Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

869 
stellung oder Beförderung im Staatsdienst an, so 
ist eine Neuwahl erforderlich; Mitglieder der Re- 
gierung und der Rentkammer sind nicht wählbar. 
Die Abgeordneten wählen ihren Präsidenten selbst 
und erhalten täglich 9 MI Diäten und Reisekosten 
(Wahlgesetz vom 3. Juni 1876). 
Die höchste Behörde ist das Staatsministerium 
(geschaffen 1853, bis 1897 Kabinettsministerium), 
dem die Verwaltungs= und Justizbehörden unter- 
stehen. Die oberste Behörde für die Landesver- 
waltung ist die fürstliche Regierung, für die geist- 
lichen und Schulangelegenheiten das Konsisto- 
rium. Der Präsident beider Kollegien ist zurzeit 
der Staatsminister. Die 7 Städte sowie der 
Flecken Schwalenberg haben eigne Verwaltung 
und Polizei (Städteordnung vom 18. April 1886). 
Auf dem platten Land bestehen Dorfs= und Amts- 
gemeinden. Die Bewohner einer Bauerschaft bil- 
den die Dorfsgemeinde (Dorfsgem.-Ordn. vom 
18. April 1893). Die Amtsgemeinde (Amtsgem.= 
Ordn. vom 2. März 1841) besteht aus den Dorfs- 
gemeinden, den Rittergütern und Domänen. Die 
Vorsteher dieser drei bilden den Amtsgemeinderat, 
der unter Vorsitz des Amtshauptmanns über Poli- 
zei, Armenwesen, Wegebau usw. beschließt. Die 
13 Amtsgemeinden oder Amter sind zu 5 Verwal- 
tungsämtern unter einem Amtmann (Amtsrat, 
Amtshauptmann) zusammengefaßt. 
Das preußische Oberlandesgericht in Celle gilt 
zugleich als Oberlandesgericht für das Fürstentum 
L#ppe (Staatsvertrag vom 4. Jan. 1879), dessen 
Landgericht sich in Detmold befindet und 9 fürst- 
liche Amtsgerichte umfaßt. Postalisch gehört Lippe 
zur Oberpostdirektion Minden. Die wirtschaft- 
lichen Interessen vertreten eine Handwerkerkammer 
(Detmold) und der Landwirtschaftliche Haupt- 
verein. 
Die Finanzen sind in guter Ordnung. Der 
Staatshaushalt, von dem seit dem 1. Jan. 1869 
der Domanialhaushalt vollständig getrennt ist, 
wies 1907/08 eine Ausgabe von 2,30 Mill. und 
eine Einnahme von 1,26 Mill. Mauf. Die Landes- 
schuld betrug am 31. März 1907: 1,30 Mill. M. 
Die Verwaltung des Domänenguts wird durch 
die fürstliche Fideikommißverwaltung geführt, die 
sich aus der Rentkammer und der Forstdirektion 
zusammensetzt. Sämtliche zum Domanium ge- 
hörigen Vermögensobjekte (Schlösser, Domänen, 
Forsten, Erbpachtgüter, das Bad Meinberg, die 
Saline Salzuflen usw.) sind zum Fideikommißgut 
des fürstlichen Hauses erklärt worden (1867), wo- 
für die Domanialkasse die Kosten des Hobhaltes, 
die Apanagen usw. trägt, eine Geldrente der Lan- 
deskasse überweist und die auf dem Domanium 
ruhenden Schulden verzinst. 
Laut Militärkonvention mit Preußen vom 
14. Nov. 1873, die das Abkommen vom 26. Juni 
1867 ersetzte, ist das Kontingent des Fürstentums 
in den preußischen Militärverband aufgenommen. 
Die Mannschaften werden besonders dem Füfilier= 
bataillon des Inf.-Reg. Graf Bülow von Denne- 
Lippe. 
  
870 
witz (6. westfäl.) Nr 55 (Garnison Detmold) über- 
wiesen, welches zur 13. Division und zum 7. Armee- 
korps (Münster) gehört. 
Das lippesche Ehrenkreuz (Hausorden, vier 
Klassen) wurde 1869 gegründet und bis 1890 
gemeinsam von Lippe und Schaumburg-Lippe 
verliehen. Der Leopoldorden (vier Klassen) wurde 
1906 gestiftet. Das Landeswappen, ein in neun 
Felder abgeteilter Schild, trägt in der Mitte das 
uralte lippesche Stammwappen: die fünfblätterige 
rote Rose mit goldenen Butzen in silbernem Felde. 
Die Landesfarben sind Gelb und Rot. 
4. Kirche und Schule. Bis 1854 war, ab- 
gesehen von der lutherisch gebliebenen Stadt Lemgo, 
die Anfang des 17. Jahrh. eingeführte reformierte 
Kirche die herrschende. Eine katholische Gemeinde 
hatte sich in Falkenhagen (ehemaliges Kloster) er- 
halten; eine zweite bildete sich Ende des 18. Jahrh. 
in Lemgo; hier wurde 1786 der erste öffentliche 
katholische Gottesdienst bewilligt. Mit dem Jahr 
1818 setzen die langjährigen Bemühungen zur 
Beseitigung des reformierten Pfarrzwangs ein. 
In der Bulle De salute animarum (16. Juli 
1821) wurden die Dibzesanrechte dem Bischof von 
Paderborn übertragen, dem vor der Reformation 
der größte Teil des lippeschen Gebiets unterstanden 
hatte und der sich auch später der wenigen Katho- 
liken angenommen hatte. Namentlich ward Lippe 
in der Bulle allerdings nicht erwähnt. Erst durch 
das landesherrliche Edikt vom 9. März 1854 er- 
hielt, nicht zuletzt dank des Gerechtigkeitssinnes 
des ersten lippeschen Kabinettsministers Laurenz 
Hannibal Fischer, die katholische Kirche die Gleich- 
berechtigung mit der reformierten Landeskirche (die 
lutherische Kirche durch Edikt vom 15. März 
1854). Die Dibzesanrechte des Bischofs von 
Paderborn wurden anerkannt. Der Bischof be- 
setzt die Pfarreien, doch kann der Landesherr einen 
minder genehmen Kandidaten ablehnen. Der 
Pfarrer hat den Eid der Treue gegen den Fürsten 
und sein Haus abzulegen. Die 8 (bis 1888: 5) 
lippeschen Pfarreien sind seit 1892 zu dem De- 
kanat Detmold verbunden. Abgesehen von den 
auf privatrechtlichem Titel beruhenden Leistungen 
an die Pfarrei Falkenhagen zahlt der Staat nur 
an den katholischen Pfarrer in Lemgo 300 M 
jährliche Gehaltszulage aus der Kasse der auf- 
gehobenen Klöster und Stiftungen (Generalkasse). 
Die kirchlichen Angelegenheiten der beiden 
evangelischen Konfessionen verwaltet das 
Konsistorium. Durch mehrere Gesetze aus den 
Jahren 1876/78 wurde eine presbyteriale Or- 
ganisation der (zurzeit 46) reformierten Pfarr- 
gemeinden und eine Synodalverfassung geschaffen, 
die durch Verordnung vom 19. Okt. 1882 auf 
die (zurzeit 5) lutherischen Gemeinden aus- 
gedehnt wurde. An der Spitze der reformierten 
Geistlichkeit steht der Generalsuperintendent, die 
lutherische Geistlichkeit leitet ein Konsistorialrat. 
Die in Lippe ansässigen Juden haben (Gesetz 
vom 30. Juni 1858) unter dem Namen „Land- 
287
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.