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stellung oder Beförderung im Staatsdienst an, so
ist eine Neuwahl erforderlich; Mitglieder der Re-
gierung und der Rentkammer sind nicht wählbar.
Die Abgeordneten wählen ihren Präsidenten selbst
und erhalten täglich 9 MI Diäten und Reisekosten
(Wahlgesetz vom 3. Juni 1876).
Die höchste Behörde ist das Staatsministerium
(geschaffen 1853, bis 1897 Kabinettsministerium),
dem die Verwaltungs= und Justizbehörden unter-
stehen. Die oberste Behörde für die Landesver-
waltung ist die fürstliche Regierung, für die geist-
lichen und Schulangelegenheiten das Konsisto-
rium. Der Präsident beider Kollegien ist zurzeit
der Staatsminister. Die 7 Städte sowie der
Flecken Schwalenberg haben eigne Verwaltung
und Polizei (Städteordnung vom 18. April 1886).
Auf dem platten Land bestehen Dorfs= und Amts-
gemeinden. Die Bewohner einer Bauerschaft bil-
den die Dorfsgemeinde (Dorfsgem.-Ordn. vom
18. April 1893). Die Amtsgemeinde (Amtsgem.=
Ordn. vom 2. März 1841) besteht aus den Dorfs-
gemeinden, den Rittergütern und Domänen. Die
Vorsteher dieser drei bilden den Amtsgemeinderat,
der unter Vorsitz des Amtshauptmanns über Poli-
zei, Armenwesen, Wegebau usw. beschließt. Die
13 Amtsgemeinden oder Amter sind zu 5 Verwal-
tungsämtern unter einem Amtmann (Amtsrat,
Amtshauptmann) zusammengefaßt.
Das preußische Oberlandesgericht in Celle gilt
zugleich als Oberlandesgericht für das Fürstentum
L#ppe (Staatsvertrag vom 4. Jan. 1879), dessen
Landgericht sich in Detmold befindet und 9 fürst-
liche Amtsgerichte umfaßt. Postalisch gehört Lippe
zur Oberpostdirektion Minden. Die wirtschaft-
lichen Interessen vertreten eine Handwerkerkammer
(Detmold) und der Landwirtschaftliche Haupt-
verein.
Die Finanzen sind in guter Ordnung. Der
Staatshaushalt, von dem seit dem 1. Jan. 1869
der Domanialhaushalt vollständig getrennt ist,
wies 1907/08 eine Ausgabe von 2,30 Mill. und
eine Einnahme von 1,26 Mill. Mauf. Die Landes-
schuld betrug am 31. März 1907: 1,30 Mill. M.
Die Verwaltung des Domänenguts wird durch
die fürstliche Fideikommißverwaltung geführt, die
sich aus der Rentkammer und der Forstdirektion
zusammensetzt. Sämtliche zum Domanium ge-
hörigen Vermögensobjekte (Schlösser, Domänen,
Forsten, Erbpachtgüter, das Bad Meinberg, die
Saline Salzuflen usw.) sind zum Fideikommißgut
des fürstlichen Hauses erklärt worden (1867), wo-
für die Domanialkasse die Kosten des Hobhaltes,
die Apanagen usw. trägt, eine Geldrente der Lan-
deskasse überweist und die auf dem Domanium
ruhenden Schulden verzinst.
Laut Militärkonvention mit Preußen vom
14. Nov. 1873, die das Abkommen vom 26. Juni
1867 ersetzte, ist das Kontingent des Fürstentums
in den preußischen Militärverband aufgenommen.
Die Mannschaften werden besonders dem Füfilier=
bataillon des Inf.-Reg. Graf Bülow von Denne-
Lippe.
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witz (6. westfäl.) Nr 55 (Garnison Detmold) über-
wiesen, welches zur 13. Division und zum 7. Armee-
korps (Münster) gehört.
Das lippesche Ehrenkreuz (Hausorden, vier
Klassen) wurde 1869 gegründet und bis 1890
gemeinsam von Lippe und Schaumburg-Lippe
verliehen. Der Leopoldorden (vier Klassen) wurde
1906 gestiftet. Das Landeswappen, ein in neun
Felder abgeteilter Schild, trägt in der Mitte das
uralte lippesche Stammwappen: die fünfblätterige
rote Rose mit goldenen Butzen in silbernem Felde.
Die Landesfarben sind Gelb und Rot.
4. Kirche und Schule. Bis 1854 war, ab-
gesehen von der lutherisch gebliebenen Stadt Lemgo,
die Anfang des 17. Jahrh. eingeführte reformierte
Kirche die herrschende. Eine katholische Gemeinde
hatte sich in Falkenhagen (ehemaliges Kloster) er-
halten; eine zweite bildete sich Ende des 18. Jahrh.
in Lemgo; hier wurde 1786 der erste öffentliche
katholische Gottesdienst bewilligt. Mit dem Jahr
1818 setzen die langjährigen Bemühungen zur
Beseitigung des reformierten Pfarrzwangs ein.
In der Bulle De salute animarum (16. Juli
1821) wurden die Dibzesanrechte dem Bischof von
Paderborn übertragen, dem vor der Reformation
der größte Teil des lippeschen Gebiets unterstanden
hatte und der sich auch später der wenigen Katho-
liken angenommen hatte. Namentlich ward Lippe
in der Bulle allerdings nicht erwähnt. Erst durch
das landesherrliche Edikt vom 9. März 1854 er-
hielt, nicht zuletzt dank des Gerechtigkeitssinnes
des ersten lippeschen Kabinettsministers Laurenz
Hannibal Fischer, die katholische Kirche die Gleich-
berechtigung mit der reformierten Landeskirche (die
lutherische Kirche durch Edikt vom 15. März
1854). Die Dibzesanrechte des Bischofs von
Paderborn wurden anerkannt. Der Bischof be-
setzt die Pfarreien, doch kann der Landesherr einen
minder genehmen Kandidaten ablehnen. Der
Pfarrer hat den Eid der Treue gegen den Fürsten
und sein Haus abzulegen. Die 8 (bis 1888: 5)
lippeschen Pfarreien sind seit 1892 zu dem De-
kanat Detmold verbunden. Abgesehen von den
auf privatrechtlichem Titel beruhenden Leistungen
an die Pfarrei Falkenhagen zahlt der Staat nur
an den katholischen Pfarrer in Lemgo 300 M
jährliche Gehaltszulage aus der Kasse der auf-
gehobenen Klöster und Stiftungen (Generalkasse).
Die kirchlichen Angelegenheiten der beiden
evangelischen Konfessionen verwaltet das
Konsistorium. Durch mehrere Gesetze aus den
Jahren 1876/78 wurde eine presbyteriale Or-
ganisation der (zurzeit 46) reformierten Pfarr-
gemeinden und eine Synodalverfassung geschaffen,
die durch Verordnung vom 19. Okt. 1882 auf
die (zurzeit 5) lutherischen Gemeinden aus-
gedehnt wurde. An der Spitze der reformierten
Geistlichkeit steht der Generalsuperintendent, die
lutherische Geistlichkeit leitet ein Konsistorialrat.
Die in Lippe ansässigen Juden haben (Gesetz
vom 30. Juni 1858) unter dem Namen „Land-
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