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walt zu entsetzen, ihm bereits unterworfenes Land
oder Volk zu entziehen, sein Leben anzugreifen.
Landesverrat war die Gefährdung von Land und
Volk durch Erweckung von Feinden, Beförderung
kriegerischer Unternehmungen, durch Verletzung
der Pflichten eines wehrhaften Mannes, ins-
besondere eigenmächtiges Verlassen des Heeres
(sog. Herifliz), sowie durch die Mitteilung von
Geheimnissen des Königs an Auswärtige. Mit
beiden Fällen der Infidelität war schon frühe
Todesstrafe, mit dem Landesverrat Todesstrafe
oder Verbannung verbunden, falls nicht der König
das Loskaufen gestattete (Lex Ripuariorum 69, 1;
Caroli M. Capit. a. 801, c. 3; Pertz, No-
num. III 83; L. Ratchis c. 5, 8). Sachsen-
spiegel und Schwabenspiegel heben Verräterei be-
sonders hervor. Doch umfaßt dieser Ausdruck jede
mit feindlicher Gesinnung gegen eine Person,
welcher man besondere Treue schuldig ist (wie
Verwandten, Mitbürgern, dem Lehns= und Lan-
desherrn), vorgenommene Handlung, wodurch die-
selbe auf lebensgefährliche Weise ihren Feinden
bloßgestellt oder wodurch die Lostrennung von
Landesteilen, Auslieferung von festen Plätzen be-
zweckt wird, also nicht nur Hochverrat und Auf-
ruhr, sondern auch Verwandten= und Meuchel-
mord. Heinrichs VII. Gesetz von 1313 (Pertz,
a. a. O. IV 544) zeigt, daß in dem Rechte des
Mittelalters bereits Anklänge vorhanden sind,
welche auf das unbewußte Streben deuten, aus
dem mehr auf persönliche Verbindung gerichteten
germanischen Begriffe des Verrates den politischen
Begriff des römischen Majestätsverbrechens her-
auszubilden. Die Goldene Bulle von 1356 nahm
in Art. 29 die lex Quisquis auf und erklärte
dieselbe für anwendbar auf den Kaiser und die
Person des Kurfürsten. Das Eindringen des ka-
nonischen und insbesondere des römischen Rechts,
die Annahme des dem germanischen und kano-
nischen Rechte unbekannten Grundsatzes: Prin-
ceps legibus solutus est, bewirkte die Auf-
nahme von an das römische crimen maiestatis.
sich anschließenden Bestimmungen in die bam-
bergische Halsgerichtsordnung von 1507. Die
peinliche Gerichtsordnung Karls V. (1532) spricht
Majestätsverbrechen.
in Art 124 von Verräterei, die mit Vierteilen be-
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Die Doktrin und Praxis des 16. und 17. Jahrh.
dehnte das crimen maiestatis von den Kaisern
und den Kurfürsten auf die übrigen Landesherren
aus, schied von demselben aber alle als besondere
Verbrechen bereits erklärten Verbrechen aus, wie
Münzverbrechen, Fälschung öffentlicher Akten, Be-
freiung von Gefangenen, und faßte den Hoch-
verrat (vgl. d. Art.), der Entwicklung des Staats-
rechts sich anschließend, von einem mehr ob-
jektiven Standpunkt aus auf, indem unter ihm
die Handlungen gegen die Verfassung des Staates
und dessen äußere Sicherheit sowie die Angriffe
auf die Existenz des Staatsoberhauptes, die In-
jurien gegen den Regenten aber unter dem crimen
laesae maiestatis verstanden wurden. Hiernach
wurden Hochverrat und Mojestätsverbrechen
unterschieden und unter jenem jeder rechtswidrige
Angriff gegen die Unverletzlichkeit, Selbständigkeit
und die Fund taleinricht des Staates
sowie gegen Leben, Freiheil oder Herrschaft des
Regenten, unter diesem jede wissentliche Verletzung
der Ehre des Staatsoberhauptes oder der ihm
schuldigen Ehrerbietung verstanden. Die Maje-
stätsbeleidigung bildet somit einen engeren Begriff
als das römische und gemeinrechtliche crimen
maiestatis, indem sie nicht alle nicht animo ho-
stili begangenen Fälle dieses crimen, sondern
nur die absichtliche Verletzung der Ehre des
Staatsoberhauptes umfaßt.
Gemeinrechtlich ist jede nicht in hochverräteri-
scher Absicht dem Staatsoberhaupte zugefügte
vorsätzliche Verletzung der demselben zukommenden
Ehre und Ehrerbietung eine Majestätsbeleidigung.
Das preußische Landrecht von 1794 erklärte die
persönliche Beleidigung des Staatsoberhauptes in
seiner Würde als Verbrechen beleidigter Majestät;
das österreichische St. G. B. von 1803 bestrafte
Lästerungen auf die Person des Landesherrn, aus
welchen unverkennbar Abneigung gegen denselben
entstehen könne, wenn sie in Gesellschaft oder
öffentlich vorgebracht werden oder in andern mit-
geteilten Schriften geschehen. Das St. G.B. für
das Königreich Bayern von 1813 spricht von der
beleidigten Majestät durch Beschimpfung der Per-
son des Regenten oder seiner Regierungshandlung.
Die nun folgenden St.G.B. für Oldenburg
droht ist, redet in allgemeinen Wendungen in (1814), Sachsen (1838, 1868), Württemberg
Art. 127 von Aufruhr und erwähnt in Art. 218 (1839), Hannover (1840), Braunschweig (1840),
„der Strafe des Lasters der beleidigten Majestät“.
Die in der Bambergensis enthaltene ausdrückliche
Bestimmung über das crimen maiestatis ist in-
solge der damaligen politischen Lage, welche die
Vermeidung politischer Differenzen zwischen dem
Kaiser und den Reichsständen rätlich erscheinen
ließ, in die Karolina nicht aufgenommen worden.
Infolge der Verweisung auf das crimen maie-
statis des römischen Rechts, ferner infolge der
Aufnahme der lex Quisquis in die Goldene
Bulle ist das römische Recht bezüglich des crimen
meiestatis die Quelle des gemeinen Rechts ge-
worden.
Hessen (1841), Baden (1845), Thüringen (1850)
folgten dem bayrischen Vorbilde. Für die späteren
Strafgesetzbücher wurde das preußische St.G.B.
von 1851, welches die Beleidigungen der Majestät
und der Mitglieder des königlichen Hauses in einen
Titel zusammenstellte, das Muster; so für das bay-
rische St. G. B. von 1861 und das oldenburgische
von 1858. Neben diesen St.G.B. hatte sich das
gemeine Strafrecht in den beiden Mecklenburg, in
Schaumburg-Lippe und in Bremen erhalten. Wo
die gemeinrechtlichen Anschauungen die Herrschaft
behauptet hatten, war die Majestät des Ober-
hauptes des einzelnen Staates einschließlich des