Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

853 
Die Einnahmen, die fast ausschließlich aus 
Zöllen sowie aus Taxen auf ausgeführten Kautschuk 
und Kopfsteuern auf auswandernde oder auf den 
Schiffen Dienste nehmenden Eingebornen fließen, 
betrugen 1907/08: 376687, die Ausgaben 1906: 
340 036 Dollar. Die finanzielle Lage der Re- 
publik scheint sich seit der Eröffnung des Innern 
für den Handel der Weißen zu bessern; die öffent- 
liche Schuld betrug 1908: 189 100 Pfund Ster- 
ling äußere und 60 000 Pf. St. innere Schuld. 
— Ein stehendes Heer besitzt Liberia nicht, jedoch 
ist jeder waffenfähige Bürger von 16 bis 50 Jahren 
zum Kriegsdienst verpflichtet, wodurch sich eine 
Miliz von 2 Brigaden mit 5 Regimentern (zu- 
sammen 2000 Mann) ergibt. Im Wappen der 
Republik erinnert ein mit vollen Segeln daher- 
fahrender Dreimaster und die Devise: The love 
of liberty brought us here, an ihre Entstehung; 
außerdem zeigt es einen Pflug, einen palmartigen 
Baum, die aufgehende Sonne und einen mit dem 
Freiheitsbrief heranfliegenden Vogel. Die Landes- 
farben sind Rotl, Weiß, Blau; die Flagge ist von 
Rot und Weiß elfmal horizontal gestreift (mit 
Rot beginnend und schließend) und trägt oben am 
Flaggenstock ein blaues, die fünf obersten Streifen 
einnehmendes Viertel mit weißem, fünfzackigem 
Stern. 
Literatur. Wauwermans, Libéria, histoire 
de la fondation d'un état négre libre (Brüssel 
1885); Bourzeix, La République de Libéria (Par. 
1887); Dutry, Libéria, son histoire, sa constitu- 
tion et ses resscurces commerciales (ebd. 1887); 
Büttikofer, Reisebilder aus L. (2 Bde, 1890); M. 
Pherson, History of Liberia (Lond. 1891); Dela- 
fosse, Un état negre, in Renseignements colo- 
niaux (Par. 1900); Johnston, Liberia (2 -de, 
Lond. 1906; mit Bibliographie); Report of U. S. 
Commissioner of Education for 1905 1 (Washing-= 
ton 1907). [Franz, rev. Lins.) 
Lieber, Dr Ernst Marie (geb. 16. Nov. 
1838 zu Camberg in Nassau, gest. ebendort 
31. März 1902). Der Tod dieses hervorragenden 
Parlamentariers und katholischen Politikers liegt 
auch heute, sieben Jahre nach seinem Tod, noch 
zu kurze Zeit hinter uns, als daß schon eine 
gründliche Würdigung seiner Tätigkeit möglich 
wäre. Es kann sich daher an dieser Stelle nur 
um eine Skizze vorläufigen Charakters handeln. 
Liebers Vater, der nassauische Legationsrat 
Dr Moritz Lieber, der in den Kölner Wirren, im 
nassauischen Schul= und Kirchenstreit und auch 
sonst in der katholischen Bewegung Deutschlands 
als Redner und Schriftsteller eine hervorragende 
Rolle spielte, war in erster Ehe mit einer Schwester 
des bekannten Münchener Generalvikars Windisch- 
mann verheiratet; seine zweite Frau, Maria Jo- 
sepha geb. Hilt aus Oberursel, schenkte ihm zehn 
Kinder, von denen sieben Ernst überlebt haben. 
Unter den glücklichsten Familienverhältnissen heran- 
wachsend, erhielt er seine Gymnasialbildung in 
Aschaffenburg und (seit 1855) in Hadamar. Im 
Frühjahr 1858 bezog er als Jurist die Universität 
Lieber. 
  
854 
Würzburg. Später studierte er in München, 
Bonn und Heidelberg, wo er im Jahre 1861 den 
juristischen Doktortitel erwarb. Er war ein flei- 
ßiger, aber dem studentischen Frohsinn durchaus 
nicht abgeneigter Student; an dem damals noch 
in seinen Anfangsstadien stehenden katholischen 
Korporationswesen hat er sich eifrig beteiligt, mit 
dem Verband der katholischen Studentenverbin- 
dungen ist er als einer der ältesten alten Herren 
stets in enger Verbindung geblieben. Neben seinem 
juristischen Fachstudium trieb er eingehende son- 
stige Studien, besonders geschichtliche und literatur- 
geschichtliche. Nach bestandenem Doktorexamen 
konnte er noch mehrere Jahre einer freien wissen- 
schaftlichen Tätigkeit widmen und so den Grund 
zu einer ungewöhnlich vielseitigen und gründlichen 
allgemeinen Bildung legen. Von besonderem Wert 
waren ihm hierbei die Schätze der Hof= und 
Staatsbibliothek zu München, wo ihm auch der 
Verkehr mit Windischmann, Jörg und Phillips 
geistige Anregungen von dauerndem Wert gab. 
Daß er beabsichtigte, sich in München als Privat- 
dozent zu habilitieren, wird richtig sein, irrig da- 
gegen die Annahme, er habe nach dem Tode seines 
Vaters (29. Dez. 1860) diesen Gedanken auf- 
gegeben, um seine verwitwete Mutter bei der Er- 
ziehung der jüngeren Geschwister zu unterstützen; 
denn erst 1865 oder 1866 kehrte Lieber auf 
Wunsch seiner Mutter dauernd in die Heimat 
zurück. Hier wurde er bald in die Offentlichkeit 
hineingezogen, wobei die Vertrauensstellung, die 
schon sein Vater bei Bischof Blum von Limburg 
einnahm, auf den Sohn überging. Seit 1868 
tritt Ernst Lieber in Versammlungen auf, zuerst 
am Dreikönigentag (6. Jan.), wo Tausende nas- 
sauischer Katholiken zu Wallmerod sich seinem 
flammenden Protest gegen die Angriffe auf den 
Kirchenstaat, namentlich gegen den Putsch Gari- 
baldis (Gefecht von Mentana 3. Nov. 1867), an- 
schlossen; im Sept. gleichen Jahres sprach er in 
Limburg a. d. Lahn über die Simultanschulfrage, 
nachdem der nassauische Schulstreit (Einführung 
der Simultanschulen durch das Edikt von 1817) 
nach der Einverleibung Nassaus in Preußen wie- 
der aufgelebt war. Auch schriftstellerisch war er 
damals für die Konfessionsschule tätig, anscheinend 
nur in der Tagespresse, wenigstens finde ich die 
ihm gelegentlich zugeschriebenen Broschüren nir- 
gendwo verzeichnet. 
Das Jahr 1870, in dem er sich im Lieberschen 
Hospital zu Camberg an der Pflege der Opfer des 
Krieges beteiligte, brachte seinen Eintritt in sein 
eigentliches Arbeitsgebiet, das parlamentarische 
Leben. Bei den Neuwahlen für das preußische 
Abgeordnetenhaus lehnte sein Kampfgenosse Dom- 
kapitular Dr Klein (später Bischof von Limburg) 
eine Wiederwahl für den Unterwesterwaldkreis ab; 
es war fast selbstverständlich, daß man als Nach- 
folger den jungen Landsmann in Aussicht nahm, 
der schon manche Beweise einer außergewöhnlichen 
Begabung abgelegt hatte, und am 16. Nov. 1870
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.