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überwinden. Das wäre doch eigentlich das Ideal
der Armenunterstützung.
So ist der-Luxus durch vernünftige Zweckbe-
ziehung nicht bloß erlaubt, sondern förmlich Pflicht.
Er wird zur Repräsentationspflicht. Durch
ihre Erfüllung soll einerseits die Bedeutung des
Standes, des geistlichen oder weltlichen, innerhalb
der Gesellschaft zum sichtbaren Ausdruck gebracht
werden, und zugleich soll dieser Stand eine Pflicht
gegen das Ganze abtragen durch Darbietung von
Freude und Ermöglichung eines geistigen Genusses.
Man erwartet daher von den begüterten Klassen
geradezu einen „standesgemäßen“ oder Repräsen-
tationsaufwand. Durch Unterstützung der Kunst,
durch öffentliche Bauten, Gärten usw. wird nicht
bloß Brot an Hunderte von Arbeitsleuten gewährt,
sondern auch ein geistiges Brot der Freude und
des Wohlwollens dargereicht. Solcher Luxus ist
der Gegensatz zur egoistischen Abschließung, die
durch Unterbindung alles höheren Genußlebens
nur Schätze auf Schätze ansammelt, ohne das
eigne oder fremde Dasein zu bereichern.
Wir können zu den Kennzeichen eines wahren,
nützlichen Luxus geradezu die Mitteilbarkeit rechnen.
Diese eignet natürlich in besonderer Weise den gei-
stigen Genüssen, die ihrer Natur nach keine Ver-
minderung erfahren, auch wenn sie von Unzähligen
genossen werden. Edler Luxus ist daher eine der
wirksamsten Arten der Volkserziehung. Er wirkt
erzieherisch, indem er durch die Arbeit, die er ver-
anlaßt, den Müßiggang bannt, sodann durch die
edeln Genüsse, die er den Massen ermöglicht. Er
ist aber auch insofern wichtig, da die ungemessene
zwecklose Anhäufung von Riesenprivatvermögen
für den einzelnen wie für die Gesamtheit von Übel
ist. Sie führt nur immer zu neuen Rententiteln,
die den Ertrag der Arbeit aus denen, die sie leisten,
herauspumpen.
Es bedarf natürlich nicht des besondern Hin-
weises, daß nicht alle Aufwendungen zu Luxus-
zwecken gleich wertvoll und berechtigt sind. So-
wenig auch die Ausgaben für materielle Genüsse
an sich verwerflich sind, und so sehr auch den
Reichen ein höheres Maß feinerer Lebensweise
zugebilligt werden muß schon deswegen, weil sie
hauptsächlich die geistige Arbeit zu leisten haben,
so gibt es doch noch einen edleren Luxus. „Un-
sere besitzenden Klassen sollen noch viel mehr
ausgeben, aber nicht für kulturschädlichen Luxus,
für Alkohol und Nikotin, für Tafel, Schmuck,
Sport, Spiel und sinnliche Genüsse. Sie sollen
ihren Wohlstand, ihre Muße verwenden entweder
für die Ausbreitung der Kultur unter den Massen
des Volkes, für Hebung der allgemeinen Wohl-
fahrt oder für die Erhöhung unserer sittlichen und
geistigen Kultur, für Kunst, Literatur und Wissen-
schaft, für geistig verklärten und veredelten Lebens-
genuß. Noch immer steht die Kunst mehr im Dienste
des Reichtums, als der Reichtum im Dienste der
Kunst“ (Traub, Ethik und Kapitalismus [1905)
143). Daneben gibt es auch einen Luxus für
Luxus usw.
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charitative und religiöse Zwecke, der die ver-
schiedensten Bedürfnisse befriedigt, alle möglichen
Arten der Not in seinen Bereich zieht, oder aber
der Förderung der Religion und der Ehre Gottes
etwa durch Ausgaben für Kirchen, Missionen usw.
dient. Luxus der letztgenannten Art dürfen wir
so wenig schelten, als Jesus den Tadel gelten ließ,
den die Apostel über die „Verschwendung“ des
Weibes aussprachen, das dem Heiland „zu seinem
die Füße mit kostbarem Ol gesalbt
atte.
Neben berechtigter Standesrepräsentation gibt
es auch eine solche, die jede ethische Begründung
und jedes soziale Verständnis vermissen läßt. Sie
dient nicht der würdigen Darstellung der Bedeu-
tung des Standes im öffentlichen Bewußtsein
sondern entspringt unlautern, selbstsüchtigen, anti-
sozialen Motiven und findet ihr Ziel im rein ma-
teriellen Sinnengenuß. Solcher Luxus wirkt na-
türlich nicht veredelnd. Er verdirbt den, der ihn
treibt, und den, der ihn sieht. „Die sittliche Kultur
des Geistes leidet unter der Vorherrschaft des
Toiletten-, Mode- und Tafelluxus. Es ist ein
Armutszeugnis des reich gewordenen Teiles der
Bevölkerung, daß er auf diese Art des Luxus
solches Gewicht legt. Genauer ausgedrückt, es ist
ein Zeichen von Unbildung, womit sich diese Klasse
auf das gleiche Niveau stellt wie die regelmäßigen
Wirtshausbesucher, denen auch sinnliche Genüsse
die höchste Art ihrer Luxusbefriedigung darstellen.
Nichts wirkt ansteckender als diese Opfer, welche
der falschen Repräsentation gebracht werden“
(Traub a. a. O. 143). Ein Luxus, der nur im
Dienste der Genußsucht und der Eitelkeit steht,
kann nicht einmal das Verdienst in Anspruch
nehmen, daß er Geld unter die Leute bringt und
lohnende Arbeitsgelegenheit schafft. Denn gerade
die Luxus- und Modeindustrien zahlen erfahrungs-
gemäß ihre Arbeitskräfte am schlechtesten. Die
Unbeständigkeit der Modebedürfnisse zwingt sie,
an billigen Löhnen etwas zu verdienen. Auch läßt
sich nicht behaupten, daß Reichtum und Luxus sich
stets der Blüte der Kunst förderlich erweisen. Der
verweichlichende Einfluß des Reichtums kann statt
echter Kunst die Ausbildung eines platten Vir-
tuosentums begünstigen (Kindermann, Volkswirt-
schaft und Kunst (19031 42).
Wenn die Ethik daran festhält, daß die Rück-
sicht auf den Nebenmenschen und auf die Gesell-
schaft eine zwecklose Vergeudung von Genußgütern
verbietet, so hat man neuestens jeden Einfluß der
Moral auf das Problem des Luxus zurückgewiesen.
Dadurch habe die „ethische Nationalökonomie“
die Frage verwirrt, daß sie zwischen erlaubtem und
unerlaubtem Luxus unterscheiden wollte (Som-
bart, Der moderne Kapitalismus II I19021
291 f). Das ist ja richtig, daß der Luxus niemals
ein absoluter Begriff ist und keine ein für allemal
feststellbare Grenze hat. Eine solche Elastizität des
Luxusbegriffes ist von großer Bedeutung, um die
verschiedenen Etappen der Kulturentwicklung be-