793
folgen und durch den Besuch einer staatlichen,
staatlich unterstützten oder vom Staat anerkannten
Lehrwerkstätte oder sonstiger gewerblichen Unter-
richtsanstalt ersetzt werden. Die Landeszentral-
verwaltungen können den Prüfungszeugnissen von
solchen Lehrwerkstätten die Wirkung der Zeugnisse
über das Bestehen der Gesellenprüfung beilegen
(6129 V.).
Während der § 131, Abs. 1 der neuen
Fassung dahin geändert worden ist, daß der Lehr-
ling nach Ablauf der Lehrzeit sich der Gesellen-
prüfung unterziehen soll und Lehrherr und In-
nung ihn dazu anhalten sollen, also eine Soll-
vorschrift konstruiert hat, enthält der § 131 a Be-
stimmungen über die Zusammensetzung der Prü-
fungsausschüsse und § 131b über diejenigen
Gegenstände, auf die sich die Prüfung zu erstrecken
hat. Damit die Prüfung gqualitativ die Bedeu-
tung erlange, wie sie in Anbetracht der Verhält-
nisse geboten erscheint, ist den Handwerkskammern
nicht nur ein großer Einfluß auf die Auswahl der
Prüfungsmeister, sondern auch eine Kontrolle
über die Prüfung selbst zugestanden. Ferner gibt
das Gesetz der Handwerkskammer die Befugnis,
allgemeingültige Vorschriften über die nähere
Reglung des Lehrlingswesens in Handwerks-
betrieben zu erlassen sowie die Durchführung dieser
durch Beauftragte überwachen zu lassen
(6 103e). Im § 1038 ist auch die Mitwirkung
der Gesellenausschüsse hierbei vorgesehen, wodurch
den letzteren eine nicht zu verkennende Bedeutung
eingeräumt worden ist. So hat das Gesetz die
Ausbildung des Lehrlings nach allen Seiten zu
sichern gesucht.
Diese gesetzlichen Bestimmungen bilden jedoch
nur die äußere Formz sie müssen ihren materiellen
Inhalt noch erhalten, und zwar sowohl durch die
Mitwirkung der Gewerbetreibenden im weitesten
Sinne, wie der Fabriken, als auch speziell der
Innungen und sonstigen gewerblichen Korpora-
tionen. Ohne Mitwirkung dieser ist die Ausbil-
dung der Lehrlinge nicht durchzuführen. Der
Innung fällt hierbei aber ohne Frage der un-
gleich schwierigere Teil der Aufgabe, Sicherung
des Schutz= und Arbeitsverhältnisses für die Lehr-
linge, zu. Die Fabrik zieht erfahrungsmäßig das
bessere Lehrlingsmaterial an sich und überläßt das
minderwertige dem Handwerk; sie erzeugt damit
einen Ausleseprozeß, der für das Handwerk nicht
günstig ist. Er ist aber auch für die Allgemeinheit
und für die Lehrlinge insbesondere nicht erfreulich,
weil die Ausbildung der Lehrlinge in der Fabrik
nur eine einseitige und weniger sorgfältige ist, so-
wie weil die Lehrlinge infolge dieser einseitigen
Ausbildung in ein natürliches Abhängigkeitsver-
hältnis zur Fabrik geraten und in Zeiten nieder-
gehender Konjunktur die Zahl der Arbeitslosen
vermehren helfen. — Daneben spricht auch der
Umstand gegen die Ausbildung der Lehrlinge
durch die Fabrik, daß diese große sittliche Ge-
fahren in sich birgt und leicht eine Verwilderung
Lehrlings= und Gesellenwesen.
794
des Nachwuchses erzeugt. Erfahrungsgemäß ent-
zieht auch die Fabrik dem Handwerker die von
ihm ausgebildeten Kräfte. Die Handelskammer
Düsseldorf hat zwar durch eine besondere Er-
hebung den Nachweis des Gegenteils zu erbringen
gesucht, daß die Fabriken selber Lehrlinge in hin-
reichender Zahl ausbildeten, dieser Nachweis ist
aber höchstens für einen kleinen Handelskammer-
bezirk erbracht worden, nicht für die Allgemeinheit.
— Der Innung als der berufenen Vertreterin einer
gewerblichen Organisation muß die Hauptsache in
der Lehrlingsausbildung zufallen. Sie kann dar-
auf besonders fördernd einwirken, wenn sie sich
nicht nur auf ihre obligcttorischen Aufgaben, wie
Reglung des Lehrlingswesens und technische Aus-
bildung der Lehrlinge, beschränkt, sondern wenn
sie auch die ihr gesetzlich nahegelegten fakultativen
Aufgaben betätigt, wie Errichtung von Fortbil-
dungs= und Fachschulen, Veranstaltung von Prü-
sungen und Ausstellungen usw.
4. Lehrlingsschulwesen. Für den Hand-
werker genügen heute nicht mehr allein Werkstatt-
kenntnisse und technische Fertigkeiten, sondern er
muf sich auch fach= und kaufmännische Kenntnisse
erwerben, um im wirtschaftlichen Kampfe gerüstet
zu sein. Die Fortbildungs= und speziell die Fach-
schule ist deshalb ein dringendes Erfordernis und
die Ergänzung der Werkstattlehre. — Allgemein
ist diese Ansicht heute durchgedrungen, und ein
großer Teil der Kommunen, Innungen usw.
hat entsprechende Fortbildungsanstalten geschaffen.
Während aber die ersteren sich mehr der Errich-
tung teils obligatorischer teils fakultativer Fort-
bildungsschulen zuwenden, in welche in der Regel
alle jugendlichen Arbeiter unter 17 Jahren ein-
bezogen werden, suchen die Innungen und Ge-
werbevereine vornehmlich Fachschulen einzurichten,
um dem Nachwuchse die nötigen theoretischen
Fachkenntnisse im Zeichnen, Modellieren, in der
Buchführung usw. beizubringen. Das Mißliche
hierbei liegt aber in der Regel einerseits in dem
Mangel finanzieller Mittel, um die nötigen Lehr-
kräfte und Lehrmittel zu beschaffen, anderseits in
der beschränkten Zeit der Lehrlinge zum Besuche
dieser Schule, sowie sehr oft auch in dem finan-
ziellen Unvermögen der Lehrlinge zur Bestreitung
der Schulgelder usw. Man hat diesem Übelstand
durch Gewährung staatlicher und privater Sti-
pendien zwar zu steuern gesucht, indessen sind diese
Leistungen durchgehends weit hinter dem wirklichen
Bedürfnisse zurückgeblieben. Immerhin haben
aber verschiedene Regierungen schon den Anfang
hiermit gemacht, so Baden, Bayern, Württemberg,
Preußen, Sachsen, Mecklenburg-Schwerin usw.;
es ist zu erwarten, daß die Leistungen der Regie-
rungen alljährlich steigen werden.
5. Ausstellungen von Lehrlings-
arbeiten. Neben den Schulen bzw. in Ergän-
zung ihrer Wirksamkeit haben die verschiedenen
gewerblichen Korporationen zur Förderung des
Lehrlingswesens Ausstellungen von Lehrlings-