Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Zustimmung des Parlaments. Einen völligen 
Umschlag bewirkte dann die Stimmung in Irland 
und die Wahl O'Connells zum Abgeordneten für 
Clare. Am 5. März 1829 begründete Sir Robert 
Peel in vierstündiger Rede die vom Ministerium 
entworfene Emanzipationsbill. „Jahre- 
lang“, bemerkte er, „habe ich die Katholiken vom 
Parlament und den Staatsämtern auszuschließen 
gesucht. Ich glaube nicht, daß es ein unvernünf- 
tiger Kampf war. Nunmehr entsage ich ihm in 
der Überzeugung, daß er nicht länger mit Erfolg 
zu führen ist.“ Am 23. März wurde die Bill 
vom Unterhaus, am 10. April vom Oberhaus 
angenommen. Der Kampf gegen die mit entsetz- 
licher Härte durch die anglikanische Geistlichkeit 
Irlands von der katholischen Bevölkerung ein- 
getriebenen Zehnten wurde, vorläufig durch das 
Zehntgesetz von 1838, endgültig erst durch die 
unter Gladstone 1871 erfolgte Entstaatlichung 
der irischen Staatskirche beendet, welche die Uber- 
weisung der Einkünfte der Staatskirche, aber unter 
Bevorzugung protestantischer Anstalten, zu all- 
gemeinen Zwecken anordnete (Bellesheim III 
420,. 615). 
VIII. Durch das Hinscheiden der Königin 
Viktoria (22. Jan. 1901) und die Thronbestei- 
gung Eduards VII. wurde die Aufmerksamkeit der 
Katholiken auf die bei der Übernahme der Re- 
gierung vor beiden Häusern des Parlaments 
vom Monarchen feierlich abzugebende Erklärung 
(Declaration) gelenkt, die eine Abschwörung des 
Glaubens an die wirkliche Gegenwart Christi im 
heiligen Altarssakrament, die „Anbetung der Jung- 
frau Maria oder eines andern Heiligen und das 
Opfer der Messe“ enthält und diese als aber- 
gläubisch und götzendienerisch bezeichnet. Un- 
geachtet einer vom Kardinal-Erzbischof Vaughan 
an Eduard VII. brieflich gerichteten Vorstellung 
und der von 11 katholischen Peers und 20 Ba- 
ronen dem Lordkanzler Halsbury übergebenen 
Verwahrung hat der König den Eid am 14. Febr. 
1901 geleistet. Während der Episkopat in einem 
Hirtenbrief seinem Schmerz über diese schwere 
Verunglimpfung der hehrsten Glaubenswahrheiten 
Ausdruck lieh, bezeichnete die Presse diese den 
schlimmsten Zeiten des religiösen Fanatismus ent- 
stammende Deklaration als unnötige Beleidigung 
von zwölf Millionen treuer katholischer Unter- 
tanen und forderte deren Abänderung. In ähn- 
lichem Sinne haben sich die parlamentarischen 
Körperschaften von Kanada und Australien nebst 
der Volksvertretung der Insel Maltaausgesprochen. 
Die Regierung, welche aus Furcht vor einer Be- 
seitigung der die protestantische Thronfolge sichern- 
den Worte der Deklaration lange die Wünsche der 
Katholiken bekämpft hatte, mußte endlich dem 
Druck der öffentlichen Meinung nachgeben. Nach- 
dem die liberale Minderheit des Unterhauses aus 
Furcht des Verlustes von Stimmen bei der näch- 
sten Parlamentswahl ihre Teilnahme an der 
Prüfung der Deklaration abgelehnt, wurde mit 
Katholiken-Emanzipation ufw. 
  
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dieser Aufgabe eine Kommission von Peers befaßt, 
in welche das Oberhaus jedoch keinen Katholiken 
berief. Die Folge war, daß die von der Kom- 
mission beliebten Abänderungen, welche Lord 
Salisbury am 23. Juli einbrachte, noch immer 
für die Katholiken beleidigende Worte enthielten 
und demnach von den katholischen Bischöfen miß- 
billigt werden mußten. Bezeichnend für die Ge- 
sinnungen der Kommission ist die Tatsache, daß 
dievom katholischen Viscount Llandaff eingebrachte 
Verbesserung, nach welcher die protestantische 
Thronfolge unter gleichzeitiger Ausschließung 
aller für die Katholiken beleidigenden Worte in 
der Deklaration gesichert wurde, keine Annahme 
gefunden hat. Auf diesen Antrag stützte sich der 
Herzog von Norfolk in seinem Briese an die 
Times, in welchem er die bei der dritten Lesung 
der Bill im Oberhaus von Lord Salisbury ge- 
wagte Behauptung widerlegte, die Katholiken 
wünschten die Entfernung der beleidigenden Worte 
aus der Deklaration nur dann, wenn auch zu- 
gleich die Sicherung der protestantischen Thron- 
folge ausgeschieden würde, sie hätten sich daher 
nicht zu beklagen, wenn die Regierung die Bill 
zurückzöge. Im Unterhaus wurde diese unbegreif- 
liche Erklärung durch Balfour wiederholt. Dem 
gegenüber stellte der Herzog von Norfolk die Tat- 
sache fest, daß in den leitenden Kreisen der eng- 
lischen Katholiken eine Deklaration zum Schaden 
der protestantischen Thronfolge nie Anklang ge- 
sunden habe. Ein weiterer Grund, weshalb die 
Bill gescheitert ist, liegt in der fast unüberwind- 
lichen Schwierigkeit, angesichts der entsetzlichen 
Zerfahrenheit des englischen Protestantismus eine 
solche Fassung der Deklaration herzustellen, die 
auch nur die vornehmlichsten religiösen Richtungen 
zu befriedigen imstande wäre (Month XCVII; 
Tablet XCVII/NCVIII: Histor.-polit. Blätter 
Bd 127 (19011, S. 465 ff; Bd 128 (19011, 
S. 516ff). 
Denkwürdig bleibt die Ansprache des Kardinal- 
Erzbischofs Vaughan zu Newaastle- on= Tyne 
(9. Sept. 1901), in der er mit der Forderung 
auf Abschaffung der beleidigenden Deklaration 
die vollkommene Interesselosigkeit der englischen 
Katholiken an einem Monarchen katholischen Be- 
kenntnisses hervorhob, die weite Kreise der Prote- 
stanten zu beherrschen scheine. Nach Ablehnung 
der Bill des Earl Grey und des katholischen Her- 
zogs von Norfolk 1904 kam die Frage durch das 
beim Eucharistischen Kongreß zu London Sept. 
1908 erlassene Verbot der theophorischen Prozes- 
sion wieder in Fluß. Ende Nov. 1908 brachte 
der irische Abgeordnete John Redmond eine neue 
Bill ein zur Unterdrückung der Catholic Dis- 
abilities, welche annoch der Beratung des Par- 
lamentes untersteht (Tablet XCOII (19081 882; 
Bellesheim, Der eucharistische Kongreß in London 
9./13. Sept. 1908 (1908). 
IX. Auf Grund der Emanzipationsakte und 
einer Reihe anderer seit 1829 erlassenen Gesetze
	        
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