Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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binden; indessen war der Austritt aus dem Bunde 
jederzeit zulässig, und das einzige Zwangsmittel 
gegen ein ungehorsames Bundesglied war die Ver- 
hansung, d. h. Ausschluß aus dem Bunde und 
kommerzielle Achtung des Ausgeschlossenen. Auch 
eine Bundeskasse gab es nicht; nur im einzelnen 
Falle wurden vom Hansetag je nach Bedürfnis 
Bundesleistungen ausgeschrieben. Trotz dieser 
losen Verbindung hat die Hansa eine großartige 
Wirksamkeit entfaltet. Ihre Statuten und Ge- 
wohnheiten sind die Quellen des ältesten gemeinen 
See= und Handelsrechts, die zum Teil bis zum 
deutschen Handelsgesetzbuch in Geltung blieben. 
Ihre Tatkraft schuf einen wirksamen Schutz des 
Handels zur See wie zu Lande. Besonders wichtig 
war ihre Vertretung der deutschen Handelsinteressen 
im Ausland, wo sie für die Erringung und Er- 
haltung von Freiheiten und Privilegien des deut- 
schen Handels sorgte. Obwohl der Bund über- 
wiegend aus bloßen Landesstädten bestand, trat 
er doch im internationalen Verkehr durchaus selb- 
ständig auf, schloß Verträge mit ausländischen 
Staaten ab und griff, wenn andere Mittel zum 
Schutz des Handels und der Schiffahrt versagten, 
auch zur Kriegführung, ohne zu seinen Maß- 
nahmen die Genehmigung des Kaisers nachzu- 
suchen. Die Glanzperiode der Hansa beginnt mit 
der am 19. Nov. 1367 im Gürzenich zu Köln be- 
schlossenen Kölnischen Konföderation, in welcher 
ein gemeinsamer Krieg gegen Dänemark und Nor- 
wegen verabredet wurde. Dieser siegreich durch- 
geführte Krieg brachte der Hansa im Stralsunder 
Frieden vom 24. Mai 1370 die Gewalt über 
Dänemark und Norwegen, und in der Folge auch 
über Schweden; bis ins 16. Jahrh. hinein blieben 
nach einem Wort Gustav Wasas „die drei guten 
Kronen (Skandinaviens) die Kramware der Han- 
sen“. In dieser Periode beherrschte die Hansa 
die Ostsee und den Zwischenhandel zwischen dem 
Osten und Westen Nordeuropas. Ihre wichtigsten 
Handelsniederlassungen waren zu London, Brügge, 
Bergen und Nowgorod. Von der Kriegsmacht der 
Hansa gibt der 1428 gegen Dänemark geführte 
Krieg ein Bild; hier erschienen die Hanseaten mit 
240 Schiffen und 12000 Mann vor Kopen- 
hagen, während gleichzeitig ihr Landheer die Dänen 
aus ganz Schleswig vertrieb. Auch nach innen 
war die Hansa von großer Bedeutungs sie schützte 
die dem Bunde angehörigen Städte gegen Be- 
drückung von seiten ihrer Landesherrn, vermittelte 
bei Streitigkeiten unter den Bundesgliedern durch 
Ausgleich und schiedsrichterliche Entscheidung, und 
gewährte Sicherheit gegen gewaltsamen Umsturz 
der Verfassung in den verbündeten Gemeinwesen. 
Vom Ende des 15. Jahrh. ab zeigt sich ein Nieder- 
gang der Hansa. Zuerst vernichtete Iwan II. 1493 
den Handelsbetrieb der Hanseaten nach Rußland; 
bald hörte auch ihr Handel in Flandern fast völlig 
auf. Die kirchliche und politische Revolution des 
16. Jahrh. entzog vollends der Hansa den Nähr- 
boden, auf dem sie gewachsen und gediehen war, 
Marinewesen. 
  
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die religiöse Einheit und die politische Freiheit. 
Statt sich den neuen und großen Aufgaben der 
Zeit zuzuwenden, welche in der Umwälzung des 
Welthandels durch die Entdeckung Amerikas und 
die Auffindung des Seewegs nach Ostindien lagen, 
vergrübelten sich die führenden Geister in nutzlose 
konfessionelle Zänkereien und vergeudeten ihre 
Kraft in der Bekämpfung andersgläubiger Mit- 
bürger. Die schon vordem groß gewordene Un- 
einigkeit der Hansa wurde durch konfessionellen 
Haß und Hader unheilbar. Die Landesherrn, 
deren Absolutismus in der neuen Lehre eine mäch- 
tige Stütze und in den stehenden Heeren ein wirk- 
sames Gewaltmittel gewonnen hatte, zwangen 
eine Stadt um die andere, aus dem Hansabund 
auszutreten. Immer geringer wurde die Bedeu- 
tung der Hansa. Dänemark, Norwegen und 
Schweden, deren Union die Hansa noch 1523 mit 
Glück bekämpft und zur Auflösung gebracht hatte, 
erlangten mit Hilfe der Schmalkaldischen Fürsten 
1536 und 1537 dauernd ihre Selbständigkeit und 
beseitigten alsbald die Privilegien der Hansa. Zu- 
letzt gingen 1552 auch die hanseatischen Vorrechte 
in England verloren. Der Protestant Barthold 
sagt über die Folgen der Reformation für die 
Hanso (Geschichte der deutschen Hansa III 295): 
„Die Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses 
entfremdete den lutherischen Hansestädten nicht allein 
den Kaiser als berufenen Schirmherrn, sondern auch 
manche Orte, in denen, wie in Köln, Osnabrück, 
Münster, Paderborn, Dortmund, die alte Kirche 
dauernd oder zeitweise sich noch oben erhielt. Zu 
andern Zwecken mißbraucht, verflocht das Bündnis 
mit den protestantischen Fürsten unsere Hansestädte, 
welche nur in strenger Parteilosigkeit Sicherheit 
und Gewinn finden konnten, in gefahrvolle und 
kostspielige Reichskriege, brachte sie in Abhängig- 
keit von Fürsten und lockerte das schon lose Band 
noch merklicher. Der Fanatismus der nächsten Ge- 
schlechtsalter machte es ferner schwer oder ganz un- 
möglich, gemeinförderliche Handelsverbindungen 
anzuknüpfen; es schied sich die christliche Welt, alle 
geschichtlichen Bezüge und materiellen Vorteile ver- 
gessend, in Katholische und Unkatholische; der han- 
sische Kaufmann war nicht mehr bloß Kaufmann, 
sondern als Eiferer für sein Bekenntnis und Ver- 
breiter des Gifts der Ketzerei ebenso gemieden und 
gefürchtet, als für Person und Güter gefährdet. End- 
lich veränderte die erhitzte Teilnahme an kirchlichen 
Lehrstreitigkeiten den klugen, unbefangenen Cha- 
rakter der hansischen Gemeinwesen in dem Grade, 
und gewannen unduldsame und herrische Pfarrer 
einen solchen Einfluß auf einfache hansische Ver- 
hältnisse, daß törichterweise lutherische Rechtgläu- 
bigkeit als notwendige hansische Eigenschaft be- 
trachtet wurde, und ein lutherisches Papsttum die 
Verhansung, die sich sonst schon ohnmächtig genug 
erwies, als Mittel brauchen wollte, um anders- 
meinende Bundesglieder, wie Bremen, zum wahren 
Heile zurückzuführen."“ 
Von den Schlägen, welche die Reformation der 
Hansa versetzt hatte, erholte sie sich nicht mehr, 
wiewohl verschiedene Versuche zu ihrer Wieder- 
belebung gemacht wurden. Der Dreißigjährige
	        
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