Baden. Hier ist durch das Konkordat,
Art. 7/11, und das Unterrichtsgesetz vom 8. März
1868, § 30, wonach „die Entscheidung über die
Befähigung zur Erteilung des Religionsunterrichts
den betreffenden Kirchen- und Religionsgemein-
schaften“ zusteht, eine staatsrechtliche Grundlage
für die kirchliche missio camnonica geschaffen. —
Auch in ÖOsterreich wird das Recht der Kirche
auf die missio canonica anerkannt. Ahnlich
wie die Verordnung vom 23. April 1850 be-
stimmte das (1870 formell aufgelöste) Konkordat
von 1855 im Art. 6: Nemo sacram theolo-
giam, disciplinam catecheticam vel religio-
nis doctrinam in quocunque instituto vel
publico vel privato tradet, nisi cum missio-
nem tum auctoritatem obtinuerit ab episcopo
dioecesano, cuins eandem revocare est,
qduando id opportunum censuerit. Nach § 6
des Gesetzes vom 25. Mai 1868 „dürfen als
Religionslehrer nur diejenigen angestellt werden,
welche die betreffende konfessionelle Oberbehörde
als hierzu befähigt erklärt hat“, und nach § 5 des
Reichsvolksschulgesetzes vom 14. Mai 1869 „kann,
wo kein Geistlicher vorhanden ist, der Lehrer mit
Zustimmung der Kirchenbehörde verhalten werden,
bei dem Religionsunterricht mitzuwirken“. Da
diese Zustimmung nicht für unwiderruflich erklärt
ist, so ist damit auch die Entziehbarkeit der missio
canonica ausgesprochen. Nur solche Laien werden
als Lehrer an den Schulen zugelassen, die staatlich
qualifiziert sind, so daß die missio canonica auch
nur solchen gegeben werden kann.
L#teratur. Schulte, Das Recht der Erteilung der
Befugnis zum Lehramte der Theologie (missio
canonicg) nach der Geschichte u. dem geltenden Recht
der kath. Kirche, im Archiv für kath. Kirchenrecht
XIX (1868) 3 ff; Lehmkuhl, Die kirchl. Sendung,
in Stimmen aus Maria-Laach XII (1877) 297 ff,
410 ff; Hortmanns, Missio canonica, in Theol.=
prakt. Quartalschrift LVII (1904) 282 ff; Kahl,
Die missio canonica zum Religionsunterricht u.
zur Lehre der Theologie an Schulen bzw. Uni-
versitäten nach dem Recht der kath. Kirche u. dem
staatl. Recht in Preußen, in Deutsche Zeitschrift für