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Pius VII. empfing am 29. Juni 1814 Bischof
Milner in öffentlicher Audienz, belobte sein bis-
heriges Auftreten und ermutigte ihn, unier billiger
Berücksichtigung anderer (d.h. seiner bischöflichen
Amtsbrüder) auf dem betretenen Wege zu be-
harren. Eine Adresse des Catholic Board be-
antwortete Pius VII. in Form eines von Kar-
dinal Litta an den Apostolischen Vikar Poynter
gerichteten Schreibens, welches vor allem über den
Eid handelt. Unter Voraussetzung der Zusiche-
rung der Emanzipation seitens der britischen Re-
gierung wolle der Papst einräumen, daß eine sehr
entgegenkommende Formel bei der Ableistung des
Loyalitätseides künftig zur Anwendung gelange.
Sobald die Emanzipation in Übereinstimmung
mit den der britischen Regierung bekannten Wün-
schen des Papstes erfolgt sei, werde der letztere ge-
nehmigen, daß bei der jeweiligen Erledigung eines
irischen Bistums den Ministern des Monarchen
eine Liste von Bischofskandidaten vorgelegt werde.
Sollte einer der Kandidaten mißfällig oder ver-
dächtig erscheinen, so dürfe dessen Name bezeichnet
und ausgetilgt werden, so jedoch, daß eine ge-
nügende Zahl übrig bleibe, aus welchen der Hei-
lige Stuhl wählen könne. Eine Überwachung des
Verkehrs der Gläubigen mit dem Heiligen Stuhl
dagegen wurde als Eingriff in die Freiheit der
Kirche abgewiesen.
In Irland rief das Schreiben große Aufregung
hervor. Am 23. Aug. 1815 veröffentlichten die
irischen Bischöfe in Dublin fünf Resolutionen, in
welchen sie jedwede dem Träger der Krone bei der
Berufung der Bischöfe bewilligte direkte oder in-
direkte Beteiligung als schimpflich und verderblich
für die Religion bezeichneten. Die Bischöfe Murray
und Murphy wurden als Abgesandte nach Rom
entboten, um dem Papst die Lage der Dinge zu
schildern. Seitens der Laien wurde der Franzis-
kaner Richard Hayes nach Rom gesandt, wo er
am 25. Okt. 1815 eintraf. Hayes legte vielfach
ein die Grenzen diplomatischer Formen verkennen-
des Benehmen an den Tag, weshalb die päpstliche
Regierung sich gezwungen sah, ihn auf Veran-
lassung des hannoverischen Gesandten v. Ompteda
(Hannover war mit England durch Personalunion
verbunden) am 24. Juli 1817 aus dem Kirchen-
staat auszuweisen. Die Vorstellungen der irischen
Bischöfe aber beantwortete Pius VII. in einem
ebenso liebevollen wie nachdrücklichen Schreiben
vom 1. Febr. 1816, in welchem er die Berechti-
gung seiner Vorschläge durch Tatsachen aus der
Kirchengeschichte erläutert. Die Freunde des Veto
in England und Irland glaubten in dem päpst-
lichen Schreiben eine Anerkennung ihrer Bestre-
bungen zu finden, erhielten aber einen heftigen
Gegner in dem Koadjutor des Erzbischofs von
Dublin, Murray, welcher in der berühmten Kar-
freitagspredigt des Jahres 1816 das Veto an-
griff und vor ihm warnte.
VII. Der Prinzregent, welcher als König
Georg IV. (1820/29) den Thron bestieg, war als
Katholiken-Emanzipation ufw.
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Hochtory den Katholiken keineswegs günstig gesinnt.
Ausschweifungen empörendster Art paarten sich in
ihm mit wildem Fanatismus. Dem neuen Mon-
archen überreichten die englischen Katholiken eine
Loyalitätsadresse, welche die mit ihrem Glauben
nur schwer in Einklang zu setzende Stelle enthielt:
„Eurer Majestät schwören sie (die Unterzeichneten)
volle und ungeteilte Treue, anerkennen in Aller-
höchstihnen allein die Befugnis, das bürgerliche
Schwert zu führen, und gestehen keinem fremden
Fürsten, Prälaten, Staat oder Potentaten irgend
welche Macht zu innerhalb des genannten Reichs in
einer bürgerlichen, geistlichen oder kirchlichen Angele-
genheit“ (Butler, Memoirs IV 288, 289). Außer
acht Lords hatten das befremdende Schriftstück die
Apostolischen Vikare Englands Gibson, Poynter
und Collingridge nebst den schottischen Apostoli-
schen Vikaren Cameron, Paterson und Mac Donald
unterzeichnet. Bischof Milners Name dagegen
fehlte. Nachdem das Unterhaus gegen Sir Robert
Peel Wiederaufnahme der Emanzipationsfrage
beschlossen, brachte Plunkett am 2. März 1821
zwei Bills ein. Die damit verbundenen Eide aber
charakterisierten sich als zweite Auflage der „Straf-
bill“ von 1813. Wiederum kam von Milner Hilfe.
Aus sein Ersuchen überreichte William Wilberforce
am 16. März bei Gelegenheit der zweiten Lesung
der Plunkett-Bill eine von etwa 1000 Geistlichen
und Laien unterzeichnete Verwahrung gegen den
neuen Eid als eine Verletzung des katholischen
Glaubens und Beeinträchtigung der Rechte des
Apostolischen Stuhles. Die Gemeinen genehmig-
ten, die Lords dagegen verwarfen die Bill am
16. April mit einer Mehrheit von 39 Stimmen.
In den Jahren 1823 und 1824 wurde der Antrag
eingebracht aus Zulassung der englischen Katholiken
zu Grasschafts= und Kommunalämtern. Sogar
Peel anerkannte die Gerechtigkeit des Vorschlages;
die fanatischen Lords Eldon und Colchester (der
frühere Sprecher Abbot) brachten denselben zu
Fall (Colchester, Diary III 326), wobei der erstere
sogar dem Erzbischof von Canterbury seine To-
leranz verwies (Twiß, Life of Eldon II 512).
In Irland gingen unterdessen die Wogen der Be-
wegung hoch. Der feurige O'Connell rief die
katholische Association ins Leben. Die Regierung
antwortete darauf durch das Gesetz vom 9. März
1825, welches alle Vereinigungen in Irland auf
zwei Jahre untersagte, das fanatische Torytum
aber durch Verwerfung einer am 1. März 1825
von Sir Francis Burdett eingebrachten Emanzi-
pationsbill.
Die Neuwahlen zum Parlament im Jahre
1826 fielen im Sinne der protestantischen Reaktion
aus und brachten den Herzog von Wellington
und Sir Robert Peel an die Spitze der Verwal-
tung. Das buntgemischte Ministerium sah sich
indes bald gezwungen, im Sinne der Katholiken
einzulenken. Die am 26. Febr. 1828 von Lord
John Russell eingebrachte Bill behufs Abschaffung
der Korporations= und Testakte erhielt die