Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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zogtum Troppau, am 18. Mai 1623 das Herzog- 
tum Jägerndorf und am 14. Nov. 1633 das 
Palatinat von Ungarn erhielt; am 20. Dez. 1633 
erfolgte die Erhebung der Herrschaften Kromau, 
Ostrau usw. (Mähren) zum Fürstentum Liechten- 
stein. Auch der jüngeren, Gundakarschen Linie 
bestätigte der Kaiser Ferdinand II. am 12. Sept. 
1623 die ihr schon 1620 verliehene Reichsfürsten- 
würde. Da die altfürstlichen Häuser des Reiches 
unter dem Vorwande, die Liechtensteiner seien 
österreichische Vassallen ohne unmittelbaren Besitz, 
die Anerkennung verweigerten, kaufte Karls Enkel 
Johann Adam Andreas von den Reichsgrafen 
von Hohenembs die reichsunmittelbarer Herr- 
schaften Schellenberg (1699) und Vaduz (1712); 
außerdem lieh er 1707 dem schwäbischen Kreise 
ein unverzinsliches Kapital von 250 000 Gulden 
und erhielt deshalb vom Kaiser eine Stimme auf 
der Fürstenbank dieses Kreises. Mit ihm erlosch 
1712 der ältere Karlsche Zweig im Mannes- 
stamme, und sein Besitz fiel an die Gundakarsche 
Linie. Mittels „kaiserlichen konfirmierten Palati- 
nats-Diplomas" vom 23. Jan. 1719 erhob Kaiser 
Karl VI. die Herrschaften Vaduz und Schellen- 
berg unter dem Namen Liechtenstein zu einem 
reichsunmittelbaren Fürstentum, und Fürst Joseph 
Johann Adam (1721/32) erhielt 1723 für sich 
und seine männlichen Nachkommen auf dem deut- 
schen Reichstag Sitz und Stimme. Da mit seinem 
einzigen Sohn Johann Nepomuk Karl der ältere 
Zweig der Gundakarschen Linie 1748 ausstarb, 
folgte der jüngere mit Joseph Wenzel (1696/1772), 
dem Schöpfer der österreichischen Artillerie. 
Nach dem Tode des kinderlosen Joseph Wenzel 
wurden die Söhne seines Bruders Emanuel die 
Stifter der beiden noch jetzt blühenden Linien des 
Hauses Liechtenstein. Franz Joseph (1726/81) 
begründete die ältere, regierende Linie, welcher 
nebst dem Fürstentum Liechtenstein der größte 
Teil der reichen Mediatbesitzungen zufiel; Karl 
Borromäus (1730/89) die jüngere, Kromauer 
((etzt am Erlöschen), die als Sekundogenitur das 
um 1750 gestiftete Karlsche Majorat besitzt. Fürst 
Johann Joseph (1760/1836), der sich als ein- 
sichtsvoller Feldherr und Diplomat einen ehren- 
vollen Platz in der österreichischen Geschichte er- 
rungen hat, wurde 1806 ohne sein Wissen und 
Verlangen in den Rheinbund ausgenommen. Um 
einem Zerwürfnis mit dem Hause Habsburg aus- 
zuweichen, verzichtete er für seine Person auf die 
ihm zugedachte Souveränität und übergab das 
Fürstentum seinem dritten, damals dreijährigen 
Sohne Karl, der unter seiner Vormundschaft bis 
1813 regierte. 
Nach der Auflösung des Rheinbundes über- 
nahm Fürst Johann wieder selbst die Herrschaft 
und trat 1815 dem Deutschen Bunde bei, dem 
Liechtenstein bis zu seiner Auflösung angehörte. 
Auf der Bundesversammlung führte das Fürsten- 
tum im engeren Rate mit den beiden Reuß, bei- 
den Lippe, Waldeck und Hessen-Homburg die 
Liechtenstein. 
  
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16. Stimme, im Plenum die 28. mit einer Viril- 
stimme. Zum Bundesheere stellte es nach der 
Matrikel vom 14. April 1842: 91 Mann. Um 
dem Art. 13 der deutschen Bundesakte zu genügen, 
erließ Fürst Johann am 9. Nov. 1818 eine land- 
ständische Verfassung „nach dem Muster der in 
den deutsch-österreichischen Staaten bestehenden“. 
Die 19 Artikel dieser patriarchalischen Urkunde, 
welche eine Vertretung des Landes aus der Geist- 
lichkeit und der Landmannschaft (Adel und Städte 
fehlten) schuf, erfuhren 1848/49 unter dem Für- 
sten Alois Joseph (1836/58) durch die Aufhebung 
grundherrlicher Lasten,, die Zusicherung einer 
Zehntenablösung und die Überweisung landes- 
zerrlicher Gefälle an die Staatskasse kaum merk- 
iche Verbesserungen. Erst der gegenwärtig regie- 
rende Fürst Johann II. Maria Franz Plazidus 
(geb. 5. Okt. 1840) gab seinem Lande 1862 eine 
neue, im Wege der Vereinbarung zwischen Für- 
sten und Volk geschaffene Verfassung. Liechtenstein, 
welches sich in der deutschen Frage 1866 natur- 
gemäß auf Osterreichs Seite stellte und im Prager 
Frieden unberücksichtigt blieb, hielt sich nach Auf- 
lösung des Deutschen Bundes sowohl von den 
süddeutschen Staaten wie auch später vom Deut- 
schen Reiche sern. Durch die Zollverträge vom 
3. Dez. 1876 und 27. Nov. 1888 schloß sich das 
isolierte Ländchen näher an das nachbarliche Oster- 
reich an. 
2. Bevölkerung, Wirtschaft. Das Für- 
stentum hat einen Flächeninhalt von 159,9 qkm 
mit einer Bevölkerung (1906) von 9650 (4715 
männlichen und 4935 weiblichen) Einwohnern, 
60 auf 1 qkm. Die Bevölkerungsziffer, die 1855 
etwa 7000, 1876: 8664, 1886: 9593 Personen 
betrug und von 1876 bis 1886 durch männliche 
Einwanderung (in Liechtenstein besteht keine Wehr- 
pflicht) eine jährliche Zunahme von 1.6 % zeigte, 
ist seither mit geringen Schwankungen (1891 nur 
9434) ziemlich stationär geblieben. Der Hauptort 
Vaduz zählte 1906: 1206 Einwohner. — Die 
durchaus deutsche Bevölkerung bekennt sich fast 
ausschließlich zur katholischen Kirche. Ihre Haupt- 
erwerbsquellen sind Landwirtschaft (50 qkm Kul- 
turland) und Viehzucht. Im milden Klima des 
fruchtbaren Rheintales gedeihen neben Weizen und 
Mais auch Wein (besonders bei Vaduz) und Obst, 
während der gebirgige Teil des Fürstentums vor- 
zügliche Weiden (27 qkm) und ausgedehnte Wal- 
dungen (47 qkm) besitzt. Die Rinderzucht steht 
bei der musterhaften Alpwirtschaft in hoher Blüte 
und liefert jährlich 900/1000 Stück für die Aus- 
fuhr. — Hauptzweige der in unverkennbarem Auf- 
schwung begriffenen gewerblichen Tätigkeit sind 
neben der Holzindustrie die Baumwollspinnerei 
(Vaduz), die mechanische Weberei (Triesen und 
Mühleholz) und die Ziegelfabrikation; verbreitet 
als Hausindustrie ist die Maschinenstickerei. Im 
Frühjahr ziehen alljährlich Hunderte als Bau- 
handwerker nach Frankreich und in die Schweiz, 
um im Herbst wieder zurückzukommen. Die Ver- 
— 
 
	        
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