Full text: Staatslexikon. Dritter Band: Kaperei bis Paßwesen. (3)

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Flottengesetz mit bedeutenden Verstärkungen der 
Marine. Auf Grund dieser beiden englischen 
Flttengesetze sind 20 Schlachtschiffe, wovon 17 
über 15.000 t wogen, 57 Kreuzer, 64 Torpedo- 
zerstörer gebaut worden, ehe das erste deutsche 
Flottengesetz von 1898 ergangen war. Das neueste 
Stadium dieses von England begonnenen Wett- 
rüstens zur See ist seit 1905 die Erbauung der 
Dreadnoughts mit einem Deplacement von 
über 18 000 t, ein Schiffstyp, der nach den Er- 
fahrungen des russisch-zapanischen Krieges, ins- 
besondere der Seeschlacht bei Tsuschima am 27. Mai 
1905, eine möglichst hohe artilleristische Kraft- 
konzentration in einer kurzen Gefechtslinie und die 
Herbeiführung des entscheidenden Artilleriekampfes 
auf große Entfernungen ermöglicht. Der Er- 
bauung dieser Panzerkolosse sind nun auch die 
andern Seemächte gefolgt. 
C. Reglung des Marinewesens des Deut- 
schen BReiches. I. Verfassung. Während das 
deutsche Heer aus mehreren Kontingenten zu- 
sammengesetzt ist, welche im Frieden unter dem 
Befehl ihres Kontingentsherrn stehen und nur im 
Kriege dem einheitlichen Oberbefehl des Kaisers 
unterstellt sind, ist die deutsche Marine eine ein- 
heitliche, im Frieden wie im Krieg unter dem 
Oberbefehl des Kaisers stehende bewaffnete Macht 
des Reiches (Reichsverf. Art. 53, Abs. 1, Satz 1). 
Die militärischen Hoheitsrechte über die deutsche 
Marine kommen daher ausschließlich dem Reiche 
zu. Der Kaiser ernennt die sämtlichen Offiziere 
und Militärbeamten der Marine, welche, wie 
die Marinemannschaften, für ihn eidlich in Pflicht 
genommen werden (Reichsverf. Art. 53, Abs. 1, 
Satz 2). Die Befehlsgewalt (Kommandogewalt) 
über das Marinepersonal steht ausschließlich dem 
Kaiser zu. Die Marine führt die Bezeichnung 
„Kaiserlich“ (Reichsverf. Art. 53, Abs. 4). Die 
Flagge der Kriegsmarine ist Schwarz-Weiß-Rot 
(Reichsverf. Art. 55). 
II. Dienstpflicht. Zum Dienst in der Kaiser- 
lichen Marine ist die gesamte seemännische Be- 
völkerung des Reiches, einschließlich des Maschinen- 
personals und der Schiffshandwerker, verpflichtet 
(Reichsverf. Art. 54, Abs. 4). Die Marine wird 
eingeteilt in die Flotte, welche beständig zum 
Kriegsdienst bereit ist, entsprechend dem „stehenden 
Heer“, und in die Seewehr, welche zur Unter- 
stützung der Flotte bestimmt ist, wie die Landwehr 
zur Unterstützung des stehenden Heeres; bei ein- 
tretender Kriegsgefahr werden die Seewehrmann= „Wörth“ (1892) gehören; die Kaiserklasse 
schaften nicht in besondere Truppenkörper formiert, 
sondern nach Maßgabe des Bedarfs zur Flotte 
einberufen (Wehrgesetz vom 9. Nov. 1867, §§ 3/5, 
und vom 11. Febr. 1888, §§ 20, 21). Die Ma- 
rineersatzreserve dient bei Mobilmachungen 
zur Ergänzung der Marine (Wehrgesetz vom 
11. Febr. 1888, § 22). Im übrigen vgl. über 
Wehrpflicht d. Art. Militärwesen. 
Marinewesen. 
  
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Teilen durch Gesetz festgelegt und damit dem wech- 
selnden Schicksal der parlamentarischen Kämpfe 
und den Schwankungen der Ressortwünsche ent- 
zogen. 
1. Es soll bestehen die Schlachtflotte aus 
2 Flottenflaggschiffen, 4 Geschwadern zu je 8 Li- 
nienschiffen, sowie 8 großen Kreuzern und 24 
kleinen Kreuzern als Aufklärungsschiffen; die 
Auslandsflotte aus 8 großen Kreuzern und 
10 kleinen Kreuzern; die Materialreserve 
aus 4 Linienschiffen, 3 großen Kreuzern und 4 
kleinen Kreuzern (Flottengesetz vom 14. Juni 1900 
und 5. Juni 1906). Abgesehen von Schiffsver- 
lusten sollen Linienschiffe und Kreuzer nach 20 
Jahren ersetzt werden; diese Frist ist zu rechnen 
vom Jahr der Bewilligung der ersten Rate des 
zu ersetzenden Schiffes bis zur Bewilligung der 
ersten Rate des Ersatzschiffes (Flottengesetz vom 
6. April 1908). 
2. Alle bisher nicht genannten Schiffe, also 
Torpedoboote, Kanonenboote, Unterseeboote, 
Schulschiffe und Spezialschiffe (Minendampfer, 
Werkstattschiffe, Kohlendampfer usw.) gehören 
nicht zu dem gesetzlich gesicherten Bestand der 
Flotte, sondern hängen von der Bewilligung im 
Etatsgesetz, die Spezialschiffe von den Mitteln des 
Schiffbau-Reservefonds ab. 
3. Auch soweit das Flottengesetz die für den 
Bestand der Flotte erforderlichen Schiffsgattungen 
bezeichnet, sieht es von einer Festsetzung ihrer Be- 
schaffenheit und Ausrüstung ab; die Entwicklung 
der Technik findet somit in den gesetzlichen Be- 
stimmungen kein Hindernis für ihre Anwendung 
auf die Ersatzbauten. Schon die kurze Zeit seit 
dem Flottengesetz von 1900 hat gezeigt, wie not- 
wendig diese Selbstbeschränkung des Gesetzes war, 
denn die Erfahrungen des russisch-japanischen 
Krieges führten zu einer ganz beträchtlichen Ver- 
größerung des Deplacements (Wasserverdrängung) 
der Kriegsschiffe. 
a) Die Linienschiffe bilden den Kern der Flotte; 
sie sind für den Entscheidungskampf auf hoher 
See bestimmt. Entsprechend ihrem Deplacement 
werden sie in Klassen eingeteilt, welche nach dem 
ersten fertig gewordenen Schiffe der Klasse, dem 
Typschiff, benannt werden. 
Gegenwärtig haben wir die Brandenburg- 
klasse mit 10 013 t Deplacement, zu welcher die 
Schiffe „Brandenburg" (1891), „Kurfürst Fried- 
rich Wilhelm“ (1891), „Weißenburg"“ (1891) und 
mit 11 097 t Deplacement, bestehend aus den Schif- 
fen „Kaiser Friedrich III.“ (1896), „Kaiser Wil- 
helm II.“ (1897), „Kaiser Wilhelm der Große“ 
(1899), „Kaiser Karl der Große“ (1899), „Kaiser 
ringen“ (1901), i# 12 die 
* burg“ (1901) umfaßt; die Braunschweigklasse 
III. Der Schiffsbestand der deutschen Marine 9141207% ¾ 
ist, wie die Kadres des Heeres, in seinen wichtigsten 
Barbarossa" (1900); die Wittelsbachklasse 
mit 11774 t Deplacement, welche die Schiffe 
„Wittelsbach“ (1900), „Wettin“ (1901), Zob 
ecklen- 
mit 13 208 t Deplacement, zu welcher die Schiffe 
„Braunschweig“ (1902), „Elsaß“ (1903), „Preu-
	        
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