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Koedukation eingeführt ist, werden natürlich die
entsprechenden Anstalten für das männliche Ge-
schlecht besucht, so in Dessau (sowohl die Handels-
realschule wie die obligatorische kaufmännische Fach-
schule), Mainz und Mannheim. Die älteste der
bestehenden besondern Mädchen-Handelsschulen ist
die 1862 gegründete städtische Riemerschmid-Han-
delsschule für Mädchen zu München, die 1909 auf
3 Klassen verteilt 510 Schülerinnen hatte. Außer
ihr besteht in Bayern noch die 1873 errichtete
Handelsschule für Mädchen in Nürnberg. Die
zweitälteste deutsche Anstalt dieser Art ist die Ge-
werbeschule für Mädchen in Hamburg, die, von
dem seit 1867 bestehenden „Verein zur Förde-
rung weiblicher Erwerbstätigkeit" geschaffen, neben
ihren verschiedenen Abteilungen (Fortbildungs-
schule, Bildungsanstalt für Kinderpflegerinnen
und Kindergärtnerinnen, Kindergarten, Zeichen-
und Handarbeitskursen usw.) auch eine zweiklassige
Hawdelsschule enthält, die zur Befähigung einer
ontoristin, Bureaubeamtin, Buchhalterin, Kor-
respondentin heranbilden will. In Preußen be-
finden sich besondere Mädchenabteilungen nur an
den höheren Handelsschulen von Dortmund und
Barmen sowie an der 1903 gegründeten städti-
schen Handelslehranstalt zu Frankfurt a. M. Das
Königreich Sachsen hat bloß private Mädchen-
handelsschulen, und zwar in Dresden-Altstadt
(die Klemichsche) und Leipzig; dasselbe gilt von
Lübeck. Die Lehrpläne gleichen im großen und
ganzen denen der entsprechenden Handelsschulen
für das männliche Geschlecht.
3. Die Handelshochschulen haben den
Zweck, erwachsenen jungen Leuten mit der nötigen
Vorbildung und geistigen Reife eine Vertiefung
der allgemeinen Bildung im eigentlichen Kauf-
mannsberufe sowie im Bank= und Buchhand-
lungswesen zu vermitteln und Lehrer für die
höheren Handelslehranstalten theoretisch und prak-
tisch heranzubilden. Aufnahme finden in erster
Linie die Abiturienten der neunstufigen höheren
Schulen sowie derjenigen höheren Handelsinstitute,
deren Oberstufe jener der genannten Anstalten
entspricht. Von seminaristisch gebildeten Lehrern
wird Ablegung der Hauptprüfung verlangt, von
Kaufleuten, die nur das Einjährig-Freiwilligen-
Zeugnis besitzen, Beendigung einer mindestens
zweijährigen Lehrzeit. Daneben wird, wie es ja
schon in Marpergers Plane lag, auch für Herren
in kaufmännischen Stellungen, Industrielle, Ver-
sicherungsbeamte usw. in weitgehendem Maße
Gelegenheit zu fachmännischer Fortbildung ge-
boten. Über die Zulassung von Ausländern, die
namentlich in Sachsen sehr zahlreich sind, hat der
Verwaltungsausschuß in jedem einzelnen Falle zu
beschließen.
Außer der bereits erwähnten Handelshochschule
von Leipzig wurden bis 1909 noch gegründet:
die an die Technische Hochschule angelehnte Han-
delshochschule zu Aachen (1. Okt. 1898), die jedoch
mit Ablauf des Sommersemesters 1908 aufgelöst
Kaufmännisches Bildungswesen.
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ist und in Zukunft eine Bildungsstätte für Inge-
nieure sein wird; die städtische Handelshochschule
zu Köln (1. Mai 1901), die erste selbständige
Anstalt dieser Art, die vermöge ihrer reichen Mit-
tel den größten Lehrkörper unter den deutschen
Handelshochschulen besitzt; die von dem „Institut
für Gemeinwohl“ angeregte Akademie für So-
zial- und Handelswissenschaft in Frankfurt a. M.
(21. Okt. 1901); die auf Betreiben des „Vereins
junger Kaufleute“ gegründete Handelshochschule
in Berlin (27. Okt. 1906) und die aus Hoch-
schulkursen hervorgegangene Handelshochschule in
Mannheim (Frühjahr 1908). Außerdem bestehen
Handelshochschulen an der 1903 eröffneten Po-
sener Akademie, und für München und Nürn-
berg wurde die Genehmigung zur Errichtung
einer Handelshochschule 1909 von der bayrischen
Staatsregierung erteilt. Wo solche Anstalten
noch nicht existieren, behilft man sich vorläufig
mit entsprechenden Hochschulkursen, deren älteste
Organisation die „Fachkurse des Vereins der
Bankbeamten in Berlin“ (seit 1899) sind. Auch
Königsberg (April 1907) hat derartige Kurse
eingerichtet. In Form von meist einwöchigen
Wanderkursen veranstaltet sie in den verschie-
densten Städten namentlich die „Gesellschaft für
wissenschaftliche Ausbildung“ in Frankfurt a. M.
Zweck und Ziel dieser Hochschulen sollten
eigentlich die Handelswissenschaften sein, doch
gehen die meisten darüber hinaus. Am weitesten
die Frankfurter Akademie, die neben den Handels-
beflissenen auch „höheren staatlichen und kommu-
nalen Verwaltungsbeamten, Richtern, Anwälten,
Referendaren und andern Angehörigen gelehrter
Berufe die Gelegenheit zu vertieften und erwei-
terten volkswirtschaftlichen, rechtswissenschaftlichen
und sozialpolitischen Studien bieten will“. Unter
ihren für 1909 angekündigten 132 Vorlesungen
kommen nur 28 auf Volkswirtschaftslehre und
Wirtschaftsgeographie und 16 auf die eigentlichen
Handelswissenschaften.
Ausgegangen ist die Gründung durchweg von
den Organen der Kaufmannschaft, die im Verein
mit Stiftungen und Fonds sowie mit Stadt= und
Staatsbehörden auch für die Unterhaltungskosten
aufkommen. Nur die Berliner Handelshochschule
ist ohne jede andere Unterstützung einzig von der
Korporation der Kaufmannschaft ins Leben ge-
rufen worden. Diese allein verwaltet auch die
Anstalt, wobei ihr als gutachtliches Organ der
aus 21 Vertretern der Staatsregierung, der Uni-
versität, der Technischen Hochschule, des Altesten-
kollegiums, der Handelskammer usw. bestehende
„Große Rat“ dient. In Köln übt die Verwal-
tung ein „Kuratorium“ (Oberbürgermeister, Ver-
treter der Staatsregierung, Studiendirektor und
12 andere Mitglieder) aus, in Frankfurt der
„Große Rat“, der aus seiner Mitte einen Ver-
waltungsausschuß bildet, in Leipzig der aus
11 Personen bestehende „Hochschulsenat“. — Die
Leitung liegt in Köln, Mannheim und Leipzig in