Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

949 Majestätsverbrechen. 950 
statis den Verrat und die Aufwieglung eines alsdann die Person des Kaisers dem Staate ganz 
Heeres, seine verräterische Ubergabe an den Feind, gleichgestellt und die Verbrechen gegen ihn wurden 
unwürdige Handlungen eines Magistrates, durch den Verbrechen gegen das Ansehen und die Macht 
welche die römische Hoheit oder das Recht des des Staates gleich behandelt. Das crimen maie- 
Staates verletzt wurden, die Überschreitung der statis erhielt unter den Kaisern seine Erweiterung 
Amtsgewalt durch Führung von Krieg ohne Auf= und wurde zugleich ein exzeptionelles Verbrechen 
trag des Volkes, die Uberschreitung der Grenzen in Beziehung auf das Verfahren. Neu hinzu- 
der Provinz durch den Statthalter, Ausführung gefügt wurden zu den alten Tatbeständen des 
der Truppen, Eindringen in ein untertäniges crimen maiestatis die Anmaßung von Hoheits- 
Königreich ohne Befehl des Senats und der rechten, namentlich des Münzregals, die Anlage 
Bürgerschaft, aber auch schon das gesprochene von Privatgefängnissen, Nachstellungen nach dem 
Wort. Der Gewinn des Gesetzes bestand in der Leben des Kaisers und auch nach dem Leben 
ordentlichen Rechtspflege statt der Komitialjustiz virorum illustrium. Schon Augustus gebrauchte 
und der Abschaffung der Todesstrafe für politische die lex lulia in der Kognition über Schmäh- 
Verbrechen; die uns unbekannte Strafe war schriften; Tiberius stellte bereits Beleidigungen 
zweifellos nur Interdiktion. Cäsars lex lulia de der Majestät im Bilde unter den Begriff des 
maiestate (708) wendete den Majestätsbegriff Majestätsverbrechens, welches eine solche Steige- 
auf den Imperator an. Dieselbe umfaßt: 1) Hand= rung erhielt, daß die Grenzbestimmung zwischen 
lungen, welche den Staat hinsichtlich seiner Ver-Erlaubtem und Unerlaubtem fast nur noch von 
fassung gefährden, unerlaubte Zusammenkünfte dem Gutdünken des jeweiligen Kaisers abhing. 
und Versammlungen, Komplotte und Verschwö-- Crimina maiestatis wurden Pasquille, Schmäh- 
rungen gegen den Staat, Aufruhr, Volksaufstand schriften, Schmähreden, Injurien, Respektswidrig- 
(seditio, tumultus turbae); 2) Handlungen, keiten gegen die Kaiser, symbolische Injurien gegen 
welche sich auf die Gefährdung der Staatshoheit das kaiserliche Bildnis, falscher Eid beim Namen 
durch die Magistrate beziehen, willkürliche An= des Kaisers, Anmaßung von Zeichen und Ehren, 
maßung von Hoheitsrechten, Kriegführung, Ver= welche nur dem Kaiser zukamen. Die Strafe war 
sammlung des Heeres ohne Befehl des Staats- bei den eigentlichen staatsfeindlichen Unterneh- 
oberhauptes, Nichtübergabe des Heeres seitens des mungen die in den Quästionen beseitigte Todes- 
Statthalters in der Provinz an den Nachfolger, strafe mit damnatio memoriae, Untersagen des 
Nichtverlassen der Provinz seitens des Statt= Trauerns, Infamie und Erbunfähigkeit der Söhne 
halters nach Ablauf seiner Funktionen, Befreiung des Verbrechers. Die Todesstrafe wurde beson- 
eines gefangenen geständigen Verbrechers; 3) An= ders häufig gegen die christlichen Märtyrer an- 
maßung der Besorgung von Staatsangelegen= gewandt, welche wegen ihrer geheimen Zusammen- 
heiten durch Privatleute sowie Nachstellung nach künfte, ihrer Eides-, Dienst-- und Opferverweige- 
dem Leben der Magistratspersonen; 4) Fälschung rung und wegen ihres Glaubens an den Ge- 
von Akten; 5) Handlungen, welche sich auf die kreuzigten als Feinde des Gemeinwesens galten. 
Verletzung des Staates in seinem Verhältnis zu Die leichteren Fälle wurden in der freien Extra- 
äußern Feinden beziehen, wie wirkliche Verräterei ordinarjurisdiktion der Kaiserzeit gelinder be- 
durch Überlieferung von Land und Leuten an den straft, so bei Aufruhr nur die Anstifter; Respekts- 
Feind, Unterstützung des Feindes durch Nach= verletzungen und selbst Injurien wurden von den 
richten, Spioniererei, durch Zufuhr, Entlassung milderen Kaisern ganz ignoriert. Die Grundlage 
der feindlichen Geiseln, Aufregung eines fremden des christlichen Rechts wurde die lex Quisquis 5, 
Volkes gegen Rom, Verrat aus Feigheit und C. ad leg. Uul. mai. (9. 8) des Kaisers Arkadius 
Schwäche durch Verlassen des Heeres seitens des (397), welche Handlungen gegen die Minister des 
Feldherrn oder durch Fliehen eines Bürgers zum Kaisers von neuem als Majestätsverbrechen be- 
Feind, Desertieren und Überlaufen der Soldaten. zeichnete. Dabei konkurrierte dieses Verbrechen 
In subjektiver Beziehung war stets eine maje= mit dem crimen vis, dem falsum und dem 
stätsverbrecherische Absicht erforderlich; der Dolus crimen repetundarum. Im kanonischen Rechte 
in der Anstiftung und die Beihilfe wurden gleich der findet sich die lex Quisquis (c. 22, C. VI, 
Tat, die gesetzlichen Fälle des Versuches gleich der q. 1) und die Subsumtion der Beleidigung der 
Vollendung bestraft. Die Strafe war aquae et Kardinäle der Kirche unter das crimen laesae 
ignis interdictio. maiestatis (c. 5, de poenis in VI# (5. 9)). 
Lag es in dem Wesen der Republik, daß der In dem germanischen Rechte tritt schon in 
Angriff auf den Magistrat einen Angriff auf die den Volksrechten die Verletzung der besonders ge- 
Gemeinde selbst enthielt, die Tötung eines Be= lobten Treue in den Vordergrund. Der Hoch- 
amten also Hochverrat war, so war es nur kon= verrat ist Infidelität, d. h. Verletzung des all- 
sequent, daß in der Zeit der ersten Kaiser Angriffe gemeinen, von sämtlichen Untertanen zu leistenden 
auf den princeps, der sich auf die tribunizische Fidelitätseides, sacramentum üidelitatis. Das 
Unverletzlichkeit stützte, weil er Inhaber des tri- . Verbrechen zerfällt in Landesverrat und Verrat 
bunizischen Amtes war, als crimen maiestatis oder Treubruch an dem König und seiner Familie. 
bestraft wurden. In der späteren Kaiserzeit wurde Letzterer war das Bestreben, den König seiner Ge- 
  
 
	        
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